Der Phönix im Zyklus des Lebens
Mitten im „Rausch der Sinne“ von Hermann Nitsch zu agieren, mag magisch und inspirierend sein, doch „es ist wichtig, sich abzunabeln – aber es fällt auch nicht leicht“. Der steirische Künstler und ehemalige Nitsch- und Lüpertz-Student Gilbert Kleissner schafft seinen eigenen Zugang zu den großen Themen des Lebens.
Stumme, maskierte Gestalten mit Fackeln kennzeichnen die Pfeiler eines Begräbnisses, das am Anfang einer Performance von Gilbert Kleissner steht. Denn: Der Tod ist nicht das Ende. „Es ist ein ewiger Kreis", führt der 1970 geborene Grazer seinen Zugang zu den großen Themen der Menschheit aus. Sein Werk „Lebenszyklus" beginnt mit dem ersten Teil einer vierteiligen Performance im Frühling 2025. In einer leerstehenden Industriehalle in Graz vereint Kleissner mehrere Genres zu einem großen Ganzen: Malerei und Zeichnung, Objektkunst, Aktionstheater, Instrumentalmusik und rezitierte Texte durch den Schauspieler August Schmölzer. Kleissner selbst ist dabei mittendrin. Das umfangreiche Gesamtkunstwerk soll in vier Teilen in den nächsten Jahren an verschiedenen Orten über die Bühne gehen. Der erste Teil - Frühling - skizziert die ersten 25 Jahre eines Menschenlebens und so sollen auch die weiteren Abschnitte Sommer, Herbst und Winter die menschlichen Lebensphasen abbilden. Mit Entsprechungen in Farbe, Form, Aktion, Musik, bis hin zur Weinsorte beim anschließenden Buffet und mehr.
Die Intensität, mit der Gilbert Kleissner in die Kunstwelt eintaucht, hat sich mit Anfang 2025 noch einmal verstärkt, denn erst seit diesem Zeitpunkt ist er offiziell ausschließlich als freischaffender Künstler tätig, obwohl er davor schon viele Jahre internationale Ausstellungstätigkeit und Messen von Taiwan über Köln bis Zürich, von New York über Mailand bis London verzeichnet. Auch der Kitzbüheler Kunstpreis (Kitz Award 2014) und Artist in Residence am Arlberg (2014-2018) zieren seinen künstlerischen Werdegang.
Dieser Weg ist von seiner Ausbildung zum Floristenmeister als junger Mann inspiriert: „Hier bin ich bereits intensiv mit Kunst in Verbindung gekommen", erzählt er. Tuschzeichnungen und gegenständliche Malerei stehen ganz am Anfang seiner Künstlerkarriere. Es folgte eine „Zeit des Ausprobierens" von Aquarell bis Druck, und später in der Mistelbacher Akademie von Hermann Nitsch begann sich dieser Prozess, den er unter dem Künstlernamen CEDES weiterverfolgte, zu klären. In vielen Einzelschritten, denn akribisch hatte ihm Nitsch etwa „die Farbe in vielen Facetten nahegebracht." - „Es war eine Bereicherung zu erfahren, was man mit einer Farbe anstellen kann", erzählt Kleissner seinen Weg. So wichtig, wie das tiefe Eintauchen in die Welt des Hermann Nitsch war, so unausweichlich war auch die Notwendigkeit, von dort aus eine ganz eigene Richtung zu erkennen und auszubilden. Kleissner: „Es war wichtig, sich abzunabeln von Nitsch, aber auch nicht leicht."
Im steirischen herbst 2015 trug der Künstler dann in „heritage" die Kunst und seinen Künstlernamen zu Grabe - in einer Performance, die das Publikum miteinschloss, trennte er sich von Werkstücken, die Teilnehmenden schütteten Farbe auf den Sarg, „es wurde alles begraben und es folgte für mich ein Neuanfang - wie der Phönix aus der Asche -, und ich habe mit meinem eigenen Namen weitergemacht".
Der Aktionismus im Gesamtkunstwerk ist definitiv das Metier des Konzeptkünstlers Gilbert Kleissner. Mit allen Werkzeugen und Kunstmitteln kann er das ausdrücken, was ihm wichtig ist: menschliche Entwicklungsstufen, gesellschaftliche Vorgänge, das permanente Wachsen in und mit der Kunst. Installationen, Zeichnungen, Acrylmalerei, Aktionen (auch) rund um gesellschaftsrelevante Themen, wie den menschlichen Optimierungs- und Jugendwahn („Es ist nicht alles Gold, was glänzt") sowie Klimawandel („Hope") und mehr, führten ihn zum umfangreichen „Lebenszyklus". Nach der Performance folgt die Aufarbeitung in Dokumentationen: Kleissner erstellt ein Buch bei der Grazer Edition Keiper, die Videoaufzeichnungen werden zu einem Film geschnitten, die Werke seiner Livemalerei werden ausgestellt.
Diese vier Teile des „Lebenszyklus" zum Abschluss als Gesamtwerk aufzuführen, ist der Leuchtturm für den steirischen Künstler, bis dahin werden noch einige Jahre voll intensiver künstlerischer Arbeit vergehen. Unter dem Lebenscredo „Kunst-Genuss-Leben" sind es immer die großen Themen, die ihn antreiben, „und ich suche mir immer die Werkzeuge aus, mit denen ich mich am besten ausdrücken kann". Der Aktionismus ist definitiv seine Art, sich künstlerisch mitzuteilen: „Mir geht es dabei nicht um Blutschüttungen, das muss nicht sein. Ich erzähle meine eigene Geschichte".
Website: https://gilbertkleissner.at/
Claudia Taucher
April 2025