Die Schönheit des Vergänglichen
Der Zeltweger Skulpturenkünstler Robert Isak hat in seinem Zuhause ein Abbild der Natur geschaffen.
Es geschieht gleich nach dem Überschreiten der Türschwelle: Man tritt ein in Robert Isaks Welt, schon wird man der kreativen Lebensader gewahr, sie pulsiert förmlich aus jedem Winkel des bescheiden anmutenden Wohnbereichs. Pocht unaufhörlich, wird wie der Schall von Wänden zurückgeworfen, bricht sich an Gegenständen, erzeugt Rhythmen der unbändigen Schaffenskraft. Verlässt man das Heimatelier des Zeltweger Skulpturenkünstlers, fühlt man sich auf sonderbare Weise beschenkt.
Aus Totholz von Zirben, durch Windbruch oder Blitzschlag abgefallen und von Wanderungen im Wald oder entlang von Flussläufen mitgebracht, fertigt Robert Isak in behänder Schnitz- und Schleifarbeit Werke von imponierender Schönheit. Darstellungen von Menschen und Tieren in der Hauptsache, häufig mit Metallfragmenten versehen. Die Skulpturen des Absolventen der Grazer Ortweinschule für Grafik und dekorative Gestaltung sind Boten einer früheren Zeit, organische Träger von Geschichten und Geschichte. Geschichte, die ihre Fortsetzung erfährt, wenn Isak die fertigen Objekte dann noch mit Kohle oder Acryl malt, deren Essenz gleichsam aus der dritten in die zweite Dimension filtert.
„Holz findet dich"
Das Credo des geborenen Arnfelsers zeugt von einer mystischen Weltauffassung, nahe am Magischen geradezu: „Holz kannst du nicht suchen, es findet dich." Und: „Die Natur hat alles vorbereitet, der tote Baum Jahrhunderte gewartet, um in meinen Arbeiten wiedergeboren zu werden." Überhaupt scheint Robert Isak die zeitliche Ebene von besonderer Wichtigkeit zu sein. Wie wenn man unzählige archivierte Filmrollen Bild für Bild durchsehen kann, erlaubt ihm sein fotografisches Gedächtnis einen lückenfreien mentalen Blick auf den Entstehungsprozess jedes seiner Werke: „Von jeder einzelnen meiner Figuren weiß ich beispielsweise noch, wo ich das Holz dazu gefunden habe und welche Witterung damals geherrscht hat", verrät der 57-Jährige.
Vergänglichkeit, Bewegung, Entwicklung sind auch die zentralen Motive des Künstlers. Veränderungen im Kern. Nach Isaks Auffassung die Unruh im Seelenwerk vieler von uns Menschen, die wir nur zu gerne auf den Automatismus des Vergleichs zurückgreifen und gegen das nunmehr Wirkliche ein idyllisches Mögliches aufbieten: „Wir sind oft unzufrieden mit all den Dingen, die die Veränderungen des Lebens mit sich bringen. Dann sehnen sie die Vergangenheit herbei." Sentimentalität als potenter Bewältigungsmechanismus? Nostalgische Hinwendung zur eigenen Geschichte als Schmerzmittel? Robert Isak beschreibt viel mehr: die Suche nach dem spannungsfreien Urzustand nämlich, wie der eines Embryos, die am Ende doch immer glücklos enden, Utopie bleiben muss.
Zwischen Erleben und Ersehnen
Bisweilen dreht auch Robert Isak auf der Zeitachse. Den feinsinnigen Mann lockt die Schönheit des Vergänglichen. Hört man ihm länger und aufmerksam zu, ist Isaks Auseinandersetzung mit der eigenen Biografie, aus der sich szenenartig Bedeutsames speisen lässt, stets präsent. Nachgerade tranceähnlich erzählt er davon, wie er bereits als Junge mit Bleistift oder Messer in der Natur unterwegs war, schnitzte oder zeichnete. Sich schon damals gerne mit älteren Menschen unterhielt, Schirmmacher oder fahrende Händler zu seinen Bekannten zählen durfte. Leute, Berufsbilder, die für ihn einer anderen, unbekannten Zeit zugehörig sein mussten. „In meiner Fantasie komme ich an Häusern vorbei, die es schon lange nicht mehr gibt und treffe auf Menschen, die schon lange nicht mehr leben", sagt Isak beinahe demütig.
Der elementare Seinskonflikt zwischen Erleben und Ersehnen ruft laut aus Robert Isaks Arbeiten. Ihnen blieb es schließlich auch vorbehalten, ihm vor einigen Jahren als Befreiungsschlag in einer Phase persönlicher Krisen Stütze zu sein, indem sie halfen, auszehrende Lebenskonzepte hinter sich zu lassen: „Es geht mir jetzt nicht mehr darum, Ziele starr zu verfolgen oder erkannt zu werden. Denn dann hat keine Entwicklung stattgefunden." Isak gelang es, sich aus dem Strom festgefahrener Handlungs- und Denkmuster freizuspielen. Veränderungen, erkannte er, haben auch ihr Gutes. Ihr Motiv ist das Weiterwollen.
Immer weiter: Bis in den Herbst hinein wird sich das Stadtmuseum Judenburg ab Ende August 2015 der Kunst des Zeltwegers im Rahmen einer großen Personale widmen. Isak bereitet sie auf als bildhafte Dialektik, Neues und Altes sollen ineinandergreifen. Das Alte sind in diesem Fall Arbeiten, die er vor knapp 40 Jahren für die Grazer Kulturzeitschrift Sterz gefertigt hat: „Flucht", „Einbruch der Dämmerung" etwa. Oder „Querfeldein", „Fluss der bedingten Abhängigkeit". Schwergewichtige Themen, die mit jüngeren Werken künstlerisch verschmelzen. Im Zusammenwirken erhält die Schönheit alles Vergänglichen ihre Veredelung.
Martin Macho
Stand: Juni 2015