This Kind of Feeling
Der Künstler Florian Sorgo beschäftigt sich in seinen jüngsten Arbeiten mit dem Thema Zweifel.
In Wittgensteins „Tractatus logico-philosophicus" steht inmitten der nüchternen Abhandlung über die sinnhafte Art, die Welt nach den Regeln der Logik zu betrachten und beschreiben, ein Satz von überraschender psychologischer Einsicht: „Die Welt des Glücklichen ist eine andere als die des Unglücklichen." Dieser Satz kann einem in den Sinn kommen, wenn man die zwei jüngsten Arbeiten des Künstlers und studierten Philosophen Florian Sorgo nebeneinanderstellt - im Konkreten die „Found Compositions", die Sorgo 2022 im Grazer Forum Stadtpark präsentierte, und die Text-Bild-Installation „This Kind of Feeling", die er im Herbst 2023 während seines vom Land Steiermark geförderten Atelier-Auslandsaufenthaltes in der albanischen Hauptstadt Tirana vorstellte.
Beide Arbeiten kombinieren Bilder von im öffentlichen Raum vorgefundenen Objekten bzw. Situationen mit Text. Die „Found Compositions" drücken dabei eine verspielte, pointierte Offenheit aus, die für Sorgos bisheriges Oeuvre typisch ist, etwa für seine modularen Plastiken aus Euronormbehältern („Beast of Burden", 2017) oder seine installative Performance „Sleep is ... characterized by ... surroundings" (2018), die er während des ersten Lockdowns 2020 auch in einer Online-Version ausführte. Dagegen kommen in den abstrakteren, oft in der Nacht aufgenommenen Aufnahmen der jüngsten „Sketches of Doubt" (so der Untertitel der Tirana-Arbeit) dunklere Stimmungen zum Ausdruck.
Frage, was Kunst überhaupt vermag
„Der Zweifel ist ein Bruch mit einem Zustand", erklärt Sorgo. „Der Zweifel ist so etwas wie eine Krise. Bei mir ist er auch verbunden mit der Frage, was Kunst überhaupt vermag." Beeinflusst wurden die Bilder, die er in Tirana aufgenommen hat, unter anderem vom frühen Tod des Künstlerkollegen und Freundes Leo Kreisel-Strausz, dem Mitbegründer und langjährigen Leiter des Grazer Kunstvereins rhizom. „Der Tod von Leo im Oktober hat sicher mit reingespielt in diese Arbeit", sagt Sorgo. Im Text, den er den rund 50 Bildern beigestellt hat, heißt es am Ende: „Du erkennst die Stadt nicht mehr / Sie fühlt sich kahl an, obwohl alles voll ist / alles zugestellt, aber ohne Verheißung."
Ursprünglich wollte sich der Künstler in Albanien angesichts der Tausenden Bunker, mit denen das Land während der kommunistischen Diktatur unter Enver Hoxha überzogen wurde, mit dem Thema Paranoia der Herrschenden befassen. Aber bald wurde Sorgo klar, dass dazu ein zweimonatiger Aufenthalt nicht ausreichen würde, und der Zweifel rückte ins Zentrum seiner Betrachtungen.
Zweifel und Umbruch
Die Foto-Text-Installation „This Kind of Feeling" hat Sorgo Ende Oktober 2023 - am Ende seiner Residency - in der Zeta Gallery in Tirana gezeigt. Sie ist die albanische Partnerinstitution des Landes Steiermark für das Atelier-Auslandsstipendium. „Die Zeta Gallery leistet großartige Arbeit, indem sie viele interessante Positionen präsentiert", sagt der Künstler. „Sie ist eine der wenigen kleinen Institutionen, die autonom geblieben sind. Für die albanische Kunstszene ist die Situation insgesamt schwierig, weil der Braindrain enorm ist: Viele Leute gehen zum Studieren weg - nach Italien und Deutschland - und bleiben dann dort."
Albanien hat Sorgo als Land im Umbruch erlebt. Das hat es mit dem Zweifel gemeinsam: Auch dieser bewirkt immer wieder, dass man aus bestehenden Situationen aus- und zu neuen Ufern aufbricht.
Florian Sorgo, 1982 in Leoben geboren, aufgewachsen in Graz, studierte Philosophie an der Universität Wien und Transmediale Kunst an der Universität für Angewandte Kunst in Wien. Sein Ausstellungsverzeichnis reicht zurück bis ins Jahr 2008. Sorgo ist künstlerischer Assistent von Rainer Prohaska und fungiert als Schiffführer des Artist-in-Residence-Donauschiffes „MS Fusion". Sorgo lebt und arbeitet in Wien.
Website: www.iamnotsorry.net
Werner Schandor
November 2023