„Ich betrüge die Architektur mit der Fotografie“
Martin Grabner dokumentiert Räume, Menschen und ihre Spuren.
Martin Grabners Beziehung zur Fotografie ist vielschichtig. Bereits als Kind in den 1980er Jahren experimentierte er mit der alten Pentax Spiegelreflex-Kamera seines Vaters. Während des Architekturstudiums erhielt diese Leidenschaft neue Nahrung und schließlich absolvierte er das damals neu gegründete Abendkolleg für Fineart Photography and Multimedia Art an der Grazer Ortweinschule. Heute arbeitet er sowohl als Fotograf als auch auf der TU Graz als Universitäts-Assistent. „Ich sage eigentlich schon seit Jahren: Ich bin mit der Architektur verheiratet und betrüge sie mit der Fotografie - oder auch umgekehrt", kommentiert Grabner seinen beruflichen Alltag. Zwischen 2007 und 2012 war er Teil des Künstlerkollektivs maiö, 2014 erhielt Martin Grabner schließlich den Foto-Förderpreis der Stadt Graz.
Auffallend an seinen Bildern sind nicht nur der starke Bezug zu Häusern und urbanen Räumen, sondern auch das Faible für verwaiste Landschaften und der in der Regel ausgesprochen zurückhaltende Umgang mit Menschen. Die Formate seiner Bilder wählt Grabner sehr gezielt, derzeit etwa verwendet er besonders gerne die Maße 5 x 7. Auch die Titel seiner Serien sind kunstvoll gewählt („Stolz und Vorurteil", „Von Orten und Nicht-Orten"), wobei im Normalfall dann doch zuerst das Bild kommt und dann erst die Klammer über den Namen der Serie hergestellt wird.
Das Bild im öffentlichen Raum
Grabner ist in der glücklichen Situation, viel reisen zu können. So war etwa zuletzt das Tote Meer ein in mehrfacher Hinsicht spannender Schauplatz für den Fotografen: „Mit dem Zurückgehende des Meeres hat man eine ökologische Komponente, der Kampf um das Wasser hat eine politische Dimension, die Geschichte der Gebäude, die menschlichen Spuren sind zusätzliche Aspekte", sagt der Fotograf. Die Orte müssen freilich nicht immer unbelebt sein, auch Städte wie Chicago oder Tel Aviv findet der Grazer faszinierend. Das Bild im öffentlichen Raum, etwa auch großformatige Werbung, ist ein weiteres Interessensgebiet von Grabner, das sich womöglich bis zum Dissertationsthema ausweiten könnte. Das Experiment der Stadt Sao Paulo etwa, Werbung aus dem Stadtgebiet zu verbannen, findet er in diesem Zusammenhang besonders spannend.
Die Aufnahmen, die meist mit einer digitalen Spiegelreflex-Kamera gemacht werden, bearbeitet Grabner geringfügig am Computer nach, wobei es sich nicht um Retusche handelt, sondern lediglich um partielle Optimierung etwa mit einem Weißabgleich. Diese Arbeitsweise macht den Einsatz von Fotos, die rasch mit dem Mobiltelefon entstehen und dann gleich in die „sozialen" Netze wandern, so gut wie unmöglich, auch wenn Martin Grabner zu Testzwecken einen Instagram-Account eröffnete.
Spuren, die Menschen hinterlassen
Sucht man nach Vorbildern, stößt man in der Arbeit von Martin Grabner unweigerlich auf die Becher-Schule, er nennt aber interessanterweise auch Bettina Rheims als Inspirationsquelle. Anders als in den oft sehr provokanten Werken der Französin steht aber bei Grabner der Mensch selten im Mittelpunkt des Fotos, sondern huscht höchstens schemenhaft durch die Szene. „Es geht mir nicht um die Abwesenheit von Menschen, sondern um die Spuren, die sie hinterlassen. In neueren Serien wie ‚Napolitaner' oder bei Aufnahmen aus Tel Aviv und Jerusalem sind die Personen sogar deutlich zu erkennen, um Aspekte wie Machotum oder Religion zu verhandeln."
In Graz fasziniert Martin Grabner zur Zeit besonders das Areal der künftigen „Smart City" in Eggenberg. „Für mich sind diese Brachflächen wunderbar. Auch aus Sicht des Architekten, der viel Potenzial sieht, solange noch nichts Fertiges dasteht. Die meisten Leute würden meine Bilder von dort wahrscheinlich als negatives ‚Vorher'-Foto verwenden, für mich hingegen ist diese Leere eigentlich das Schöne daran."
www.martingrabner.com
Wolfgang Kühnelt
Stand: März 2015
Aktuelle Projekte
In der Kunsthalle Graz (Conrad-von-Hötzendorf-Straße 42a) sind nach einer Idee von Wenzel Mracek ab 19. März 2015 Fotos von Martin Grabner zu sehen, die nach einer Woche mit Arbeiten von Roswitha Weingrill konfrontiert werden. Die Ausstellung „Part of the game" zeigt des Weiteren dann bis Ende April Werke von Michael Fanta, Alfred Resch und Renate Krammer. Weitere Infos: https://kunsthallegraz.at/
Das nächste größere Projekt von Grabner ist ein Film, der in Kooperation mit den Filmemachern von Evil Frog in Tel Aviv entstehen wird und alternative kollektive Nutzungen des Stadtraums thematisieren wird. Die Dreharbeiten sind für den Sommer 2015 geplant.