Freier Klang//Körper
Das Zirkulieren in Systemen und Gesellschaften als Frau mit Kontrabass kennt Margarethe Maierhofer-Lischka sehr gut. Zwischen Universität, Neuer-Musik-Betrieb, Ensemblearbeit und Männerdomänen bewegt sie sich behände und sehr musikalisch, denn den Bass zu spielen ist vor allem eines: ein körperlicher Tanz und fortwährendes Ausloten der eigenen Grenzen. Dass sie dabei Humor und Ernsthaftigkeit vereint und ihren Bass singen lässt, zeigt, wie leicht sie dabei ihren eigenen Weg verfolgt.
Nach Studien in Dresden und Rostock erreichte Margarethe Maierhofer-Lischka
ihr erstes Berufsziel „Orchestermusikerin". Das Abarbeiten vorgegebener Partituren, welches im Orchesterkontext wenig Individualität zulässt, ließ sie jedoch bald nach Alternativen greifen, und so erwachte ihr Interesse an Neuer Musik und insbesondere an der Improvisation.
Vieles, was sie tut, leitet sich vom Überschreiten der eigenen Grenzen ab. Maierhofer-Lischka musste von Anfang an nach eigenen Lösungen suchen - als nicht gerade großgewachsene Frau an einem mächtigen Instrument forderte allein die Physis schon Umsetzungskreativität und eine gewisse Portion feministisches Selbstbewusstsein ein. Dem Gefühl des Beschränktwerdens und des Normierten entkam sie in der Neuen Musik, wo andere Spieltechniken und Klänge erlaubt und erwünscht sind und sie ihrer eigenen Intuition folgen kann. Sie denkt nicht technisch oder in abstrakten musikalischen Gebilden, die Musik gebiert sich oft aus der körperlichen Notwendigkeit des Bassspielens heraus - aus emotional oder rituell belegten Bewegungsideen oder klanglichen Eindrücken. Die Suche nach neuen Klängen und der Glaube, dass jedes Hindernis überwunden werden könne, werden dann zu Stärken und verleihen der Musikerin eine Präsenz und Ausdrucksstärke, die Noten zum Leben erweckt und das Publikum in seinen Bann zieht.
Fürs Masterstudium nach Graz
Im Jahr 2010 kam die geborene Regensburgerin nach Österreich, um beim Bassisten Uli Fussenegger zeitgenössische Musik an der Kunstuniversität Graz zu studieren. Das vom Klangforum Wien betreute Masterstudium „Performance Practice in Contemporary Music" generiert einen kreativen Pool an Musikern in Graz und machte es der Bassistin leicht, hier künstlerisch heimisch zu werden und eigene Ideen zu entwickeln. Das geschah spätestens nach Abschluss des Studiums, nachdem sie alle Noten auf die Seite legte, um ihren eigenen Sound zu suchen. Seitdem hat sie ein Ensemble, Schallfeld, mitbegründet, agiert als Soloperformerin, hält Vorträge, wirkt in Musiktheaterprojekten mit und lötet manchmal selbst an elektronischen Klangerzeugern.
Seit 2014 arbeitet sie an der Kunstuniversität an ihrer Dissertation im Rahmen einer Stelle als Universitätsassistentin. Ihre Aufgaben sind hier (theoretische) Forschung und Lehre, ihr Arbeitsschwerpunkt das Thema „Wahrnehmung im zeitgenössischen Musiktheater". Die universitäre Tätigkeit bildet für sie einen starken, aber fruchtbaren Gegenpol zur freien künstlerischen Arbeit. „Der Blick von innen sowie von außen auf Systeme ist sehr wichtig, um sie zu verstehen, um sie kreativ ‚umzunutzen‘ und ihr maximales Potential auszuschöpfen".
Ensemble-Arbeiterin
Ihr Blick richtet sich oft und gerne in die Gruppe: Motivation für das Musizieren ist die Zusammenarbeit mit anderen Menschen, welche die Kreativität und das Vermögen des Einzelnen übersteigt. Die Kollaboration mit Komponistinnen und Performern ist daher nur konsequent: Fühlt sie sich und den Kontrabass nicht als Klangerzeuger „missbraucht", sondern als Gesamtheit wahrgenommen, kann sie der Musik ihre Stimme verleihen. Hierarchien steht die meist am unteren Ende des tonalen Spektrums Agierende sowieso recht skeptisch gegenüber. Daher fühlt sie sich in solistischen Ensembles wohl, wo das Maß an Mitspracherecht und klanglicher Autonomie gut ausgeprägt ist.
In der Grazer Improvisations-Szene ist Maierhofer-Lischka seit ein paar Jahren gut integriert. Sie spielt im dirigierten Styrian Improvisers Orchestra und mischt sich unbeschwert in die Freejazz-Szene. Seit zwei Jahren beschäftigt sie sich auch mit Elektrischem Bass. „Hacken, Basteln und mit Elektronik experimentieren" ist ihr Hobby, welches sie aber auch am liebsten performativ auf der Bühne auslebt, statt nur „Knöpfe zu drücken". Im Duoprojekt „voices of no(i)sense" (mit Flora Könemann, Berlin) verfolgt sie seit zwei Jahren diese Facette und ist damit auch ab und zu in Graz zu hören. Als Ausgleich zur Teamarbeit sorgt das Arbeiten an Solostücken für Balance, wo sie zur Ruhe finden und individuelle Vorlieben ausleben kann. Ihr momentaner Favorit: Iannis Xenakis' „Theraps".
Schallfeld
Seit 2013 gibt es das von Margarethe Maierhofer-Lischka mitgegründete Solistenensemble und Musikerkollektiv als Verein, welcher seit 2014 eine im ein- bis anderthalbmonatlichen Rhythmus stattfindende Konzertreihe veranstaltet. Diversität wird großgeschrieben, und so sind neben traditionellen Kammerkonzerten auch Musik für Kinder, Musiktheater, Radiohörspiele, Elektronik und Performances Teil der Aktivitäten von Schallfeld.
Innerhalb seines kurzen Bestehens machte sich Schallfeld als Ensemble und Veranstaltungsplattform einen guten Namen und ist ein vitales Lebenszeichen der Neuen Musik in Österreich. Seine rund zwölf Mitglieder sind junge, engagierte, bestens ausgebildete Musikerinnen und Musiker, die auf hohem Niveau musizieren. Sie entwerfen die Zukunft einer Musik, welche Fragen stellt und Mut zum visionären Blick beweist. Die Arbeit als Vereinsvorstand im demokratisch geführten Ensemble sei nicht immer leicht, gibt Margarethe Maierhofer-Lischka gerne zu. Jedoch sei es für sie eine große Bereicherung, als Kuratorin und Veranstalterin zu wirken, selbst Verantwortung zu übernehmen und in der Kulturszene etwas verändern zu können.
Soloprogramm in Arbeit, CD im Blick
Momentan arbeitet sie an einem eigenen Soloprogramm, aus dem in Zukunft auch eine CD mit Solostücken sowie Improvisationen entstehen soll. Performances und Konzerte mit dem Ensemble Schallfeld im In- und Ausland stehen natürlich auch weiterhin am Programm. Ihr großes Ziel: auch nach der Dissertation an der Uni langfristig den Spagat zwischen Forschung und Kunst zu schaffen - auch wenn das heißt, Wege zu gehen, die neue Lösungen erfordern.
http://bassomobile.wordpress.com
http://www.schallfeldensemble.com
denovaire
Stand: Mai 2015