La dolce vita in der Zinze
Das Leben ist schön. Johannes Möseneder (45) lächelt nicht, er lacht. Sitzt er bei Bobi im „De Gustibus“ in der Grazer Zinzendorfgasse, erhellt er diese Ecke. Seine Freunde nennen ihn nicht Johannes, sondern Giovanni. Giovanni ist ein Lebemann, und die „Zinze“ ist seine Straße.
Gegenüber vom Lokal öffnen sich Fensterläden. Eine alte Frau schaut heraus. Auf den Fenstersims springt Rony, ihre Katze. Giovanni blickt zu ihr rauf. „Was machst denn du schon wieder da?", fragt sie. Giovanni lächelt sie an. „Geh Mausi, komm runter zu uns!" Die alte Frau nickt vergnügt, man hört fast ihre Katze schnurren. Giovanni lächelt kurz zurück, das Leben ist schön.
Giovanni kommt aus Kärnten. Er wurde 1971 in St. Veit/Glan geboren und besuchte die Glasfachschule in Kramsach (Tirol). Ihm wurde die Kunst quasi in die Wiege gelegt. „Die Beschäftigung mit Kunst geht in meiner Familie auf den Ururgroßvater zurück. Meine Eltern, Barbara Möseneder-Köchl und Heinz Möseneder sind ebenfalls Künstler." Da ist über Kunst zu reden etwas Natürliches, Unverkrampftes: „Kunst macht für mich das Leben einerseits erträglich, andererseits zelebriere ich durch die Kunst das Leben."
Die Katze, oben bei der alten Frau, hat er übrigens verewigt, in einer Zeichnung, so nebenbei. „Malen ist für mich wie ein Instrument spielen, da muss man jeden Tag dran bleiben, sonst wird das nichts." Giovanni Möseneder packt seinen Block aus: Skizzen, Zeichnungen, Stichworte. „Jedes Bild beginnt bei null. Dann ist es für mich die Frage der Technik, inwieweit ich das raufpuschen kann; wie ein Sportler will ich hier meine Grenzen überschreiten. Man macht die ganze Entwicklung durch, bei jeder Arbeit. Der schöpferische Akt entsteht durch die Freiheit im Kopf, so beginnt das alles." Nun lacht er, laut und echt. Er raucht sich eine an. Wirt Bobi stellt ihm ein Bier hin.
2015 beschäftigte er sich noch mit Holographien. Von Lady Diana über Tito bis zu Kim Jong-il fertigte er Lichtbilder an. Die Ikonen schweben zwischen den Welten, sie scheinen auf eine gewisse Art unschuldig, aber auch gefangen zwischen Sein und Schein zu sein; Möseneder bezeichnet diese Bilder als „Zeitkapseln": „Dahinter steckt ein 3-D-Effekt, ganz reduziert, mit den minimalsten Mitteln." Hinzu kommen mehrschichtige, konstruierte Bilder, wie das Werk „Terra Germania, für das Giovanni als Basis eine alte Landkarte von Deutschland nahm, die er unterwegs wo gefunden hatte, und die er mit Malerei verfremdete.
Die Idee von Licht und Schatten ist Giovanni geblieben, doch aktuell taucht er noch tiefer in die Materie ein. „Weiß in weiß" seien nun seine Bilder: „Es gibt verschiedene Weißtöne. Der Unterschied zwischen ihnen ist oft nur minimal und nur bei einem bestimmten Lichteinfall sichtbar. Plötzlich sieht man etwas im Bild, was einem sonst verborgen bleibt. Und das ist die Faszination, das macht die Spannung aus!" So wird Unsichtbares sichtbar, fast schon wie Zauberei, und lässt für den Betrachter eine Art ursprüngliches Erlebnis zu. „In das Bild arbeite ich Symbole ein. Das Spannende bei den Symbolen ist ja, dass sie permanent auf das Unterbewusstsein wirken, auch wenn wir sie bei einer unpassenden Lichtbrechung nicht sehen." Der Künstler bedient sich hier an Symbolen aus verschiedenen Kulturen, von Asien bis hin zum Urchristentum.
Doch dazu muss Giovanni ausbrechen, seine zweite Seite leben, zu viel Helles und Licht hält auf Dauer keiner aus. „Dazu kommt jetzt die Farbe, die Liebe zur Ölmalerei, das brauche ich als Ausgleich. Großformatig, wo ich aus dem Ellbogen heraus meinen Schwung mache. Das ist dann sehr emotional, dabei bin ich nackt, da lasse ich mich sehr raus."
In der Pilotphase verwendet er billigstes Material, Packpapier, weiße Farbe und Graphitstifte, die totale Reduktion eben. „Hier muss ich noch mehr das Tanzen reinbringen, die Bewegung, den Rhythmus, um so einen Zyklus zu kreieren." Vielleicht kommen dann auch Farben, dunkles Rot, weiches Gelb, anderes Papier. Möglich ist viel. „Ich habe diese Intension in mir, dass ich in der größten Schwärze und Dunkelheit ein Licht erblicke und dieses Licht durch Farben auf die Leinwand bringe."
Und dann geht es wieder hinaus in die Nacht. Was hat die Nacht noch mit Giovanni vor? Jetzt lacht er wieder. Laut und ehrlich. Nimmt einen Schluck Bier. Das Leben ist schön.
Ausstellungen (Auswahl):
2016: Ausstellung von Katharina Link und Johannes Möseneder im Lokal „Tischlein deck dich"/„cloudthinkn", Graz.
2016: Beteiligung an der Gemeinschaftsaustellung „Karussell", Kanonenbastei, Schloßberg Graz
2015: Franz Ferdinand 1914 - 2014. Garnisonsmuseum am Schloßberg Graz
2013: Auf-Bruch. Bildungshaus Sodalitas, Tainach (Kärnten)
http://www.johannesmoeseneder.com/
Martin G. Wanko
Stand: Juni 2016