Von bösen Hunden und bösen Menschen
Bruno Jaschke tritt mit seinen Büchern den Beweis an, dass in der Durchschnittsexistenz eines Kleinbürgers der Stoff für vergnügliche Komödien und aberwitzige Tragödien verborgen liegt.
Der in Irdning im Ennstal geborene und in Gröbming aufgewachsene, mittlerweile seit vielen Jahren in Wien lebende Bruno Jaschke zählt zu der hierzulande seltenen Spezies von Schreibenden, die keinen Wert darauf legen, zwischen sogenannten Gebrauchstexten und literarischen Texten zu unterscheiden. Wieso auch? Bruno Jaschke versteht sein Schreibhandwerk in jeder Hinsicht – als Journalist für die „Wiener Zeitung“, das Medienmagazin „Extradienst“ oder das Touristikmagazin „Faktum“ gleich wie als spät an die Öffentlichkeit getretener Literat mit Witz, Charme und Augenzwinkern. Der im deutschsprachigen Raum mit konsequenter Borniertheit betriebenen Trennung von unterhaltender und ernster Literatur begegnet Jaschke mit einer Mischung aus Naivität und (Selbst-)Ironie, der Geringschätzung von Gebrauchstexten mit einer stupenden Qualität. Als musikalischer und literarischer Stilberater informiert er auf wunderbar eloquente Art und Weise und großer Stilsicherheit seit Jahrzehnten über Pop- und Rockmusik und Literatur, während seine literarische Tätigkeit stets von einem Augenzwinkern geprägt ist. Es macht ihm sichtlich Spaß, mit seinen Texten Denkprozesse in Gang zu setzen, die den Dingen rücksichtslos auf den Grund gehen und den Menschen als die durchschnittliche, mit Fehlern behaftete Existenzform beschreiben, die er in seinem Innersten ja klammheimlich und trotz aller Bemühungen, es zu kaschieren, ist. Gut, dass es mit Bruno Jaschke einen gibt, der der Gewöhnlichkeit des Menschen gebührend Aufmerksamkeit widmet und sie mit staunendem Blick adelt, und das nicht übertrieben ernst, eher genüsslich, mit einem Quäntchen Sarkasmus, nie rechthaberisch, eher weise distanziert und behutsam aufklärend. Und obwohl Jaschke davon überzeugt ist, dass die Literatur die Aufgabe hat, den Frieden der satten (Selbst-)Zufriedenheit zu stören und dem Druck der Nivellierung und biederen Ausgewogenheit zu widerstehen, kennt und beschreibt er auch das ganz gewöhnliche kleine Glück, das sich genau in dem verbirgt, was wir gemeinhin als Alltag bezeichnen. So entsteht in Jaschkes Texten ein Panoptikum des menschlichen Lebens, mit viel Komik, aber auch mit einiger Tragik.
Feine Boshaftigkeit
Wie es Bruno Jaschke gelingt, aus vergleichsweise trivialen Plots veritable Erzählkunststücke zu entwickeln, die den Alltag für das Surreale und Wahnwitzige transparent machen, hängt wohl in erster Linie damit zusammen, dass seine widersprüchliche Mischung aus Naivität, Aufklärung und Selbstironie nie belehrend wirkt, sondern den Leser unterhält, ohne seinen Verstand zu beleidigen. Im Zuge von Abschweifungen, Assoziationen und der Skurrilität zugetanen Szenen erfährt man als Leser viel über menschliche Unzulänglichkeiten und Eitelkeiten. Und man folgt Jaschke sehr gern in das Erzähllabyrinth aus Delirium, Dummheit, individuellen Abgründen und geheimen Lüsten. Der Reiz der Bücher von Bruno Jaschke liegt nicht zuletzt in der feinen Boshaftigkeit, mit der er die Welt betrachtet, die ihn tagtäglich umgibt. Sein bisher einziger Roman „In Wahrheit ist es würdig und recht“, 2003 in der Edition Innsalz erschienen, oszilliert zwischen Hintergründigkeit, Respektlosigkeit, derbem Humor und pointierter Gesellschaftskritik und weist