Accordéon, mon amour!
Der Wahlgrazer Manu Mazé hat die Klänge der Welt in seinem Akkordeon. Kein Wunder, er ist auch schon viel herumgekommen.
Emmanuel Mazé, genannt Manu, 1966 in einem Vorort von Paris geboren, ist mit fünf Geschwistern in einer Familie aufgewachsen, die Musik liebte. Als er fünf Jahre alt war, lag ein kleines Akkordeon mit Tasten unter dem Christbaum, mit zwölf Jahren bekam er ein richtiges Akkordeon. „Es war rot und ganz neu. Ich habe noch immer den Geruch in der Nase", sagt Manu. Ein Bekannter seines Vaters unterrichtete ihn, aber nicht lange: Der Bub wuchs damals ebenso schnell, wie er lernte. Schon ein Jahr später brauchte er ein größeres Instrument und wechselte auf ein angesehenes Pariser Konservatorium. Daran denkt Manu gern zurück: „Mein Lehrer war Joe Rossi, der Akkordeonist von Georges Moustaki. Ihm fehlte wie Django Reinhardt ein Finger an der rechten Hand, deshalb perfektionierte er eine spezielle Spieltechnik - er war ein unglaublicher Musiker". Schon mit 14 spielte Manu in einer Band, mit 15 begann er zu komponieren und zu arrangieren - bis heute eine seiner Leidenschaften.
Wanderjahre zwischen Korsika, den Alpen und Afrika
Nach der Matura ging Manu nach Korsika, spielte in einer Band Unterhaltungsmusik und unterrichtete auch ein wenig. Das Leben auf der Insel gefiel ihm, und so wurden aus dem einen Sommer zehn Jahre. In den Sommermonaten, wenn Touristen die Hotels füllten, arbeitete die Band auf Korsika, in der kalten Jahreszeit in französischen Wintersportorten. Dort lernten Manu und der Gitarrist Georges Sanchez einen Hoteldirektor aus Afrika kennen, der sie vom Fleck weg engagierte. Wenig später saßen die Musiker im Flugzeug nach Abidjan, Millionenstadt an der Elfenbeinküste. Damals arbeiteten viele Franzosen in Abidjan; Manu und Georges unterhielten die Gäste der noblen Hotelbar mit Jazz und französischer Musik. Auch diese Art des Lebens gefiel Manu: „Von November bis April, Mai ist dort Sommer. Statt mit Weihnachtsmann, Schnee und Frost habe ich Weihnachten mit 30 Grad und Badehose erlebt." Vier Mal verbrachten er und Georges jeweils ein halbes Jahr in Abidjan, ein halbes Jahr auf Korsika.
Aus Liebe sesshaft geworden
Inzwischen war Manu 31 Jahre alt geworden und hatte die Österreicherin Helga kennengelernt, die ebenfalls auf Korsika arbeitete. Sein Nomadenleben neigte sich dem Ende zu, er folgte Helga 1997 nach Graz, heiratete und lebt seither hier. Da seine musikalische Bandbreite von Klassik über Jazz bis zu traditioneller französischer und italienischer Musik reicht, dauerte es nicht lange, und Manu war Mitglied mehrerer, ganz unterschiedlicher Grazer Formationen. Auch als Sideman bei Studioaufnahmen ist er begehrt. „Ich bin ein neugieriger Mensch, liebe Partituren und Noten und spiele in zehn oder zwölf Projekten: Pop, irische Musik, sizilianische Musik, Musik von Aznavour und von Leonard Cohen. Ich habe Gipsy Jazz mit Gitan Esprit gespielt (Anm.: die Band des bekannten Gitarristen Diknu Schneeberger) und in Markus Schirmers Ensemble Scurdia", zählt der Musiker in einer sympathischen Mischung aus Bescheidenheit und Stolz auf.
Traditionelle Lieder aus Sizilien, ...
