Kunst zwischen textilen Korallen und Revolte
In ihren Werken verarbeitet die Künstlerin Petra Maitz vor allem weiche, textile Materialien und entfaltet damit authentische, poetische und inspirierende Ausdruckswelten.
Schon als Kind ist Petra Maitz im Apfelbaum gesessen, irgendwo ganz oben, und hat sich gefragt: "Was machen die da unten? Eier suchen? Äpfel klauben?" Diesen beobachtenden Posten, fern jeglicher Kontrolle und abseits alltäglicher Verrichtungen hat sie sich in ihrem künstlerischen Schaffen zu eigen gemacht. "Mich hat interessiert, wie ich schöpferische Welten bauen kann, ohne dass mir einer sagt, wie ich das machen soll. Meine besten Arbeiten entstehen, wenn ich mich vom alltäglichen Geschehen abwende und in meiner eigenen Gegenwelt zur Schöpferin werde."
Geboren und aufgewachsen in einer Grazer Juristenfamilie, durchlief Petra Maitz (62) nach eigener Aussage bald eine "Bad-Girls-Karriere", die ihren Anfang bereits im Seebacher-Gymnasium nahm, wo sie einen Gegenpol zu den sogenannten Elite-Schülerinnen bildete. Ihr von der Liebe zu den Naturwissenschaften geprägter künstlerischer Weg führte sie nach der Matura über Wien, Florenz und Athen schließlich in den 1990er Jahren nach Hamburg, wo sie an der Hochschule für bildende Künste studierte - ein Ort, den sie als "Kaderschmiede" bezeichnet und der sie nachhaltig geprägt hat. Künstlerische Größen wie Marina Abramović und Jonathan Meese gehörten schon früh zu ihrem Umfeld.
Doch zunächst schlug sie einen anderen Weg ein: Sie begann in Wien ein Medizinstudium, nicht jedoch um Ärztin zu werden, sondern aus Faszination für naturwissenschaftliche Regelkreisläufe und Theorie. Schnell stellte sie fest, dass sie keine "helfende Rolle" übernehmen wollte. Stattdessen reizte sie die Freiheit der Kunst und des unabhängigen Denkens, geprägt durch ihre Erfahrungen in der Hamburger Hafenstraße, einem symbolträchtigen Ort des Widerstands und der Selbstbestimmung.
In ihrer Kunst verarbeitet Maitz vor allem weiche, textile Materialien. „Malerei war nie mein Medium", sagt sie. "Die Möglichkeit, mittels weicher Materialien viel zu sagen und dabei ziemlich indirekt zu bleiben und nicht vordergründig aggressiv zu sein, fand ich ganz toll." Ihre bekannteste Arbeit ist das "Lady Musgrave Reef", ein seit über 20 Jahren gewachsenes gehäkeltes Korallenriff. Dieses entstand aus ihrem persönlichen Interesse an der Verbindung von Naturwissenschaft, Kunst und Gesellschaft.
Ein zentrales Element in Petra Maitz' Arbeitspraxis ist das Spiel mit kollektivem Schaffen. Um ihr Korallenriff-Projekt zu verwirklichen, gründete sie in Wien eine Arbeitsgemeinschaft, die "AG Neulinggasse". In diesem Kollektiv beschäftigte sie Menschen, die gemeinsam gehäkelte Korallenobjekte anfertigten. Dabei verzichtete sie bewusst auf eine herkömmliche, bürokratische Struktur. Maitz sieht in dieser anarchisch angelegten Gemeinschaft vor allem einen kreativen Freiraum, in dem Kunst abseits traditioneller Hierarchien entstehen kann. Bezahlt werden ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Preisgeldern. Dies ermögliche ein gemeinschaftliches Kunstschaffen, das soziale Strukturen und künstlerische Freiheit miteinander verbindet. Doch "Lady Musgrave Reef" brachte ihr auch große Enttäuschung ein, als amerikanische Journalistinnen ihre Idee kopierten und in weiterer Folge internationale Aufmerksamkeit erhielten. Besonders enttäuschend empfand die Künstlerin die mangelnde Unterstützung durch österreichische Institutionen und die Schwierigkeiten, sich juristisch zur Wehr zu setzen. Trotz intensiver Bemühungen und der Unterstützung von Urheberrechtsanwälten blieb ihr letztlich die Anerkennung ihrer Pionierarbeit verwehrt.
Kritisch sieht sie mitunter auch aktuelle Strömungen in der Kunstwelt, insbesondere irritiert sie die zunehmende Theorielastigkeit und das Fehlen einer authentischen, poetischen und inspirierenden Ausdruckskraft bei jungen Künstlerinnen und Künstlern: "Das Problem ist, wenn ich die Arbeit sehe und merke, sie führt mich nicht in eine poetisch-rituelle Weltschöpfungsmaschine und sie inspiriert mich nicht, sondern es ist eine strenge Exekution einer aufgedrückten Theorie, zipft mich das an. Weil das ist auch nicht Kontextkunst."
Internationale Reisen und Projekte spielen eine zentrale Rolle in Maitz' Werk. Von Syrien, wo sie von orientalischer Textilkunst inspiriert wurde, bis hin zu einem 2026 geplanten Großprojekt in Kuba, wo sie mit finanzieller Unterstützung des Landes Steiermark eine Ausstellung rund um das Korallenriff, kubanische Zuckerrohrplantagen und Umweltthemen vorbereitet - immer wieder verbindet Maitz soziale und ökologische Aspekte mit künstlerischen Ausdrucksformen.
Ihre Arbeiten bewegen sich zwischen strenger Wissenschaftlichkeit und spielerischer Kreativität, zwischen individueller Revolte und kollektivem Schaffen. Aktuell arbeitet Maitz auch an einer umfangreichen Serie naturhistorischer Aquarelle, die 2027 im Naturhistorischen Museum Wien präsentiert werden sollen.
Petra Maitz bleibt eine Künstlerin, die Grenzen überschreitet - sowohl geografisch als auch konzeptuell. Ihre Kunst lebt von der intensiven Auseinandersetzung mit ihrer Umwelt, ihren Erfahrungen und ihrem Drang, Neues zu schaffen und sich dabei nicht verbiegen zu lassen. Gewissermaßen hat sie hoch oben im Apfelbaum ihre Heimat gefunden.
Sonja Harter
März 2025