Graz – Berlin und retour
Lukas Walcher ist Ensemblemitglied im Schauspielhaus Graz. Der gebürtige Ennstaler stand aber auch schon für Oscar-Preisträger Stefan Ruzowitzky und einen „Tatort“ vor der Kamera.
Das Public Viewing der „Tatort"-Folge „Das perfekte Verbrechen", das der Theaterverein Moosheim Mitte März 2020 im Kino Gröbming angesetzt hatte, fiel der Coronokrise zum Opfer. Viele werden das Fernseh- und Tatort-Debüt ihres Kollegen Lukas Walcher aber daheim an den TV-Geräten verfolgt haben. Der Schauspieler, Jahrgang 1990, hat schon früh mit seinem Talent beeindruckt. Zumindest lässt sich das aus dem Statement des Spielleiters Walter Thorwartl ableiten, das er der „Kleinen Zeitung" zu Protokoll gab: „Lukas spielte 2006 den beeinträchtigten Buben in Felix Mitterers ‚Kein Platz für Idioten‘. Das hat er so großartig gemacht, dass man uns im Nachhinein vorgeworfen hat, wir hätten einen Menschen mit besonderen Bedürfnissen auf die Bühne gestellt und für unser Stück ausgenutzt."
Start in der freien Szene
Dass auch die deutschsprachigen Schauspielschulen dieses Talent erkannten, dafür brauchte es zwei Anläufe und den Umweg über die Uni Graz, wo Walcher Geschichte und Germanistik inskribiert hatte. Stärker als im Studium engagierte er sich in der freien Theaterszene der Landeshauptstadt. Hier wirkte er beim „Theater Quadrat" und ab 2015 bei Ernst Binders „dramagraz" mit, unter anderem im letzten vom Regisseur selbst geschriebenen Theatertext, dem „Flüchtlingsmärchen" namens "Jarmuk" - einem Zwei-Personen-Stück, das 2016 uraufgeführt wurde. „Was ich sehr geschätzt habe, war Ernst Binders Arbeit an der Sprache", erinnert sich Walcher: „Seine Rhythmusgenauigkeit, sein Gespür, was in Worten steckt, welche Ebenen Sprache haben kann, die Deutung hinter der Sprachkunst und die damit einhergehende Kraft, die seine Inszenierungen hatten."
2017 starb Ernst Binder. Lukas Walcher studierte da bereits in Berlin an der staatlichen Hochschule für Schauspielkunst (HfS) Ernst Busch. Er hatte den Rat von Freunden beherzigt, doch noch einmal an Theaterschulen vorzusprechen, nachdem ein erster Anlauf nach seinem Mitwirken bei Büchners „Lenz" im Theater Quadrat anno 2013 erfolglos geblieben war. Dann, als 25-Jähriger, konnte sich Walcher plötzlich aussuchen, wo er studieren wollte, denn alle Institute, bei denen er vorgesprochen hatte, wollten ihn aufnehmen.
Fünf Jahre in Berlin
An der Hochschule für Schauspielkunst habe er vor allem gelernt, „immer wieder etwas Neues zu machen und zu spielen, um Routine auf der Bühne zu bekommen", resümiert Walcher. „Die Schule hat mich auch gelehrt, immer wieder neue Ziele zu verfolgen."
In Berlin knüpfte der Schauspieler außerdem Kontakte in die Filmszene, woraus sich unter anderem ergab, dass er in der „Tatort"-Folge „Das perfekte Verbrechen" des ARD einen elitären Berliner Jusstudenten aus dem Kreis der Verdächtigen verkörpern konnte. „Ich hatte lange nicht realisiert, dass mir die Arbeit vor der Kamera liegt," erzählt Walcher. „Es hatte für mich immer nur das Theater gegeben. Aber ich habe gemerkt, dass mir Film irrsinnig Spaß macht." - Mittlerweile genieße er das reduzierte Spiel vor der Kamera ebenso wie das prononcierte auf der Bühne. 2019 stand Walcher unter anderem in „Hinterland" vor der Kamera, dem neuesten Film von Oscar-Regisseur Stefan Ruzowitzky, der im Herbst 2020 in die Kinos kommen soll.
Ensemblemitglied am Schauspielhaus Graz
Ebenfalls seit 2019 ist Walcher Ensemblemitglied im Schauspielhaus Graz, wo er unter anderem in „jedermann (stirbt)" von Ferdinand Schmatz zu sehen war, und zwar in der Doppelrolle als Buhlschaft und Tod. Prinzipiell mag der Schauspieler ambivalente Figuren. „Dabei interessiert mich, wie man Zerrissenheit darstellen kann, dass es auch beim Zuschauer ankommt und sich die Stimmung überträgt. Und wie man selbst damit umgehen muss, dass es einen nicht spaltet, sondern dass man die Energie noch bündeln kann."
Auf die Frage, ob es eine Rolle gibt, die er unbedingt einmal spielen möchte, weicht Walcher aus: „Es gibt eine, aber die möchte ich nicht verraten, denn ich habe da so einen kleinen Aberglauben, dass es dann nicht in Erfüllung geht."
Leichter ist ihm zu entlocken, mit welchen Regisseuren er gerne arbeiten würde. Da fällt in Sachen Film der Name Catalina Molina. Die Regisseurin ist gleich wie er in Gröbming aufgewachsen. Und am Theatersektor sind es die Kolleginnen und Kollegen, die Walcher auf der Schauspielschule kennengelernt hat. Aber nicht nur: „Simon McBurneys Inszenierung von ‚Ungeduld des Herzens‘ auf der Schaubühne Berlin war mit Abstand der beste Abend, den ich in den fünf Jahren in Berlin erlebt habe", meint Walcher. „Mit McBurney würde ich richtig gerne arbeiten! Aber abgesehen davon finde ich es immer spannend, einfach zu schauen, was auf mich zukommt."
Werner Schandor
Stand: März 2020