Mit großer Lust in die Literatur

Mit 26 Jahren veröffentlichte die Autorin ihren ersten Roman „Alles was glänzt“. In Lemberg arbeitete sie erstmal an kürzeren Texten.

Marie Gamillscheg
Marie Gamillscheg© Leonie Hugendubel

„„Das trifft uns alle ins Herz", sagt der Bürgermeister. Martins Tod zeigt den Ortsbewohnern, was sie schon lange Zeit verdrängen: Die Heimat, die man noch immer behauptet, existiert schon lange nicht mehr in dieser Form. Der drohende Einbruch des Berges lässt sich nicht einfach so wegschweigen."

Das ist ein Auszug aus dem Exposé des im Frühjahr 2018 erschienenen Debütroman „Alles, was glänzt" der steirischen Autorin Marie Gamillscheg. In den österreichischen Rezensionen zum Buch wurden vielerorts Parallelen zu Eisenerz und dem Erzberg und auch zu Lassing wo ein tragisches Grubenunglück 1998 mit weitreichenden Folgen das Ende des Bergbaus in diesem Teil des Paltental bedeutete, hergestellt. In „Alles, was glänzt" wird die Geschichte von vier Personen, die den Ort nicht verlassen, erzählt. „Da ist Teresa, die versucht ihre Schwester Esther, Martins Freundin, wieder aufzumuntern, aber an der Aufgabe verzweifelt. Esther zieht in die Stadt und Teresa fühlt sich allein zurückgelassen, als hätte man ihr nicht die Schwester, sondern auch ihre ganze Zukunft genommen. Da ist Wenisch, der immer noch daran glaubt, dass seine Tochter eines Tages zurück in den Ort kommt, und alles für ihre Ankunft vorbereitet. Da ist Susa, die Wirtin im Ort, die ihre Bar weiterführt, als wäre nichts passiert, aber sich am Ende doch aus der Ruhe bringen lässt. Da ist Merih, der als Regionalmanager in den Ort kommt, um die Wohnverhältnisse zu verbessern."

Gamillscheg begann 2014 mit ihrem Roman, zeitgleich als sie in Berlin ihr Masterstudium für Osteuropastudien an der Freien Universität Berlin aufnahm. Es war ihr wichtig, einen Perspektivenwechsel in ihrem Leben zu vollziehen, daher traf sie die Entscheidung nach Berlin zu gehen und nach dem Bachelor-Studium „Transkulturelle Kommunikation" (Französisch und Russisch)", „Osteuropastudien" zu studieren.

Zu schreiben begonnen hat die 26-Jährige mit zehn Jahren, ab diesem Zeitpunkt lotete und hinterfragte sie ihre schreiberische Kreativität in der Jugendliteraturwerkstatt in Graz, wo sie ihr Talent ausbaute. Ein Rahmen der ihr einerseits das Gefühl gab „da sind auch andere, die gerne schreiben", und andererseits die Möglichkeit für konstruktive Kritik und „Texte dürfen sich verändern". Die ersten selbstgeschriebenen Texte hatten blumige Titel wie „Jim, das sprechende Bett" oder „John, der sprechende Computer". Im Alter zwischen siebzehn und zwanzig Jahren schrieb sie ganz wenig, begleitet von dem Gefühl keine eigene Sprache zu haben, dazu kam, dass sie damals Vieles anderes zu tun hatte. „Ich dachte, ich entwickle mich sprachlich weiter, das ist aber an dem Punkt nicht passiert,", erinnert sich Gamillscheg. Daher begann sie als freie Journalistin tätig zu sein. Sie machte Praktika bei der „Die Presse", in der „Moskauer Deutsche Zeitung", im „Süddeutsche Zeitung Magazin", „Die Welt" und arbeitete als freie Journalistin „ZEIT Campus" und in der „ZEIT".

Und nebenbei schrieb sie Erzählungen und Kurzgeschichten. Ihre erste Erzählung, eine „Großelterngeschichte" wurde 2014 in den LICHTUNGEN veröffentlicht. Sie bewarb sich an zwei renommierten Literaturwettbewerben: Beim Literaturpreis „Floriana" in Oberösterreich als auch am „open mike" in Berlin. In beiden Fällen kam sie unter die eingeladenen FinalistInnen und war somit unter den besten Zehn. Und somit fand sie einen Weg zu den kleinen Lesebühnen in Berlin.

Ihr Debütroman entstand aus einer Kurzgeschichte und entwickelte sich aus einer Textfläche, auf der sie sich mit dem Verhältnis Natur Mensch oder den Folgen der frühen Industrialisierung aus verschiedenen Perspektiven auseinandersetzte. Sie bezeichnet sich selbst als impulsive Schreiberin: ihr erstes Interesse gilt der Sprache, dem Rhythmus und der Form und danach der inhaltlichen Ebene. „Du probierst Sprache und Form aus und im Idealfall entwickelt sich der Inhalt aus der Sprache und in weiterer Folge auch umgekehrt", erläutert Gamillscheg ihren literarischen Zugang. Sie schreibt mit viel Lust am Ausprobieren, variiert, ändert und wirft auch wieder viel weg. In der Erzählung kam sie aus einem „wir", wechselte später in Einzelperspektiven. Als sie 2016 über eine Literatur-Agentur erfolgreich an einen Verlag vermittelt wurde, stand Gamillscheg nun ein Lektor zur Seite, der sie in eineinhalb Jahren intensiver Textarbeit noch einmal durch den Text begleitete, vor allem Fragen stellte, um so gemeinsam den Kern herauszuarbeiten. Es war wieder Gamillschegs „große Lust" am Text zu arbeiten. Schlussendlich stand der Veröffentlichungstermin fest, auf den galt es, hinzuarbeiten. Gamillscheg begleiteten natürlich Ängste und Sorgen vor dem Erscheinen ihres Romans, zudem arbeitete sie weiterhin nebenbei als Journalistin und schrieb gleichzeitig ihre Masterarbeit in den Oststudien, aber die Parameter Qualität und Glück waren eindeutig größer und schupften ihren ersten Roman in Richtung großen Erfolg. „Ich wollte das immer, und das ist jetzt eine schöne Bestätigung", freut sie sich.

Die Literatin freute sich aus mehrerlei Hinsicht über das Auslands-Atelierstipendium in Lemberg. Wegen der russischen Sprache, die Gamillscheg nun wieder aktiv anwenden kann und vor allem wegen der Zeit und dem Raum, die sie nun zur Verfügung hat, sich ohne Druck an einem neuen Ort ihrem bereits im Anfangsstadium befindlichen nächsten größeren Projekt widmen zu können. „Ich habe Lust auf die Ukraine und auf die Erfahrungen, die kommen werden", sagt sie im Vorfeld. Geplant sei auf alle Fälle ein Text für eine nächste manuskripte-Ausgabe. Im Rahmen des Stipendiums hofft sie auch, eine Struktur aufbauen zu können, einen Alltag, den sie genießen kann, weil im Moment befindet sie sich mit den Lesungen, Buchvorstellungen und dem damit verbundenen Herumreisen in einer Phase des „unstrukturierten Schreibens".

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Petra Sieder-Grabner
Oktober 2018

P.S.: Marie Gamillscheg erhielt Anfang November den Debütpreis 2018 (Österreichischer Buchpreis) für "Alles was glänzt".

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