„Meine Arbeiten fühlen sich erst gut an, wenn es eine Performance gibt“
Die 26-jährige Künstlerin Daniela Gutmann lebt intensiv mit und in der Kunst. Mit jedem Thema, mit dem sie sich auseinandersetzt, geht sie einen konsequenten Weg.
Die Faszination für die Kunst schlummerte schon immer im Kern ihrer Persönlichkeit, den Gutmann im Laufe ihres Lebens Schicht für Schicht freischälte. Als Absolventin einer Handelsakademie verschlug es sie zuerst nach Wien, wo sie an der Universität für Bodenkultur die Fächer „Umwelt- und Bioressourcenmanagement" belegte. Rasch wurde ihr klar, dass ihre Interessen aber woanders lagen. Über den zeitgenössischen Tanz näherte sie sich der Welt der Kunst und bewarb sich sogar an internationalen Bühnen als zeitgenössische Tänzerin. Ihre Chancen standen nicht schlecht, denn in Regensburg wurde ihr eine Stelle angeboten, die sie jedoch ausschlug. Nach Auditions in Brüssel und in Amsterdam stellte sie sich die Frage, ob sie wirklich, wie eine Marionette, nach Drehbuch oder Anweisungen von Choreographen und Regisseuren tanzen und arbeiten wollte. Gutmann kehrte in die Steiermark zurück und besuchte schlussendlich die Meisterklasse für Keramische Formgebung an der Ortweinschule, die sie 2016 erfolgreich abschloss. Daneben absolvierte sie den Lehrgang für Ausdruckstanz und Tanzpädagogik. „Ich bin ein intensiver Mensch", stellt sie wie nebenbei fest, und sie findet sich im künstlerischen Bereich „Performance in der bildenden Kunst" wieder. Ihre Erfahrungen, ihre Auseinandersetzungen kann sie dabei unmittelbar mit einem Publikum teilen. „Das ist direkter und authentischer", meint sie. Ihre beiden künstlerischen Leidenschaften vereinte sie in ihrer Abschlussarbeit an der Ortweinschule. In der Auseinandersetzung mit Antriebsfaktoren und Bewegungsqualitäten - Begriffen aus der Bewegungslehre von Rudolf von Laban, einem ungarischen Tänzer, Choreografen und Tanztheoretiker - erarbeitete sie Bewegungen, die sie schließlich in Ton übersetzt dargestellte.
In ihrer künstlerischen Arbeit kristallisieren sich für Gutmann immer wieder Themen heraus, die den menschlichen, insbesondere den weiblichen Körper historisch und gesellschaftlich fokussieren. Gerne greift sie dabei auch sogenannte gesellschaftliche Tabuthemen auf - wie zum Beispiel das Thema „Menstruation", das für die Künstlerin ein Kraftthema ist. „Es war vor allem Ende der 60er und in den 70er Jahren, dass sich Frauen in der Kunst zunehmend emanzipierten und bewusst und verstärkt Frauenthemen, wie etwa die Menstruation, aufgriffen", sagt Gutmann. Einen persönlichen künstlerischen Zugang zur Monatsblutung zeigte die junge Künstlerin im Rahmen der KUNSTRAUM STEIERMARK-Ausstellung 2017 in der Neuen Galerie im Universalmuseum Joanneum. „The Unwelcome Redness": 28 rundlich geschwungene Keramikformen mit einer Einbuchtung in der Mitte hingen an einer Wand fein säuberlich geordnet in vier Reihen zu je sieben Formen, eine Darstellung von 28 Vaginas im Regelzyklus. Aus vier Formen hingen rote Stofffetzen in verschiedenen Größen und Färbungen, eine Form trug rot glänzendes Lametta. Komplettiert wurde die Wandskulptur durch einen roten Samtstoff, der in Falten geworfen auf dem Boden lag, und durch ein Foto, auf dem die Künstlerin in rote Stoffbahnen gehüllt zu sehen war. Das Foto erinnert an die Performance zur skulpturalen Installation, die Gutmann 2017 im Zuge des ZeitRaum Kunstcafé-Projektes präsentierte. „Ich möchte Themen aufzeigen, verbildlichen und in die Öffentlichkeit tragen", sagt Gutmann. Sie sieht ihre Kunst immer in einem politischen Kontext: „Ich hadere nur damit, wo die Kunst anfängt, und wo sie aufhört." Durch die keramischen Darstellungen bleibe ihre Kunst greifbar, die Performance hingegen gäbe nur den Moment frei und sei auch nur in diesem Moment erleb- und erfahrbar.