nicht wenige Parallelen zu Ulrich Seidls Blick auf den Österreicher auf. Wobei Jaschke weniger verbissen agiert und seine Literatur dadurch einen unverwechselbaren Charme entwickelt. Der im Roman stets nur lakonisch „der Herausgeber“ genannte mächtige Medienzar hat nur einen wirklichen Freund – seinen über alles geliebten Hund. Nichts macht ihn, der im Leben eigentlich alles erreicht hat, glücklicher, als einfach nur seinen ihm treu ergebenen Hund zu streicheln. Bis dieser grundlos renitent wird und dem Herausgeber seine willfährige Gefolgschaft verweigert. Wie bald danach auch sein stellvertretender Chefredakteur, dessen Anstellung der Herausgeber erfolglos damit verknüpfen will, dass er seinen Hund regelmäßig spazieren führe: „Wenn der Stinker Dünnschiss hat, so hatte der stellvertretende Chefredakteur dem Herausgeber mit einer bis dahin nicht für möglich gehaltenen Respektlosigkeit entgegnet, werde ich verantwortlich gemacht und bin im Arsch daheim. Wenn der Mumie ein Zahn ausfällt, werde ich verantwortlich gemacht und bin im Arsch daheim. Wenn der Blindgänger statt einem Hasen eine Laus fängt, werde ich verantwortlich gemacht und bin im Arsch daheim. Wenn sich die verwachsene Witzfigur eine Pfote verstaucht, werde ich verantwortlich gemacht und bin im Arsch daheim. Wenn ihm ein anderer Köter ein Ohr anknabbert, werde ich verantwortlich gemacht und bin im Arsch daheim. Scheiß auf ihren Hund. Scheiß auch auf ihr Hundsblatt. Weg war er.“
Grobianische Eloquenz
Bruno Jaschke ist weder der schwarze Humor fremd noch das sogenannte Milieu. Mit dem Herausgeber hat er eine Romanfigur geschaffen, an der er seine ganze grobianische Eloquenz beweisen kann, die ihm als Sprachrohr dient, um mit menschlichen Eitelkeiten und gesellschaftlichen Unzulänglichkeiten abzurechnen. In seinen zwei literarischen Adventkalendern „Fürchtet euch nicht“(2004, Edition Innsalz) und „Adventträume“(2007, Edition Garamond) – Bücher, die jeweils 24 weihnachtliche Geschichten beinhalten, die von der Künstlerin Tamara Starl-Latour kongenial illustriert wurden – zeigt sich Jaschke von seiner sanfteren Seite. Der Blick auf die skurrilen Begebenheiten und grotesken Erlebnisse vor weihnachtlichem Hintergrund fällt milder aus, und der Tonfall ist nicht bitterböse, sondern spitzbübisch-spöttelnd. Die größte Wirkung zeitigt Jaschkes Literatur jedoch, wenn Misanthropie und Übellaune den Nährboden für burleske Komik und charmante Boshaftigkeit bilden wie in seiner Prosachronik „Im Arsch daheim“ (2014, Arovell Verlag). Ein wohlgeformtes, nacktes weibliches Hinterteil ziert das Cover von Jaschkes jüngstem Buch, und es ist eine Freude in 366 kurzen Episoden in eine Welt einzutauchen, die auf den Hund gekommen scheint und letztlich doch tröstlich und lebenswert wirkt. In den Geschichten trifft der Leser auf einen bösen Menschen und einen bösen Hund, auf die 100-Kilo-Frau, die frisurheikle Nachbarin, die Supermarktverkäuferin Eva Z., den vermeintlichen Schriftsteller Paulus-Madonna Himmelfreundpointner und zahlreiche weitere Protagonisten. Episode für Episode offenbart Bruno Jaschke mit viel Witz, Ironie und Charme seine zwischen Respektlosigkeit und Warmherzigkeit pendelnde Mitleidsfähigkeit gegenüber den von ihrem Leben gebeutelten Figuren, die er mit all ihren Eigenheiten und Unzulänglichkeiten darstellt, ohne sie aber je bloßzustellen.
„Hast du noch Worte!“ murmelte die frisurheikle Nachbarin konsterniert.
Heimo Mürzl, Stand: März 2016