Weggehen, Heimkommen, Weggehen
Die steirische Band Shady Lanes hat mit „Tango Sierra Lima“ eine famose CD veröffentlicht. Statt Rockstarposen einzunehmen, üben sich die drei Band-Mitglieder allerdings lieber in Understatement und Selbstironie.
Judendorf im Jahre 2007. Schlagzeuger Flek Murray, Bassist Reno und Gitarrist-Sänger-Songwriter Ratrock Tot Sint Jans haben endlich einen passenden Proberaum gefunden für ihr gemeinsames Projekt The Shady Lanes. Bedauerlicherweise stellt sich rasch heraus, dass der Vermieter kein allzu großer Fan der Band ist. Nach wenigen Wochen schon spricht er die Kündigung aus. Es sind nicht etwa kreischende Teenies, Drogenexzesse oder Lärmorgien, die den Mann zu diesem Schritt bewegen, sondern verstreute Keksreste im Vorhaus. Man sieht schon: Die steirische Pop- und Rock-Szene hat Widerstände zu überwinden, die anderswo undenkbar wären. Die Shady Lanes jedenfalls sind mit solchen Mitteln nicht mehr zu stoppen. Sie produzieren innerhalb von kaum drei Jahren im Eigenverlag zwei Studioplatten und ein Live-Album sowie Videos, die die Band neuerdings auch bei der entspannten Gartenarbeit zeigen.
Selbstironie und sarkastischer Humor sind den drei Musikern wichtig, das zeigt sich in den Songtexten, beim Pressematerial und auch beim Versuch, mit den Dreien ein Interview zu organisieren. Die Öffentlichkeit meiden die Shady Lanes so gut es geht. Das ist im Musikbusiness eher ungewöhnlich und macht den Weg zur radiotauglichen Mainstream-Band auch recht schwierig. Den Bandmitgliedern ist das demonstrativ egal, ihr Ziel ist es ganz offensichtlich nicht, auf die Schnelle reich und berühmt zu werden.
„Wir wollten am Anfang ein Album aufnehmen. Mittlerweile haben wir drei herausgebracht, also von dem her haben wir alles erreicht. Und dass uns Wolfgang Pollanz in seine pumpkin-Familie aufgenommen hat, hat uns sehr gefreut, denn bisher hatte sich noch niemand für uns interessiert, außer unsere Eltern vielleicht. Wobei, nööö, die auch nicht", lassen die Shady Lanes den neugierigen Journalisten wissen. Die auf pumpkin records im Herbst 2011 erschienene CD „Tango Sierra Lima" darf denn auch als eine der gelungensten österreichischen Rockplatten dieses Jahres gehandelt werden. Man mag die Musik „eingängig" und „geradlinig" nennen oder das Schlagwort „Americana" bemühen, viel besser ist es, man hört sich das Ganze einfach einmal selbst an. Fragt man die drei Herren nach einer Einordnung der Band kommt folgende hilfreiche Antwort: „Country-Folk-Garagenrevival-ClassicRock-Trash-Blues mit Gefühl."
Die Songs, die musikalisch immer wieder Bezug nehmen auf den Kanon des US-Countryrock, werden von Ratrock Tot Sint Jans geschrieben und haben ein wiederkehrendes Thema: Das Weggehen und das Zurückkommen. Daneben wird ein Faible für schnelle Autos deutlich und die Liebe zu wilden Tieren. Frühe Einflüsse von heimischen Künstlern wie der Ersten Allgemeinen Verunsicherung oder STS oder in neuerer Zeit The Base und The Incredible Staggers sind vielleicht nicht direkt hörbar, unterschwellig findet sich aber die eine oder andere Reverenz an die Genannten. Am wichtigsten allerdings war für die Entwicklung der Shady Lanes nach eigener Auskunft die Band Ostblock aus Frohnleiten.
Am Ende wollen wir wissen: „Wie geht es weiter mit den Shady Lanes? Was ist geplant für die Zukunft?" Die Antwort könnte ironischer kaum sein: „ Überhaupt gar nichts. Die Arbeit und der überwältigende Erfolg unseres aktuellen Albums haben uns komplett ausgelaugt. So widmen wir uns derzeit anderen Projekten. Flek Murray produziert elektronische Musik und andere Künstler. Reno ist im Sudoku-Business. Und Ratrock nimmt ein Solo-Album auf."
www.myspace.com/theshadylanes
Wolfgang Kühnelt
Oktober 2011