Edda, Helmut und die anderen (*)
Die Künstlerin Edda Strobl ist eine zentrale Figur der heimischen Comicszene.
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Eigentlich ist Edda Strobl gelernte Restaurateurin. Nur hat sie Anfang der Neunziger bemerkt, beides geht sich nicht aus, restaurieren und Kunst machen. Deshalb hat sie sich für Zweiteres entschieden. Wobei ihr nach einigen Jahren der Kunstbetrieb doch ziemlich auf den Wecker gegangen ist. Während sie in den frühen Neunzigern diesen etwa als Teil des Grazer Künstlervereins FOND tatkräftig mitgestaltet hat und auch im klassischen Galerien-Zusammenhang zu finden war - die Grazer Neue Galerie zeigte Ende der Neunziger eine sehr schöne Ausstellung unter dem Titel „FAD" mit Zeichnungen von ihr -, hat sie sich irgendwann voll und ganz der Comickunst verschrieben. Ihre Stilistik und ihr formales Vokabular allerdings formuliert sie ständig neu, weil sonst, so Strobl, „wird mir relativ schnell langweilig".
Und Comickunst ist nun, das dürfte bekannt sein, weder etwas für Kinder, noch erzählt sie Geschichten im herkömmlichen Sinn. Vielmehr ist sie ein künstlerischer Ausdruck, der sich oft, aber auch nicht immer, über das Heftformat transportiert. Auch nicht immer, weil wenn man nämlich die Jubiläums-Ausstellung anlässlich des zehnjährigen Bestehens von tonto comics - das ist das Label, für das Strobl mitverantwortlich ist - im Grazer Forum Stadtpark gesehen hat, dann weiß man, dass sich die Comickunst auch prächtig dafür eignet, die klassischen Räume der Kunst zu bespielen. tonto hat sich ursprünglich parallel zum gleichnamigen Musiklabel, das mittlerweile eingestellt wurde, entwickelt. Neben Strobls Lebenspartner Helmut Kaplan ist es mittlerweile ein Kollektiv von mehreren Künstlern, mit dabei etwa Michael Jordan, Simon Häussle, Clemens Stecher oder Norbert Gmeindl.
In unregelmäßigen Abständen werden tonto-Hefte herausgebracht, die einen schönen Einblick in das Schaffen dieser Künstler bieten. War die erste Ausgabe „Genossen", erschienen 2001, noch eine Duo-Arbeit von Strobl und Kaplan und mehr oder weniger Lo-Fi in Druck und Papierqualität und auch schwarz-weiß, sind nachfolgenden Publikationen wie etwa „Jack, Mom und die Anderen" (2007) oder „Nordpol" (2011) coloriert und nichts weniger als Kunstbände von beachtlicher Qualität. Führt man sich diese zu Gemüte, dann sieht man, wie vielfältig, verschlungen, selbst- und fremdreferentiell die tonto-Comickunst zu Werke geht. Es findet sich Wort-Bild-Kunst, Collagen, Arbeiten von narrativer Qualität oder solche, die man sich als Großformat an die Wand hängen würde, hin und wieder sogar Cartoons. Im Moment steht tonto bei der Ausgabe Nummer 12; Nummer 13 unter dem Titel „Noise" kommt demnächst heraus, Nummer 14 ist auch schon in Arbeit und für Nummer 15 steht das Thema schon fest.
Strobl selbst beschreibt ihre Arbeiten als „lose assoziativ Erzählungen die teilweise auch poetisch sind". Oft wurzeln ihre Werke, an denen sie gerne lange feilt, auf Autobiografischem, meist sind sie, wenn auch sehr subjektiv, gesellschaftskritisch zu lesen, sind gewissermaßen „Metaphern auf die Entwicklung der Gesellschaft", wie Strobl meint. Besonders einnehmend ist ihr sogenanntes „Kriegstagebuch", eine Notizbuch-Sammlung von Skizzen, Collagen und kleinen Kunstwerken, die im Laufe der Zeit entstanden sind, allerdings noch nie der Öffentlichkeit präsentiert wurden. Dass der Comickunst in den letzten Jahren auch innerhalb der bildenden Kunst mehr Respekt gezollt wurde, kann Strobl bestätigen. Wiewohl:„Es gibt es schon Bereiche der Hochkultur, wo diese Kunstform nicht ernst genommen wird." Dass zumindest im universitären Bereich ein Interesse daran besteht, zeigt sich etwa daran, dass Strobl und Kaplan an der Universität für Angewandte Kunst in Wien Lehraufträge erfüllen. Und in Städten wie Riga, Marseille, Belgrad oder Helsinki ist die dortige Comicszene wohlunterrichtet vom Schaffen der tonto-Künstler. In dieser Hinsicht muss der Grazer Boden wohl auch in den nächsten Jahren weiterhin beharrlich gepflügt werden. Und Künstlerinnen wie Edda Strobl halten das geeigneten Saatgut bereit.
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Tiz Schaffer
September 2011
*Update 2024: Was bleibt
„ Das, was bleibt" hieß die Performance, die Edda Strobl im Dezember 2016 im Steiermark-Haus in Brüssel gemeinsam mir Iris Kasper und Elli Saubach umgesetzt hat. Die im Rahmen der Performance projizierten Bilder und gesprochenem Text basierten auf Protokollen, Zeichnungen und Texten, die Strobl gewissermaßen als „Graphic Recorder" während zweier Theaterstücke der „zweiten liga für kunst und kultur" angefertigt hatte. Womit feststünde, dass die Künstlerin ihrem kollaborativen Naturell treu geblieben ist.
Auch das Tonto-Netzwerk hat sich noch feiner verwoben. Edda Strobl, Helmut Kaplan und Michael Jordan kooperieren mit Comic-Initiativen in ganz Europa, z. B. Komikaze (HR), Le Dernier Cri (FR), Electrocomics (DE), Canicola (IT), Stripburger (SLO), Turbo-Comix (FR/RS), Kush! (LT), Kuti und Glömp (FI) und ist Stammgast auf Comic-Festivals wie Nextcomic in Linz und dem Comicfestival Erlangen. Die Tonto-Reihe ist 2024 mit Michael Jordans Comic „Pourquoi nous sommes" las bei Nummer 40 angelangt.
Der Comic als Kunstform hat es mittlerweile sogar zu akademischen Ehren gebracht. Edda Strobls Website erwähnt eine Tonto-Gastprofessur an der Universität Kassel, Studiengang Comic und Illustration, und Edda Strobl selbst gab ihr Know-how in Lehrveranstaltungen sowohl an der Angewandten in Wien weiter als auch am Institut für zeitgenössischen Kunst der Architekturfakultät an der TU Graz.
ARTfaces-Redaktion
Dezember 2024