"Etwas zu machen, das mich selbst überrascht."
Christof Ressi (Andrzej-Dobrowolski-Kompositionsstipendium 2017) zerpflückt unterschiedliche musikalische Genres, um sie auf seine Art wieder zusammen zu setzen.
Er ist ein Autodidakt und brachte sich alles über Jazzmusik und dessen Theorien selbst bei. Mit 13 Jahren begann er, inspiriert von der deutschen Popband „Die Ärzte", Popsongs zu komponieren. Mit 15 oder 16 Jahren fand er Gefallen an klassischer Musik. Er komponierte für Bläser einen Satz in einer freien Form. In seiner Kindheit lernte Ressi Cello, aber er war nicht ganz glücklich mit sich und der musikalischen Welt, weil seine Töne am Cello angeblich unsauber waren. Mit 14 Jahren entdeckte er das Üben auf den Instrumenten. Auf dem Klavier kam er dem Genre Jazz immer näher, und in der Musikschule hatte er die Gelegenheit, diese erweckte Leidenschaft gemeinsam mit Mitschülern in einem Jazzensemble auszuleben. Im Gailtal in Kärnten, wo er aufwuchs, fand er in seiner Klavierlehrerin Silke Neuwirth eine aufgeschlossene Frau, die ihn ermutigte, seine eigenen Arrangements zu schreiben, und diese auch mit der Schulband, in der er E-Gitarre spielte, aufzuführen. Im Alter von 18 Jahren nahm er mit einer Big-Band-Komposition am Kompositionswettbewerb „Jugend komponiert" teil und erhielt den ersten Preis.
Was das Komponieren anbelangte, versuchte sich der jugendliche Ressi auch in romantischen Männerchorstücken. Oder auch: „Ich schrieb das Schrägste, was ich mir damals vorstellen konnte." Der junge Komponist dachte, dass zeitgenössische Musik Persiflagen seien. Zusammen mit einem Freund bediente er Gesang und Klavier und schuf eine Hommage an Hape Kerkelings „Hurz". Damals schräg, heute findet Ressi dieses Werk durchaus harmonisch.
Der Musiker und Komponist kam nach der Matura nach Graz und startete nach erfolgreicher Aufnahmeprüfung an der Kunstuniversität Graz (KUG) sein Diplomstudium für Komposition bei Gerd Kühr. „Ich fühlte mich in den ersten beiden Jahren verloren", erinnert sich Ressi. Mit Zuhören und Einhören sensibilisierte er sich auf der Suche nach seinem eigenen Zugang zur Komposition Neuer Musik. Er wollte keine Anleihen mehr aus Genres, keine Zuordnungen und keine Schubladisierung. Es ging ihm ums Persönliche und um das Originelle, und das ist heute immer noch so. „Ich schreibe, was mir gefällt, ohne es einordnen zu können." Er denke nicht wie Stockhausen, der für sich in Anspruch nimmt, für die Ewigkeit zu komponieren. „Ich komponiere für Anlässe." Sein kompositorischer Impetus: „Etwas zu machen, was mich selbst überrascht."
Und überraschen tut er sich und die Öffentlichkeit immer: Ressi hat zwei abgeschlossene Masterstudien, Komposition und Jazzkomposition, und absolviert gerade einen MA in Computermusik. Seine Kunst verflicht Instrumentalmusik mit Computermusik und Multimedia und zerpflückt unterschiedliche Genres, um sie auf seine eigene Art wieder zusammenzusetzen. Er breitet seine musikalische Welt immer weiter aus, begibt sich in Experimentierfelder, und begnügt sich nicht mehr mit einer rein auditiven Welt. Im Bereich der Computermusik interessiert ihn auch die musikalische Ebene der Computerspiele: Das Forschungsprojekt GAPPP (Gamified Audiovisual Performance and Performance Practice), angesiedelt am Institut für Elektronische Musik an der KUG unter der Leitung von Marko Ciciliani, untersucht u.a. die Übertragung von Mechanismen aus Computerspielen auf die audiovisuelle Komposition. Ressi arbeitet an einer Serie von 2D-Computerspielen, die als musikalische Performances funktionieren. Der Klarinettist und Improvisator Szilárd Benes, ein langjähriger musikalischer Partner, steuert dabei einen Avatar mit Hilfe eines auf seinem Instrument befestigten Bewegungssensors. Seine Interaktionen mit der Spielwelt lösen musikalische Ereignisse aus, auf welche er wiederum musikalisch reagieren kann. Dadurch, dass der Spieler sich frei innerhalb der Welt bewegen kann, entsteht eine offene Form mit stets neuen Resultaten.
Ressi bleibt in seinem Tun nicht allein: Er nutzt mit der Bühnenbildnerin Lisa Horvath und anderen Künstlern ein gemeinsames Atelier und arbeitet multimedial für und mit Klaus Seewalds „Theater Feuerblau". Außerdem ist er regelmäßig als Arrangeur für unterschiedliche Besetzungen tätig, von der Big Band bis zum Sinfonieorchester. Für musikalische, interdisziplinäre Überraschungen wird er auch weiter sorgen.
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Petra Sieder-Grabner
September 2017