Die Rolle des Zufalls
„Die Ideen kommen zufällig – wie ein Funken, der das Interesse weckt. Und dann gehe ich darauf zu“, beschreibt der Künstler Markus (Max) Gansberger den kreativen Prozess hinter seinen Arbeiten.
Der 1978 in Villach geborene Künstler nimmt sich zurück, damit sich das Werk selbst erschaffen kann: „Das Kunstwerk und der Weg dorthin ist wichtiger als ich. Und es fühlt sich durch die eigene Zurücknahme gut an, zu schauen, was passiert." Markus Gansberger, in seiner Erwerbstätigkeit technischer Leiter des Grazer Künstlerhauses, kann mit Mitte 30 bereits auf ein künstlerisch bewegtes Leben zurückblicken. In der Selbstreflexion wirkt er mitunter streng zu sich.
Der Zufall ist ein wichtiger Motor in Gansbergers Leben. Seine Laufbahn als Künstler hat damit begonnen, dass der 14-jährige in seiner Villacher Schule eine Werbung der Grazer Ortweinschule (HTBLA für bildnerische Gestaltung) vorfand, sich daraufhin in Graz bewarb - und genommen wurde. Nach dem Schulabschluss ging er nach München, wo er ein Jahr lang Layout und Grafik beim Magazin Snowboarder gestaltete. Er studierte danach experimentelle Gestaltung bei Herbert Lachmayer an der Universität für künstlerische Gestaltung in Linz, war an der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe inskribiert und beschäftigte sich an der Universität für Angewandte Kunst in Wien mit digitaler Kunst. Daran hat er sich jedoch bald sattgesehen. Zurück in Graz, hat er gemeinsam mit seinem Bruder Martin und Freundinnen und Freunden das Künstlerkollektiv RAM gegründet und Ausstellungen organisiert.
Im Kern bestand RAM aus zehn Männern und Frauen, fünf weitere waren projektweise in das Kollektiv integriert. Es sei nicht immer leicht gewesen, erinnert sich Gansberger: Fixen Ideen und Vorstellungen folgten harte Diskussionen, eine intensive und kreative Zeit, die aber schlussendlich zur Trennung führte. Von 2009 bis 2013 war Gansberger dann Mitglied im Schaumbad, dem freien Atelierhaus Graz. Seit 2012 betreibt er gemeinsam mit Katharina Buschek und Clemens Mair ein Atelier, in dem er 2015 und 2016 als „Kunstraum Steiermark"-Stipendiat gefördert wird.
In seiner Kunst ist Gansberger vielfältig, er hat sich mit Grafik, Video, elektronischer Musik und künstlerischen Projekten im öffentlichen Raum beschäftigt. Mit der Künstlergruppe RAM hat er einen vier Meter hohen aufblasbaren Elefanten wie eine ebenso große Katze an den absurdesten Plätzen im Grazer Stadtraum aufgeblasen und wieder abgebaut - und das ganze filmisch und fotografisch dokumentiert.
In seinen aktuellen Arbeiten taucht das Grafische verstärkt auf. Etwa in der Serie „Maschinenmalerei" (2014), für die er Blinddruckplatten einer Druckerei zu größeren Bildern zusammensetzte. Auf den Druckplatten befinden sich Farbschlieren, die beim Reinigen in den Druckmaschinen entstanden sind. „Jede einzelne Druckplatte erinnert an abstrakte Malerei. Die Strich- und Pinselführung wurde rein von der Druckmaschine übernommen", sagt Gansberger. Auch hier, bei dieser Arbeit mit vorgefundenen Objekten, hat der Zufall eine gestalterische Rolle eingenommen.
Die Technik folgt dem Inhalt
Prinzipiell möchte sich Markus Gansberger nicht auf eine Technik oder ein Medium festlegen. Für ihn bestimmt der Inhalt die Technik - und da ist er offen für jede neue Methode. „Ich bin noch nicht an meine Grenzen gestoßen", sagt Gansberger. Inhaltlich finden sich neben ästhetisch motivierten Projekten auch Arbeiten mit kunst-, sozial- und gesellschaftskritischen Ansätzen in seinem Œuvre. So hat Gansberger gemeinsam mit Igor F. Petkovic 2011 das Video „Gavrilos Prinzip" gedreht, das auf die Umstrukturierungen im Universalmuseum Joanneum reagiert: Man sieht im Film, wie ein Mann im Grazer Stadtmuseum - dem Geburtshaus von Erzherzog Franz Ferdinand, der 1914 in Sarajewo ermordet wurde - eine Waffe entwendet und sich damit auf den Weg zum Intendanten-Büro im Kunsthaus macht. Das Video endet mit dem Öffnen der Tür, die Musik deutet einen Schuss an.
Die Eigendynamik in der Arbeit ist Gansberger wichtig. Zu konzeptionell möchte er an seine Projekte nicht herangehen, auch nicht an Auftragswerke. „Es ist zwar schwierig, loszulassen, aber dadurch lässt man positive Überraschungen zu", ist der Künstler überzeugt. Ein Beispiel sind seine „Frame by Frame by Frame"-Bilder, die 2014 im Künstlerhaus zu sehen waren. Aus alten Passepartouts, die ihren Inhalt - das eigentliche Bild - verloren hatten und die aus eigens dafür angefertigten Papierrahmen herausquollen, entstanden neue Bilder. Max Gansberger widmete den Passepartouts seine Aufmerksamkeit und ließ sie in einer scheinbaren Zufälligkeit selbst zum Kunstwerk werden. Sowohl der Zufall in der Anordnung der Passepartouts als auch die Dreidimensionalität des aus den Bilderrahmen quellenden Papiers rücken die „Frames" in einen neuen faszinierenden Kontext.
Eines bleibt in Gansbergers vielseitigem und vielfältigem Künstlerleben sicher: der Zufall und die Eigendynamik des kreativen Prozesses.
www.maxgansberger.com
Petra Sieder-Grabner
Stand: November 2015