Bewegte Installationen
Evelyn Loschy haucht ihren kinetischen (auto-)destruktiven Skulpturen hintergründiges Leben ein.
Ihr künstlerisches Leben hat sie im Grunde mit dem Beginn des Studiums für „Transmediale Kunst" bei Brigitte Kowanz an der Universität für angewandte Kunst in Wien mit 26 Jahren begonnen. Davor war Evelyn Loschy bei Funk und Fernsehen in verschiedensten Formaten aktiv und hat auch bei einer Kabarettagentur gearbeitet. In eine Richtung oder in ein Format quetschen ließ sie sich schon damals nicht. Erste künstlerische Erfahrungen hat Loschy aber schon vor dem Studium gesammelt: Sie hat kleine narrative Kurzfilme produziert und an Workshops und Symposien des Europäischen Netzwerkes für junge Filmemacher NISI MASA teilgenommen. Ihre gründliche Neugierde hat sie auch im Studium weiter gelebt. Die Vorstellung, nur am Computer zu arbeiten und dort künstlerische Projekte zu entwickeln, war Loschy zu wenig, und deshalb wich sie - als haptischer Mensch - in die Metallabteilung der Angewandten aus. „Dort habe ich mich ein Jahr versteckt", erzählt sie. Sie habe monatelang Schweißen geübt und mit einer Flex gearbeitet. Das habe auch gut zu ihrer Kindheit gepasst: Loschy ist neben einer Metallwerkstatt aufgewachsen.
2013 hat sie ihr Studium an der Angewandten abgeschlossen. Zwischendurch musste sie Wien verlassen. Evelyn Loschy hat jeweils ein Semester „Audiovisuelle Kunst" an der Gerrit Rietveld Academie in Amsterdam und „Konstruktive multimediale Skulptur" sowie Medienkunst an der Universität der Künste in Berlin studiert. Das Spannende daran waren die Rückmeldungen der Professoren, die den Eindruck erweckten, dass die Arbeiten, die sie in Amsterdam entwickelte, in Wien „nichts wert" seien, wie auch umgekehrt. Doch beide Zugänge des Studierens haben sie in ihrer Persönlichkeit und ihrem künstlerischen Leben reifen lassen.
Umsonst gibt es nichts
In der Diplomarbeit spürt man einen eindeutigen künstlerischen Schwerpunkt der 1980 geborenen Künstlerin: kinetische Skulpturen. „Nothing is for free" lautet der Titel einer zerstörerischen Schaukel, die von der Decke eines leeren Raumes hängt und die mittels Scheibenwischermotor permanent angetrieben wird. Sie hängt zu nah an der Wand, kracht mit jedem Ausholschwung an die Wand und reißt somit ein immer tiefer werdendes Loch. Irgendwann hat sie sich den Raum geschafft, den sie braucht, um frei schwingen zu können. „Sie wird vom Kinderspielzeug zum zerstörerischen Werkzeug, weil man ihr den Raum nimmt, den sie für die freie, ihr innewohnende Bewegung braucht", sagt Loschy. Im Kunstraum Niederösterreich in Wien, wo die Schaukel unter anderem ausgestellt war, wurde eigens dafür eine Ziegelwand aufgebaut, gegen die die Schaukel tuschte.
Maschinenbewegung als Ausdrucksmittel
Eine andere kinetische Skulptur zeigte Loschy 2015 in der Galerie Stock in Wien. Für die Ausstellung „Zerreißprobe", die sich dem Spannungsverhältnis des Menschen zwischen den gesellschaftlichen und individuellen Ansprüchen widmete, hat Loschy einen aus Eisen gefertigten Schaukelstuhl entwickelt, auf dem eine lebensgroße aufblasbare Puppe sitzt. Der Schaukelstuhl wird mit einem Motor bewegt, die hinteren Kufen drücken dadurch auf Blasebälge und pumpen die Puppe auf und in der Gegenbewegung wieder ab. Titel der Arbeit: „Is it me". Die Bewegung ist dabei Inszenierung und autonomes Ausdrucksmittel gleichermaßen.
Loschy gewinnt ihre Ideen aus der Beobachtung von Menschen und Dingen, sie versucht unterschiedliche Vorgänge der menschlichen Psyche zu verstehen und künstlerisch zu verarbeiten, auch destruktive und selbstzerstörerische Verhaltensmuster. Sie schickt den Betrachter ihrer Arbeiten in eine gewisse Richtung, aber ab einem gewissen Grad überlässt sie ihn sich selbst. Deshalb fallen die Reaktionen auf ihre Arbeiten höchst unterschiedlich aus und reichen von Beklemmungsgefühlen bis zur Begeisterung. Will sie mit ihren Werken auch provozieren? „Ob es eine Provokation ist, liegt immer im Auge des Betrachters", antwortet Loschy.
Unterschiedliche Zugänge offen
Ihre Skulpturen sind technisch sehr aufwendig und bedürfen ein hohes Maß an Tüftelei. In ihrer Heimat Hartberg und an ihrem Atelierstandort Unterrohr bekommt sie von ihrer Familie, Freunden und ortsansässigen Unternehmen Unterstützung. Sie findet es jedes Mal spannend, wie Menschen - etwa Mechaniker -, die nichts oder kaum etwas mit Kunst zu tun haben, mit ihrer Arbeit und der technischen Umsetzung umgehen: „Meine Kunst lässt verschiedene Zugänge zu", meint Loschy augenzwinkernd. Neben ihren Skulpturen macht die ausgebildete Medienkünstlerin auch Videos und Performancevideos.
Der innere Kampf der Geierwally
Unter dem Titel „Me And My Selves" hat Loschy aus der ursprünglichen Verfilmung der „Geierwally" aus dem Jahr 1912 Szenen, in denen die Hauptdarstellerin allein zu sehen ist, herausgenommen und neu zusammengesetzt. Das reale Vorbild der Geierwally ist die Tiroler Malerin Anna Stainer-Knittel (1841-1915), die sich den klassischen weiblichen Klischeerollen verweigert hat. Loschy lässt die Geierwally in ihrem Video in verschiedenen Selbsts kommunizieren: ein innerer Kampf, in dem das Finden und Definieren der eigenen Persönlichkeit steckt. Der in Graz studierte italienische Saxophonist und Komponist Nicolo Loro Ravenni hat die Musik dazu gemacht.
Apropos Musik: Loschy ist auch Schlagzeugerin der Band „ Perlen für die Säue", einer vierköpfigen Frauen-Kunst-Performance-Band, die Kraut und Rüben vom Schlager über Speed-Metal, Rap bis zur Rockmusik spielt. - Die Künstlerin Evelyn Loschy ist nach wie vor in keine Schublade zu pressen.
www.galerie-stock.net/el-evelyn-loschy
Petra Sieder-Grabner
Stand: September 2015