Etüden eines Signalverarbeiters
Wenn Prozessoren rocken und Soundteppiche ausgerollt werden: Matthias Kronlachner und sein Leben in Samples
Wer Matthias Kronlachner beim Musikmachen zuhören will, kann das unter anderem auf Youtube tun: In drei Videos ist unter dem Titel „Elektro Jam" eine Jamsession vom Winter 2010 festgehalten, wo Matthias Kronlachner gemeinsam mit Marian Weger die Prozessoren zum Rocken bringt. Kronlachner steuert neben Soundsamples und Beats die Bass-Linien bei, Weger weitere Samples und Gitarrensounds. „Spielmaschine" nennt sich das Duo, das in natura fast immer mit Aufnahmegerät unterwegs ist, um Töne, Geräusche und Klänge auf Bits und Bytes zu bannen, und das in seinen Stücken gerne an die Klangwelten von Großmeister Brian Eno andockt. „Wir spielen immer wieder mal Sessions, wo die Musik in so eine Clubrichtung geht", erzählt Kronlachner. „Die andere Richtung, in der ich tätig bin, ist improvisierte elektronische Musik."
Matthias Kronlachner ist einer der Künstler in Residence, die 2011 in den Ateliers im Grazer Rondo arbeiten. Gemeinsam mit den Rondo-KollegInnen Katja Cruz, David Pirrò und Luc Döbereiner präsentierte er Anfang Mai 2011 einen Teil seiner Arbeit unter dem Titel „Klangbogen - Elektronik, improvisierte Musik, Klanginstallation". Jedoch: Bei Aufführungen elektronischer Musik nur am Laptop zu sitzen und die Sounds mit Mausklicks zu steuern, schreckt ihn eher ab. Kronlachner: „Ich suche nach Wegen, die computergenerierten Sounds so zu steuern, dass man als Zuseher noch einen Zusammenhang von Musik und Gestik wahrnehmen kann." Der Musiker setzt daher bei Auftritten gerne den Controller der Nintendo Wii zur Steuerung der Samples, Loops und Patterns ein.
Matthias Kronlachner, Jahrgang 1985, ist im oberösterreichischen Schwanenstadt in einer musikalischen Familie aufgewachsen. Der Vater ist Kirchenchorleiter und Kapellmeister, den Sohn drängte es in Richtung Jazz. Kronlachner lernte E-Bass unter anderem an der Anton-Bruckner-Privatuniversität Linz und spielt auch Bassklarinette. Seit 2005 studiert er am Institut für Elektronische Musik an der Grazer Kunstuniversität und vertieft sich in die Feinheiten der elektronischen Signalverarbeitung. So war er unter anderem am Bau der elektronisch gesteuerten Klaviere beteiligt, die bei der Mensch-Maschine-Interaktion „Maschinenhalle #1" beim steirischen herbst 2010 die Bewegung von TänzerInnen in Musik umsetzten.
In seinen jüngsten Arbeiten, die beim Open House der Rondo-Ateliers Mitte Juni 2011 zu sehen waren, beschäftigte sich der Sounddesigner mit den Eigenheiten von Facebook & Co. „Die Einfachheit des Internets und die Intimität des Computerzimmers verleiten dazu, alles von sich selbst preiszugeben. Von ‚Privacy‘ kann aber bei Social Networks keine Rede sein", erklärt der Musiker. Diese Diskrepanz thematisierte er mit einem Facebook-Tagebuch und einem „Schnurtelefon 2.0": Beim Tagebuch liefen Facebook-Statusmeldungen seiner Freunde anonymisiert über ein Display, das in ein Buch eingepasst war. Dieselben Statusmeldungen wurden mittels Sprachausgabefunktion auch an eine Konservendose geschickt: Ans Ohr gehalten bekam man von einer Blechstimme die Befindlichkeiten der Facebook-User vorgelesen. Kronlachner selbst will in diese spielerischen Arbeiten trotz des kritischen Ansatzes nicht zu viel hineininterpretieren. Für ihn sind sie gewissermaßen Etüden eines Signalverarbeiters und Soundtüftlers.
Wenn Kronlachner nicht gerade eigene Sounds generiert, dann unterstützt er mit seinem Know-how als Sound Engineer sowohl Bands als auch Kunstprojekte: zuletzt beim oberösterreichischen „Festival der Regionen", wo er für die Uraufführung des Stückes „Zwischen Himmel und Erdnuss" in der Rundlokhalle der ÖBB am Bahnhof von Attnang-Puchheim das Sounddesign kreierte. Mit dem Stück-Autor Andreas Kurz hat Kronlachner bereits bei mehreren Projekten zusammengearbeitet. Auch mit „Spielmaschine"-Partner Marian Weger kollaboriert Kronlachner regelmäßig. Zuletzt betreute das Tontechniker-Duo die Innsbrucker Rock-Formation „Times New Roman" bei der Aufnahme einer CD.
Danach befragt, wann „Spielmaschine" an ihrer ersten eigenen CD arbeiten, antwortet Kronlachner ausweichend: „Momentan kommen wir weniger zum Spielen", sagt er ohne Bedauern. Außerdem ist sein Interesse daran, die in den Jam Sessions entstandenen Grooves zu Stücken auszufeilen, eher begrenzt. „Es wird mir schnell langweilig", gibt er zu. „Ewig an diesen Sachen dran zu sitzen und herumzufeilen, ist nichts für mich." - Da überlegt er sich lieber neue Ansätze für die Performance von elektronischer Musik oder entwickelt neue Sounds für kommende Toningenieur-Projekte.
Werner Schandor, Juli 2011