Der springende Punkt in der Musik: lebendig und ausdrucksstark
Der vielseitige junge Musiker Moritz Weiß verführt durch Klezmer Musik, komponiert und arrangiert und sieht in allen musikalischen Systemen kulturelle Zusammenhänge.
Er ist 20 Jahre jung, maturierte im Frühling 2016 am Musikgymnasium Dreihackengasse in Graz und studiert seit Herbst 2016 an der Musikuniversität in Wien IGP (InstrumentalGesangsPädagogik) Klarinette „klassik" und Mathematik.
Das gemeinsame Musizieren, der Umgang mit Musik und ihre Entfaltung ist Weiß quasi in die Wiege gelegt. Der Vater ist Geigen- und Drehleiherbauer, die Mutter Kantorin in Fürstenfeld, wo der 20-jährige Künstler mit seinen Geschwistern und Eltern aufgewachsen ist.
Im Leben von Weiß gab es ein paar entscheidende Eckpunkte, wo ihm klar wurde, dass die Musik zu seinem Beruf werden würde. Bereits im Kindergartenalter begann seine musikalische Ausbildung mit Blockflötenunterricht und mit acht Jahren griff er - nach einem Intermezzo auf dem Cello - zur Klarinette. Er besuchte die Musikschule in Fürstenfeld und Ilz, bekam Privatunterricht und ließ die Klarinette - oder sie ihn - nicht mehr los. Die nächsten wichtigen Stationen waren der Wechsel an das Grazer Johann-Joseph-Fux-Konservatorium und an das Musikgymnasium Dreihackengasse.
Weiß wollte schon immer mehr, als sich nur „klassisch" mit seinem Instrument auseinandersetzen. Die endgültige Hinwendung zur Musik kam, als er sich mit 15 Jahren erstmals bewusst mit Klezmer Musik auseinandersetzte. Er widmete auch seine Vorwissenschaftliche Arbeit (VWA, Teil der Matura) ganz diesem Thema.
Klezmer ist eine traditionelle Instrumentalmusik osteuropäischer Juden. Bei seiner Recherchearbeit zur Philosophie und Herkunft dieser speziellen Musikrichtung machte sich Weiß auch viele persönliche Gedanken über seinen generellen Umgang mit Musik. Klezmer sei tief in der jüdischen Kultur verankert und bestehe aus zwei Wortteilen: zum einen aus dem Wort „Gefäß" und zum andern aus dem Wort „Musik". Das Gefäß trage die Gabe in sich, auf die Ursubstanz, die Urkraft, der Welt zurückzugreifen und diese an sein Umfeld weitergeben zu können. „Das ist für mich der grundlegende Zugang zur Musik. Das genau ist die Idee, die hinter dem Musizieren steht", sagt Weiß. Es seien die Ausdruckskraft und die Emotionen, die ihn dabei am meisten faszinieren. Für ihn stellte sich in der Auseinandersetzung aber auch die Frage, ob es ihm überhaupt „erlaubt" sei, diese Musik, die eindeutig aus einem anderen Kulturkreis als dem seinen stamme, zu spielen. Der bekannte Grazer Musiker und Psychotherapeut Aron Saltiel versicherte Weiß in einem Gespräch jedoch, dass es egal sei, aus welcher Kultur man komme, jeder könne alle Musik der Welt gestalten.
Viel schwieriger sei es, Klezmer heute stilistisch zu definieren, so Weiß, da diese Musik, je nachdem, wo sie gespielt werde, ganz anders klinge: in Russland anders als in Israel, in den USA beeinflusst durch Jazzelemente anders als in Südamerika, wo der Tango mitschwinge.
Neben dem philosophischen und mystischen Hintergrund, aber liebt Weiß vor allem der die Lebendigkeit, die diese Musik in sich trägt. Das erinnere ihn an seine Kindheit und das gemeinsame Musizieren von Freunden daheim bei seinen Eltern, in der Kirche oder im Dorf.
Inhaltlich thematisiert ist in der Klezmer Musik das historische Schicksal der Juden, immer aufs Neue vertrieben worden zu sein und sich immer wieder auf eine strapaziöse Suche und einen hoffnungsvollen Neuanfang begeben zu müssen. Musikalisch drückt sich dies in einem modularen Aufbau, Chromatik und Halbtonschritten aus, die Melancholie verströmen.
Seit Jahren spielt Weiß in unterschiedlichen Formationen. Seine erste Band hieß „Klesh'ma", im Grunde ein Pop-Rock-Besetzung mit Schlagzeug, E-Bass, Klavier und Klarinette als Stimme. Derzeit musiziert er gemeinsam mit dem Kontrabassisten Maximilian Kreuzer und mit Niki Waltersdorfer als „Moritz Weiß Klezmer Trio". Der Schlagzeuger Waltersdorfer spielt in dieser Formation Gitarre. Weiß dazu: „Als Perkussionist spielt er rhythmisch sehr versiert." Anregung für die Gründung und Vorbild des Trios ist u. a. der argentinische Klezmermusiker Giora Feidman.
An dieser Stelle des Gesprächs erklärt Weiß, dass seine leidenschaftliche Beschäftigung mit der Klezmer Musik nur ein kleiner Teil seines Musiker- und Komponistenlebens sei.
Seit fünf Jahren lernt er auch Klavier und seit zwei Jahren Cembalo, und er beschäftigt sich intensiv mit alter Musik. Zudem liebt er Johann Sebastian Bach und dessen Polyphonie, ist fasziniert von der Aussetzung des Generalbasses, komponiert und arrangiert selbst und spielt in unterschiedlichen Besetzungen klassische Klarinette.
Sein Studium empfindet er als vielseitig und abwechslungsreich. Ein reines Konzertfach-Klarinetten-Studium wäre ihm zu wenig und zu eindimensional gewesen. Sehr wertvoll an seiner umfassenden Ausbildung sei für ihn auch der pädagogische Teil, der die Persönlichkeit forme und ihn zu einem Musikbotschafter mache.
Abseits von Konzerten und dem strengen Spiel nach Noten liebt er das atonale freie Improvisieren, das sich je nach Stimmung und Gefühlslage in einem Live-Konzert ergibt: „Das Muszieren weg von Regeln gibt mir eine große Freiheit."
Weißʼ Tage und Pläne sind voller Musik. Es sind Auftritte mit seinem Trio geplant wie auch eine CD-Aufnahme, er spielt da und dort Cembalo oder Klavier und lässt auch das „klassische" Klarinettenspielen nicht zu kurz kommen. - Es scheint, dass keine Minute seines Lebens ohne Musik oder Klang vergeht.
Weiß hat in seinem jungen Leben schon viele Einblicke in seine musikalische Vielfalt gegeben, und viele Einblicke warten noch darauf, gewährt zu werden.
Petra Sieder-Grabner
Jänner 2017