„Gibt es was anderes, was mich glücklich macht?“
Die bulgarische Künstlerin Darina Peeva hat mehr oder weniger zufällig einen Weg nach Österreich gefunden.
Sie ist in einem politischen System aufgewachsen, das es in Europa nicht mehr gibt: dem Kommunismus. Seine gesellschaftspolitischen Auswirkungen haben in Darina Peevas persönlicher wie auch künstlerischer Entwicklung Spuren hinterlassen. Mit 30 Jahren reiste die heute 40-Jährige erstmals ins Ausland, damals noch mit einem streng kontrollierten Schengen-Visum. Heute ist das ganz anders: „Das ist das Beste an der EU. Kein Ein- und Ausreiseverbot!". Die Künstlerin erinnert sich noch lebhaft an die Freiheitsbeschränkungen aus kommunistischen Zeiten. Umso wichtiger ist es jetzt für sie, nach den eigenen individuellen Vorstellungen leben und arbeiten zu dürfen: „Mit der Kunst darf ich meine Meinung sagen. Ich darf jene Art von Leben führen, wie ich es mir gewünscht habe. Und es gibt nichts anderes, was mich glücklich macht."
Peeva besuchte in Bulgarien eine Höhere Schule für Bildende Kunst. Kunst war im Kommunismus keine Ausdrucksform, die etwas zu ändern imstande gewesen wäre. Das System propagierte seine Kunst, die sogenannte „Russische Schule", um sich wichtig zu machen. Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus haben sich in Bulgarien zwei künstlerische Richtungen entwickelt. Einerseits traditionelle Kunst, die von den „mächtigen" Künstlern der damaligen Zeit repräsentiert wird: „Ein männerdominierter Kreis, dessen Hauptinteresse die Karriere ist, der aber auch junge Künstler unterstützt." Die zweite Richtung ist eine Minderheit an Kulturschaffenden, die sich vor allem mit Projekten der Neuen Medien beschäftigen. Peeva sieht sich als Druckgrafikerin abseits der beiden Richtungen.
Die Künstlerin arbeitet in Burgas, der viertgrößten Stadt Bulgariens, am Schwarzen Meer. Ihre Ausstellungstätigkeit aber konzentriert sich auf Österreich. Durch den Gewinn eines Spezialpreises für junge Grafiker des Lions Clubs Baden-Helenetal 1999, der bei der 14. Internationalen Biennale in Gabrovo an Peeva vergeben worden ist, wurde eine immer intensiver werdende Verbindung zu Österreich aufgebaut. Seit 2007 ist die Künstlerin auch Mitglied des Wiener Künstlerhauses, im Herbst 2012 stellt sie erstmals in den Räumen der Kultur Service Gesellschaft in der Steiermark aus. Künstlerisch ist Bulgarien kein Ziel für sie: „Mein künstlerischer Zugang weckt mehr Verständnis bei den Österreichern." Peeva ist Druckgraphikerin - das habe sich im Laufe ihrer Ausbildung schnell herauskristallisiert, dass das ihre Methode für ihre künstlerische Tätigkeit ist. Vielfach auch deshalb, weil die inhaltliche Auseinandersetzung durch das Handwerk vervollständigt wird.
Ihre Arbeiten sind immer gesellschaftskritisch motiviert und bewegen sich in einem politischen Kontext. Inspirieren lässt sie sich durch bestimmte Themen, die ihr durch den Kopf gehen: „Manchmal kommt ein Satz in einem Gespräch, der meine künstlerischen Gedanken beeinflusst, oder es ist eine Beobachtung, die mich nachdenklich stimmt." Sie setzt tagesaktuelle Nachrichten - Katastrophen, Anschläge, Kriege - oder gesellschaftskritische Themen wie Gentechnik oder Umweltschutz einem künstlerischen Prozess aus, transformiert sie, und setzt sie abstrahiert auf Papier. In ihrem Zyklus „(Un-)Natural Disaster", der im September 2012 in den den Räumlichkeiten der KSG gezeigt wurde, drückt sie Ruhe und Lautlosigkeit nur durch Nuancen der Nichtfarbe Weiß aus. „Die weiße Farbe soll dem Zuschauer ermöglichen, die Kompositionen frei von Emotionen aus einer Distanz wie im Nebel zu betrachten". Peeva kombiniert dies mit Elementen des alltäglichen Nachrichtengeschehens.
„Wir sind an Gewalt schon zu sehr gewöhnt, wir schenken ihr keine Aufmerksamkeit mehr", sagt Peeva. Sie will mit ihren Arbeiten nicht auf die Politik aufmerksam machen, sondern die Zuschauer, das Publikum, sensibilisieren, wieder bewusster zuzuhören und nachzudenken. Ihre Arbeiten sind immer eine Komposition inhaltlicher Botschaften, die aus schemenhaften Bildern, lyrischen Symbolen und bewussten Farbakzenten bestehen. Und immer fließen Fragen der eigenen Identität und Selbstwahrnehmung in die Bilder ein.
Ihr Programm in naher Zukunft wirkt dicht: Trienale für Druckgraphik in Krakau, Polen, Ausstellung in Bad Ischl, Teilnahme an der Linzer Kunstmesse und von Jänner bis März 2013 wird die Bulgarien erstmals als Artist-in-Residence in New York gastieren. Und da kommen wir wieder zu Peevas Eingangszitat: „Gibt es was anderes, was mich glücklich macht?"
Petra Sieder-Grabner
September 2012