Gutmanns künstlerische Ideen kommen plötzlich, oft in einer Bewegung. Um sie festzuhalten, fertigt sie Skizzen an und schreibt Textpassagen oder Gedichte. Und zu ihrer Arbeitsweise meint sie, dass sie unter Zeitdruck am besten arbeiten könne. Mit der KUNSTRAUM-Ausstellung ist das Thema „Menstruation" aber noch nicht abgehandelt. Durch ihre intensive Recherchearbeit weiß sie, dass sie an diesem Thema weiter dranbleiben will.
2017 war Gutmann im Rahmen eines Atelier-Auslandsstipendiums in Tainan in Taiwan und konnte in ihrer Künstlerresidenz ein interdisziplinäres Projekt verwirklichen, das sie vor Ort erarbeitete. Sie kam ohne konkretes Konzept auf dem Inselstaat an und traf Land und Menschen inmitten der Aufräumungs- und Renovierungsarbeiten nach dem Erdbeben vom Februar 2017. Somit war für sie klar, dass sie sich mit dem Thema „Zerbrechlichkeit" auseinandersetzen wollte. Sie arbeitete mit Ton und Keramikscherben, die sie in ihrer Umgebung fand und zu neuen Gebilden formte. Gutmann beschäftigte sich mit sterbenden Avocadobäumen und mit winterfesten Bäumen wie Kiefer, Bambus und Pflaume, die in der asiatischen Kunst Standhaftigkeit und Ausdauer symbolisieren. Drüber hinaus baute sie ein ein Meter hohes Gefäß aus ungebranntem Ton, das sie während einer Performance stückchenweise zerstörte - und auch ihr Publikum aufforderte, es ihr gleichzutun.
Gutmann interviewte die Einwohner von Jiali zum Thema „Leben und Zerbrechlichkeit", und da die Sprachbarriere so groß war, lernte die Künstlerin kurzerhand die wichtigsten Ausdrücke, Wörter und Phrasen auf Chinesisch. So konnte sie den Interviewten die Scheu nehmen, über Zerbrechlichkeit zu sprechen. Die Interviews dokumentierte sie mit Fotos, auf denen die Hände der Interviewpartner zu sehen sind. Auch Taiwan selbst lässt sie, nun zurückkehrt, nicht los, sie pflegt weiterhin Kontakte und hält Ausschau nach einem anderen Künstler-Residenz-Programm, das sie wieder auf die Insel bringt.
Seit Herbst 2017 studiert Gutmann an der Kunstuniversität Linz „Plastische Konzeptionen/Keramik". Sie arbeitet mit unterschiedlichen Materialien, lernt deren Eigenschaften und Qualitäten kennen. „Jedes Material trägt viel Geschichte in sich. Ich möchte es umdrehen und andere Qualitäten entdecken". Am Beispiel Nylonstrümpfe macht sie deutlich, was sie sich darunter vorstellt: Sie baut mit den Strümpfen körperähnliche, fleischliche Gebilde, die nicht mehr erkennen lassen, was das Ausgangsmaterial war. Hier habe sie nun viel Raum für Experimente, berichtet sie. Es zähle weniger das rasche Ergebnis. Doch sie freue sich auch schon wieder auf Projekte, die sie von Anfang bis zum Ende durchrealisieren dürfe, inklusive Performance, weil sie da das Feuer spüre.
Petra Sieder-Grabner
März 2018