Durch gemeinsame Freunde lernte Manu Mazé 2006 den aus Sizilien stammenden Schlagzeuger Toti Denaro kennen. Dieser holte ihn in seine gerade gegründete Band Vucciria, die nach einem Markt in der Altstadt von Palermo benannt ist. „Die Musik von Vucciria war mir durch die Jahre auf Korsika nicht fremd - das Flair, das Temperament, die Harmonien. Und jetzt bin ich schon seit 14 Jahren in der Band." Für Vucciria hat Manu auch das eine oder andere Stück komponiert; vier CDs dokumentieren das musikalische Werk, die jüngste mit dem Titel „Tirabusciò" ist 2018 erschienen. Auch an Toti Denaros im selben Jahr veröffentlichten Solo-Album „Insula" hat Manu mitgewirkt. Dass darauf ein sehr schwieriges Instrumentalstück ist, das Toti für ihn komponiert hat, freut Manu. Der Titel „Manu m'a dit" bedeutet: „Manu hat mir gesagt".
... irische Balladen ...
Den irischen Sänger Eamonn Donelly und den Multi-Instrumentalisten Sepp Tieber, Gründer der Band Boxty, kennt Manu ebenfalls schon sehr lang. Dass er sie auf dem Kreuzfahrtschiff Aida kennengelernt hat, erwähnt er so nebenbei: „Sechs Mal haben wir auf diesem Schiff gearbeitet." Irgendwann fragten sie ihn, ob er mit ihnen spielen wollte, und Manu sagte - natürlich - zu. „Das ist eine ganz andere Art zu spielen, diese Musik hat einen anderen Spirit, eine andere Seele. Jede Musik hat ihr eigenes Flair, das du respektieren musst. Das ist Irish Music, die hat einen besonderen Sound, du musst denken wie Boxty und respektieren, was die Musik verlangt." Um die diffizile Sache konkreter zu erklären, dazu fehlen dem französischen Grazer die Worte, aber er muss den Spirit der irischen Balladen erkannt haben, sonst wäre er nicht schon so lange in der Band. Das dritte Album von Boxty sollte im März erscheinen, die Corona-Pandemie hat der Band aber einen Strich durch die Rechnung gemacht.
... und Chansons von Charles Aznavour
In der Zusammenarbeit mit Rebecca Anouche kehrte Manu Mazé quasi zu seinen Anfängen zurück. Er schlug der Sängerin mit französisch-armenischen Wurzeln ein abendfüllendes Programm mit Chansons von Charles Aznavour vor; sie war anfangs skeptisch. „Einzelne Chansons von Aznavour haben viele Sängerinnen im Programm, aber ein ganzes Repertoire - das macht niemand, auch in Frankreich nicht", sagt Manu. Aznavour ist meist mit großen Bands aufgetreten, also hat Manu sämtliche Stücke neu arrangiert, für sein Akkordeon und das Cello von Ivanila Lultcheva, die als Dritte im Bunde mitwirkt. Viele Auftritte folgten. Auf Youtube sind Videos zu sehen und einige Lieder auf der Website von Rebecca Anouche zu hören; Tonträger gibt es noch keinen.
Nostalgie
Wenn er von seiner Liebe zu Noten erzählt, wird Manu Mazés Stimme ganz weich: „Ich schreibe gerne Musik, noch immer. Ich lerne jeden Tag, bin immer auf der Suche nach Noten, nach Partituren, nach Arrangements. Leider gibt es hier und in Frankreich immer weniger Geschäfte, in denen man so etwas kaufen kann. Als ich in Paris Akkordeon gelernt habe, gab es im 10. Bezirk eine Musikalienhandlung, die gehörte einer alten Dame. Dort lag sehr viel Staub, viele Partituren waren vergilbt, aber es war wie ein Paradies. Du suchst irgendwas und findest etwas anderes, freust dich, denkst, ah, das ist gut. Heute gehst du in ein Geschäft, da wirst du gefragt, was du brauchst, und wenn du sagst, du möchtest ein bisschen in einer Partitur lesen, halten sie dich für einen komischen Typen. Das ist nicht mehr so wie früher", bedauert Manu. Er schreibt seine Arrangements auch nicht mit einem der gängigen Computerprogramme, sondern mit der Hand: „Weißt du, das ist wie früher."
Diskographie (Auswahl)
Vucciria: Cuè? (2008), Po‘tu cuntu (2013), Tirabuscio (2018)
Toti Denaro: Insula (Tonladen 2018)
Styrian Songbook: Styrian Songbook (2015)
Gitan Esprit live at Schloss Dornhofen, feat. Diknu Schneeberger & Manu Mazé (Hizz Records 2015)
Boxty: The Millrace (2010)
Barbara Belic
Stand: Juni 2020