Entführt, ausgesetzt und unterworfen
Die unverwechselbare Malerei von Andreas Leikauf ist ein kritischer Kommentar zu einer rast- und nicht selten ratlosen Gesellschaft. Befinden wir uns auf einem Irrweg? Darauf geben die Bilder keine Antwort – das macht sie so spannend.
Wer jemals ein Bild von Andreas Leikauf gesehen hat, wird es nicht wieder vergessen. Ob einem das nun gefällt, oder nicht. In Erinnerung behalten wird man: die Dominanz einer einzigen Farbe, die prägnanten Motive und deren Begleiter, die knappen textlichen Slogans, die den Motiven eine entscheidende Wendung geben. Was also an Acrylmalerei Leikaufs Atelier in der Nähe des Schönbrunner Schlossparks verlässt, hat einen hohen Wiedererkennungswert.
Doch dieser Wiedererkennungswert ist ein zweischneidiges Schwert. Was die einen als einzigartige Handschrift loben, gilt anderen als ein Mangel an Erneuerungsgeist, den kompetitive Gesellschaften seit jeher unerbittlich einfordern. Der Künstler selber, Jahrgang 1966 und gebürtiger Obersteirer, sagt, mehr abgeklärt als sich rechtfertigend, nachdem er sich an den Tisch in seinem Atelier gesetzt, die verstreuten Zeitungen, Magazine und Unterlagen in eine notdürftige Ordnung gebracht und seiner Freude darüber Ausdruck verliehen hat, dass er nicht mehr raucht: „Solange ich das Gefühl habe, es ist für mich spannend, künstlerisch auf diese Art zu arbeiten und man diese Arbeit noch besser machen könnte, geht das in Ordnung."
Als Künstler ist Andreas Leikauf der Malerei verpflichtet, von ihr lebt er. Aber auch als Musiker hat er sich einen Namen gemacht, von der mittlerweile aufgelösten Garagenrockband Mopedrock!!, bei der er Gitarrist und Violinist war, sind zwei Alben amtlich: „Vasistas" (2011) und „Virage" (2014). Zudem streift er sich regelmäßig das Trikot des österreichischen Autorenfußballteams über (der Begriff „Autor" wird dort offensichtlich recht großzügig auslegt), in dem er an der Seite etwa von Clemens Berger oder Martin Amanshauser gegen ausländische Teams kickt.
Doch zurück zur Malerei: Zuerst hat Leikauf sie studiert (in den Achtzigern), dann über viele Jahre satt gehabt (in den Neunzigern) und schließlich die Freude daran wiederentdeckt (bis heute). Das Studium der Malerei nimmt er 1985 - seitdem lebt er in Wien - an der Akademie der bildenden Künste auf, vier Jahre später schließt er es erfolgreich ab. Doch sein damaliger Professor treibt ihm die Lust zu malen aus. Seine Vorgaben sind streng, künstlerischer Eigensinn ist unerwünscht. „Er wollte, dass alle so malen wie er selbst, nur schlechter", erinnert sich Leikauf.
Gelernt hat er im Umgang mit abstrakter Malerei trotzdem etwas sehr Wichtiges: „Ich habe die Angst vorm falschen Pinselstrich verloren." Bloß setzt Leikauf vorerst keine Pinselstriche mehr. In den Neunzigern entstehen etwa Tuschezeichnungen, zudem entwirft er eigene Geldscheine und Briefmarken. Erst um die Jahrtausendwende findet er zu seinem auch heute noch aktuellen malerischen Ausdruck, der insofern eine gewisse Nähe zur Pop-Art aufweist, als er sich für das nötige Ausgangsmaterial eines populärkulturellen Motiv-Fundus bedient. Erinnert wird man mitunter auch an die Cover-Illustrationen der US-amerikanischen Pulp-Magazine, die in den frühen Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts populär waren. Zwar verschiebt Leikauf in der konkreten Umsetzung immer wieder formale Parameter, man kann aber sagen, er ist seinem Stil über die Jahre treu geblieben. Wie auch der Wiener Galerie Ernst Hilger, die ihn seit beinahe zwanzig Jahren vertritt.
Vertrackte kunsttheoretische Überlegungen spielen in Leikaufs Arbeit eine untergeordnete Rolle. „Um meine Bilder zu betrachten, braucht es keine großen Erklärungen", stellt er nüchtern fest. Auch seine Arbeitsweise ist konzeptionell eigentlich unspektakulär, das Ergebnis dafür aber umso wirkungsvoller. Zuerst durchforstet er Zeitungen, Zeitschriften und Magazine nach einem passenden Grundmotiv, das ihm als Vorlage dient. Oft sind es Menschen, wie sie uns tagtäglich in Film und Fernsehen, Mode und Musik, Werbung und Politik zahllos begegnen und die irgendwann fotografisch festgehalten wurden. Menschen, die Leikauf malerisch auf klein- wie auch großformatigen Leinwände entführt, in neuen Umgebungen aussetzt und sie dort seinen zumeist englischen Slogans unterwirft („Tell Us About Your Dream"; „Lost My Way" etc.). Waren diese Protagonistinnen und Protagonisten zuvor vielleicht beliebt, cool und erfolgreich, zumindest aber öffentlichkeitswirksam in Szene gesetzt, so scheinen sie jetzt mitunter einsam, verängstigt und verloren.
In diesen Verwerfungen verfängt ein gesellschaftskritisches Moment: Überschatten dunkle Geheimnisse unsere geschmeidige Konsum- und Medienwelt? Eine eindeutige Antwort darauf zu geben, wäre vergleichbar mit dem Monster eines Horrorfilms - sobald es seine wahre Gestalt offenbart, verliert es zumeist an Schrecken. Und so legt Leikauf mit seinen Bildern stets nur die Fährte für eine Narration, die zwar hinter geschönte Fassaden führt, jeder Betrachter aber zu einem unterschiedlichen Ende bringen wird.
Dass die Sujets nicht nur ideell anregend, sondern auch ästhetisch bestrickend sind, hat zuletzt der aus Ungarn stammende und für das Parkview Museum in Singapur tätige Kurator Lóránd Hegyi erkannt. Er hat Leikauf nach Asien eingeladen, wo das Museum mehrere Standorte hat. „Zahlreiche meiner Arbeiten werden heuer zu Ostern in Singapur und dann Ende des Jahres in Peking zu sehen sein", so Leikauf. Die ersten Arbeiten sind bereits auf dem Weg in die Ferne.
https://www.andreasleikauf.net/
Tiz Schaffer
Februar 2020