Bühnen mit Gestaltungsspielraum

Die Bühnenbildnerin Lisa Horvath formt für das Theater spielerische Räume, die das Geschehen auf der Bühne auch inhaltlich mitbestimmen.

portrait
portrait © Lisa Horvath

Die Begeisterung fürs Zeichnen und Malen war schon seit Kindesbeinen an da - noch in der Schulzeit hat Lisa Horvath ein Jahr lang die  Akademie für angewandte Photographie in Graz besucht, um sich dem Künstlerischen in ihrem Leben zu nähern. Zu dieser Zeit reifte in ihr eine Vorstellung davon heran, dass ihr berufliches Leben einmal im Bereich der Kunst angesiedelt sein soll. Eines war Horvath von Anfang an klar: Sie will sich nicht auf eine Disziplin festlegen, sie möchte Handlungs- und Gestaltungsspielraum haben. Die Aufnahme für das Studium der Kostüm- und Bühnengestaltung an der Grazer Kunstuniversität bezeichnet die 25-Jährige als „großen Zufall": Bis dahin hatte sie kaum Zugang zur Theaterwelt, aber für sie war „die Vorstellung sehr reizvoll, mit Musikerinnen, Schauspielern etc. zusammenarbeiten zu können; ebenso die Möglichkeit, unterschiedlichste Ausdrucksformen einsetzen zu können."

Die Unterwelt und die Innenwelt
Im Studium hat Horvath die Bühne lieben gelernt und gesehen, „wie cool die Theaterwelt ist". In dieser Zeit hat sie sowohl ihre eigenen künstlerischen Vorstellungen entwickelt als auch die Verwirklichung von eigenen Projekten, eigenen Konzepten und im Grunde eigenen Theaterstücken vorangetrieben. Auslöser für ihr offensives Herangehen war die häufig passive Rolle von Bühnenbildnern im Theaterbetrieb und die oft eingeschränkten Möglichkeiten, eigene Konzepte zu entwickeln. Bereits mit ihrer Diplomarbeit bewies die junge Künstlerin ihre Tiefgründigkeit, Genauigkeit, Vielseitigkeit, ihr Durchhaltevermögen und ihre Durchsetzungskraft: Unter dem Titel „Orpheus und Eurydike" inszenierte Horvath eine von ihr entwickelte Geschichte über das Suchen und Finden, über Distanz und Nähe und über die Unterwelt und die Innenwelt. Neun KünstlerInnen waren an dem Projekt beteiligt, Klaus Seewald vom Grazer  „Theater Feuerblau" führte Regie. Horvath gestaltete Bühne und Kostüme und steuerte die gesamte Produktion. Die Bühne bestand aus drei ineinander verschachtelten Würfeln, die als Tanzfläche, Bühne, Projektionsfläche Raum- und Szenenteiler gleichberechtigte Gestaltungselemente darstellten, mit denen die Menschen auf der Bühne agierten. „Für mich war der Raum zuerst da, dann erst die Geschichte", erinnert sich Horvath. Im Zentrum der konzeptuellen Entwicklung des Stückes stand die Frage: „Wie können Bühne und Geschichte ineinander finden?" Uraufgeführt wurde „Orpheus und Eurydike" im März 2013 im Theater am Lend in Graz. „Das erstaunlichste an diesem Abend ist die gleichberechtigte Präsenz der Künste, das stimmige Ineinandergreifen der Liebes- und Totentänze, der dreifaltigen Musik aus Improvisation, im Tanz generierten Sounds und Toneinspielungen - und der Bühnenskulptur", schrieb der Theaterkritiker Hermann Götz damals im „Falter".

Das Bild im Kopf
Zuerst entsteht für sie das Bild im Kopf, dann erst folgt der intellektuelle Zugang zu den Themen und der Relevanz, die dahinter steckt, erzählt Horvath über ihre Konzeptentwicklung. Die Handlung sei demnach für sie oft erst der zweite Schritt nach dem Bühnenraum. Auch ihre zweite Uraufführung „Ein Sommernachtstraum - Eine Dekonstruktion", die im Rahmen des Festivals „Theaterland Steiermark" 2014 in Oberzeiring präsentiert wurde, entwickelte Horvath aus ihrem künstlerischen Verständnis eines Raumes heraus, der gestaltet werden will, und durch den eine Geschichte erzählt werden kann. Es sind visuelle Eindrücke - aus der Architektur oder Natur - oder Bilder einer Ausstellung oder im Internet, die auf Horvath so stark wirken, dass sie ihre Vorstellungswelt inspirieren und neue Ideen auslösen. Der Mechanismus eines Raumes - die Bühneninstallation - wird für die Bühnenbildnerin zu einem dramaturgischen Element. Ein „klassisches" Bühnenbild zu gestalten, ist ihr zu wenig. Horvath, die erst im Laufe ihres Studium einen Zugang zum klassischen Theater gefunden hat, sieht sie gerade hier den Bruch zwischen konventionellen Inszenierungen - die interpretatorisch zwar aktuelle Bezüge herstellen wollen - und einem „neuen" Theater, das über innovative, offene Bühnen einen neuen Blick auf die Erzählweisen des Theaters weckt. An einer Produktion eines Theaterhauses mitwirken zu können, hat für sie aber den Vorteil, dass man sich in der Arbeit auf das Künstlerische konzentrieren kann und sich nicht um das Organisatorische kümmern muss. 2014 hat sie Bühne und Kostüme für Josef Maria Krasanovskys Inszenierung von Mark Haddons Stück „Supergute Tage" im Grazer  Next Liberty gestaltet.

Nächste Projekte
Auch 2015 wird für die Bühnenbildnerin ein arbeitsreiches Jahr: Im Juni findet ein Butoh-Tanz-Projekt der Steirischen Kulturinitiative auf die Studiobühne der Grazer Oper statt. Und unter dem Arbeitstitel „Schatten" arbeitet Horvath an einem Bühnenbild für das Theater Feuerblau in Koproduktion mit der Queen Mary University in London. Für 2016 ist dann wieder eine Horvath-Eigenproduktion angedacht. „Ich brauche ein wenig Abstand zu den Produktionen und als Ein-Frau-Unternehmen eine große Vorlaufzeit, um was Neues produzieren zu können." Horvath hat sich entschieden, die Kunst zu ihrem Hauptberuf zu machen, auch wenn es finanziell am Anfang nicht leicht ist. Sie hofft, dass viele Leute ihre Produktionen sehen und dass dadurch neue Blickwinkel entstehen, die neue Sichtweisen auf unsere Welt freigeben. Und auch dass sich daraus für sie immer wieder neue Aufträge und Produktionen ergeben.

 http://www.lisahorvath.at/

Petra Sieder-Grabner
Stand: März 2015

 

modellbauen
modellbauen© Lisa Horvath
orpheus&eurydike_1
orpheus&eurydike_1© Jokesch
orpheus&eurydike_3
orpheus&eurydike_3© Jokesch
orpheus&eurydike_4
orpheus&eurydike_4© Jokesch
sommernachtstraum_1
sommernachtstraum_1© Jokesch
sommernachtstraum_2
sommernachtstraum_2© Jokesch
sommernachtstraum_3
sommernachtstraum_3© Jokesch
ohne Titel
ohne Titel© Lupi Spuma_ Next Liberty
ohne Titel
ohne Titel© Lupi Spuma_ Next Liberty