Von der Kunst, neugierig zu bleiben
„Das ist ein Bedürfnis. Das ist meine Arbeit. Das ist mein Leben, mein Hobby. – Das bin ich.“ Evamaria Schaller sprüht vor Energie, als sie das sagt, und meint damit ihre Foto-, Video- und Performancekunst. Und gleichzeitig auch ihre Art, die Welt zu sehen.
Die Grazerin ist davon überzeugt, dass stetige Neugierde und Offenheit die größte Inspiration für Künstlerinnen und Künstler sein sollten. Und auch davon, dass wenn man in der Kunst jemals das Gefühlt hat angekommen zu sein, man am besten schnell aufhören sollte.
Der Weg zu Performances
Schaller malt bereits in jungen Jahren, erlernt das Handwerk der Fotografie noch in Graz und studiert später in Salzburg, Prag und Köln. Sie übt sich im Filmen, verbringt Zeit vor und hinter der Kamera und entdeckt vor gut zehn Jahren ihre Leidenschaft für die Performancekunst. Dabei hatte sie eigentlich schon immer performt, nur eben noch nicht so richtig einen Namen dafür gehabt, sagt sie selbst. Das ändert sich schnell: 2011 erhält sie das Chargesheimer-Stipendium für Medienkunst der Stadt Köln, 2012 erhält sie das START-Stipendium des österreichischen Bundeskanzleramtes und darauffolgend weitere Stipendien in Bonn, Istanbul und Köln.
Raum für Interpretation
Ihre Werke spielen mit der Verbindung der Fotografie, Video- und Performancekunst. Diese können sich ergänzen, einrahmen, kontrastieren oder eine Synergie bilden. Denn „jede Thematik braucht eine andere, ganz eigene Ausdrucksform". Es geht um Identität, Grenzauslotung, den weiblichen Körper und die Fragen „Wer sind wir?" und „Wohin gehen wir?" Schallers Werke reflektieren gesellschaftliche Situationen. Ihre Ideen zieht sie aus dem alltäglichen Leben, aktuellen Ereignissen und Begegnungen mit anderen Menschen.
„Was würde ein Kind mit einem Objekt oder einem Raum machen, das oder den es zum ersten Mal sieht?", ist zumeist der Einstieg in eine Performance. Und währenddessen entsteht ein Öffnungsraum für die Interpretation der Zuschauer, die ihre eigenen Erfahrungen mit dem Gesehenen verbinden. Natürlich hat Evamaria Schaller auch immer ihre eigene Message (und Erfahrungen) dabei. Aber darauf, ihre Werke eindeutig zu labeln, möchte sie bewusst verzichten. Es geht ihr viel mehr darum, dass die Menschen mit ihren Handlungen während der Performance, bei der sie auf die verbale Sprache verzichtet, in Beziehung treten können - in welcher Form auch immer.
Neue Zeiten
Mittlerweile lebt die 40-Jährige seit Jahren in Köln, ihre Performances haben sie jedoch schon rund um den Globus geführt. Eine ihrer Beeindrucktesten zeigte sie im März 2020 im „Austrian Cultural Forum" in New York. Und damit auch die Letzte vor der Covid-19-Pandemie, die natürlich auch die Umsetzung der Performancekunst veränderte. Vieles Künstlerische passiert nun online. Schaller vermisst zwar das Reisen und die Fremde, arbeitet aber auch weiterhin zuhause an neuen Werken. Sie ist Mitglied in den Kollektiven „PAErsche", JELLYSPOR (mit ihrem Ehemann Andreas Gehlen) und „Raumfaltung", unterstützt das Performance-Archiv „Die Schwarze Lade" in Köln, gibt Online-Workshops und entwickelt neue Performances.
Die Herbergerin
Und in diesem Jahr, 2021, soll noch ein großes Projekt vorgestellt werden: „Die Herbergerin" startete 2018 mit der Idee, mit Menschen in St. Stefan ob Stainz für einen Tag die Rollen zu tauschen. In Kooperation mit dem Kunst- und Kulturzentrum Stieglerhaus klopfte Evamaria Schaller an Türen und wurde für jeweils einen Tag u. a. Gemeindemitarbeiterin, Tänzerin und Eisverkäuferin. Die St. Stefaner, die gerade ihre Aufgaben abgegeben hatten, filmten sie dabei. Schaller erzählt von diesem filmischen Wanderprotokoll mit großer Freude und betont gleichzeitig, dass sie mehrere Anläufe brauchte, bis sie den richtigen Ansatz für die Umsetzung gefunden hatte. Und dass das vollkommen in Ordnung sei und das Endergebnis mit hoher Wahrscheinlichkeit sogar noch authentischer und eingängiger gemacht habe. Weil auch das Scheitern zu jedem Werk dazugehöre und es sogar wichtig sei, auch mal zu scheitern. Sonst fehle eine Reflektionsebene, die jede Künstlerin brauche. Denn wie schon gesagt, „wenn man das Gefühl hat angekommen zu sein, sollte man am besten schnell aufhören."
Website von Evamaria Schaller >>
Meike Simons
Stand: Mai 2021