„Mehr so wie ein Suchbild“
Die bildende Künstlerin Marlene Voves tobt sich zumeist in 2D aus und schätzt doch die Vieldimensionalität. Ihre Grafiken leben von Kontrasten und bestechen mit einer Fülle an Augenfutter, das bedächtig genossen werden will.
Ein Faktum, das nicht missverstanden werden soll: Augenfutter, das ist in diesem Fall eine Dichte an Formen-, Muster- und Farbangeboten, die der Pop-Art entspringen, aber inhaltlich über den bloßen Alltag hinausgehen. Ausgangspunkt für ein Werk, erklärt die gebürtige Grazerin, ist oft ein Thema oder auch eine literarische Schrift, auf die sie Bezug nimmt. Zum Beispiel von Oswald Wiener, Mitglied der Wiener Gruppe und Aktionskünstler der ersten Stunde in Österreich. Oder von Bruder Sebastian Voves, aka Slam-Poet „Da Wastl", mit dem Marlene Voves im Frühjahr 2022 eine Pop-up-Ausstellung und Kunstaktion plant. Auch in ihrer neu bezogenen Wohnung in Fürstenfeld, die als Atelier dient, ist momentan vieles in Bewegung. Ihre Bilder hängen ganz frisch an der Wand, damit die Journalistin nicht in Mappen blättern muss. Davor war Voves nahe dem pittoresken Künstlerdorf Neumarkt an der Raab wohnhaft, in dessen Verein sie nach wie vor als stellvertretende Obfrau tätig ist.
Master of Fine Arts in Michigan
Ihren Zugang zur Kunst nennt Marlene Voves „emotional" und doch handelt es sich definitiv nicht um das Aufarbeiten von Emotionen, schon gar nicht um therapeutische Kunst. Forschung und Naturwissenschaft faszinieren die Grafikerin, die ihre Ausbildung zum Master of Fine Arts (MFA) an der Cranbrook Academy of Art in Michigan, USA, absolvierte. Der europäische Stil der Kunstschule und die Tatsache, dass sie zu den zehn bestgereihten „Academys of Arts" in den USA gehört, waren ausschlaggebend für Marlene Voves‘ Wahl. Der Bachelor an der Berliner Technischen Kunsthochschule (Visual- & Motiondesign) war dem Studium in den USA vorangegangen. Durch diese Studien entdeckte die Künstlerin, wie sie selbst erzählt, erst ihr eigenes künstlerisches Talent.
Voves: „In meinen Bildern kommen oft verschiedene technische Dinge vor, weil ich sie nicht verstehe - also versuche ich, sie zueinander zu bringen. Dann ergibt sich ein Sinn oder auch nicht." Es sei für sie nicht immer wichtig, „dass Leute verstehen, was ich sagen will", betont sie. Ihr ist klar, dass sich alle etwas anderes denken, wenn sie ihre Werke sehen. Die Künstlerin schätzt Menschen, die ihre Bilder zufällig entdecken, und will Emotionen in ihnen wecken. Verstehen müsse man nicht alles, aber „Dinge gut und richtig hinterfragen, ist wichtig", betont Marlene Voves.
Fan von Wimmelbildern
Als Fan von Wimmelbildern schätzt sie es auch besonders, wenn man sich in ein Bild erst einmal "hineinzoomen" muss - „wenn es mehr so wie ein Suchbild ist". Der Optimalfall sei ein Werk, in dem man immer wieder Neues finden könne. Kein Wunder also, wenn man auch viele ihrer Werke lieber mit Muße „aufblättert" und tatsächlich immer wieder neue Details entdecken kann. Fast akribisch sind viele Muster gestaltet, Details „versteckt" - ein Voves-Werk ist oft eine Entdeckungsreise. Für sie selbst seien Kontraste enorm wichtig und: wie man Dinge spannend macht. Sachen verschmelzen, die nicht zusammengehören. „Knusprig und weich macht alles spannender - oder gerade und total verwackelt."
Verwirrspiel und Abenteuer gleichermaßen
Holz schätzt sie als festen Untergrund für ihre Kunst - „weniger Textur, gerade Linien sind möglich", diese glatte Oberfläche bevorzugt sie wegen der praktischen Handhabung. Dazu Acrylstifte, wie sie in der Graffitikunst verwendet werden. Mit diesen gestaltet die Künstlerin Organisch-Lebhaftes, Rundes, Quirliges genauso wie Linealgerades, Technisch-Präzises, Geometrisches - oft in einem Bild. Ein Verwirrspiel und Abenteuer gleichermaßen tut sich jenen auf, die sich in den Sog dieser manchmal malerischen Grafiken begeben. Kabel, Knoten, Hirne, Computermäuse, Knochen, QR-Codes ... Der Mensch an sich ist nur fragmentarisch abgebildet und doch zentral in Voves‘ Kunst:
Wie verhält sich der Mensch in der Gegenwart? Geschehnisse, die in der Natur des Menschen liegen, beschäftigen die Künstlerin. Die Versatzstücke aus der technischen Welt weisen auch darauf hin, „wie der Mensch übergeht in das künstliche Dasein".
Künstliche Intelligenz und virtuelle Realität bewegen Marlene Voves, die aber nicht als Computer-Nerd verstanden werden will. Unter ihre Überlegungen summiert sie die provokante Frage: „Warum sollte man nicht in eine Welt übergehen, wo alles besser und schöner ist?"
https://marlenevoves.myportfolio.com
Claudia Taucher
Stand: April2022