Mehr Ideen, als eine Band verträgt
Dem Musiker, Komponist und Kurator Robert Lepenik geht die künstlerische Weiterentwicklung über alles.
„Was mich interessiert sind Entwicklungen, das Morphen und Verschmelzen von Zugängen und Arbeitsweisen." Entwicklung: das Schlüsselwort, der rote Faden im künstlerischen Schaffen des Robert Lepenik. Der versatile Musiker, Komponist und Kurator verschiedener Filmreihen zählt ohne Zweifel zu den umtriebigsten zeitgenössischen Künstlern Österreichs; so lang wie abwechslungsreich ist seine Liste von Referenzen, Kooperationen und Veröffentlichungen. „Mehr Ideen als eine Band verträgt" lautet das selbsgewählte Leitmotiv, sei es nun mit der damals (in den 90ern) bahnbrechenden und stets relevanten Rockformation Fetish69, als Mitglied der Künstlergruppe TONTO, der frankophilen Soundtrack-Kapelle Melville, seinen zahllosen, mitunter prämierten Arbeiten für den Theaterbereich oder aktuellen Bandprojekten wie beispielsweise The Striggles und The Gitarren der Liebe. Formelle Konventionen und methodische Geradlinigkeit waren für den Klangkünstler Zeit seines Lebens eine Provokation. Mit extremer Entschlossenheit zielgerichtet ebendiese Grenzen zu überschreiten, Klischees bewusst zu erfüllen, mit ihnen zu brechen oder auf gekonnt subtile Art und Weise augenzwinkernd auf sie zu referieren, sind gleichzeitig persönliches Anliegen, Antrieb und rekurrentes Stilmittel im Lepenik‘schen Schaffenskosmos.
Sanfte Ruhelosigkeit
Auf das Studium der klassischen Gitarre bei Heinz Irmler an der Musikhochschule Graz (jetzt Kunstuniversität) folgte eine Zeit zahlloser Sessions, in denen Lepenik eine spezielle Begeisterung für elektronische und improvisierte Musik entwickelte, deren komplementäre Dramaturgien und Spannungsbögen ihn bis heute faszinieren. Wichtigste Bezugsquelle im kreativen Prozess ist neben dem menschlichen Umfeld die eigene schöpferische Vergangenheit. Aus der Auseinandersetzung mit eigenem Output, steter Selbstbeobachtung und der Betrachtung der persönlichen Entwicklung generiert der Künstler immer wieder das nötige Selbstbewusstsein, das ihn in seiner eigenen Art einer wohlwollenden, sanften Ruhelosigkeit befeuert. Das Ziel sei, guten Gewissens weitervermitteln zu können, was man gemacht hat; im Reinen zu sein mit dem eigenen Schaffen. Dasselbe gilt auch für den Instrumentalunterricht an der Gitarre, der dem Musiker gemeinsam mit zahlreichen Kompositionsaufträgen für das Theater als zusätzliches finanzielles Standbein dient. Ähnlich wie in seinen anderen Arbeitsbereichen gilt auch hier Prämisse der De-Konventionalisierung, die sich in diesem Kontext hauptsächlich in dem Versuch niederschlägt, konservative Konzepte, wie das klassische Verhältnis der Positionen von Lehrer und Schüler, zu hinterfragen und zu dekonstruieren, um eine Kommunikation auf Augenhöhe zu ermöglichen - frei nach dem Motto: Der Lehrer lernt von und mit seinen Schülern. „Überhaupt ist Unterrichten nicht wichtig, Menschen sind wichtig." Wenn denn schon ein Wert im Unterricht bestünde, so läge dieser in der Darbietung eines Angebots von Möglichkeiten zur Selbstbestimmung. Die pädagogische und didaktische Botschaft lautet: „Erforsche und erspüre die Dinge für dich selbst und triff deine eigenen Entscheidungen!"
Unabhängigkeit bewahren
Seiner eigenen Philosophie folgend, genießt der in Graz lebende musikalische Generalist sein unberechenbares Dasein als freier Musikschaffender und strebt danach, die Unabhängigkeit zu bewahren, „nicht alles wahrnehmen zu müssen, was daherkommt", um sich auch in weiterer Folge mit Dingen zu beschäftigen, die „nicht wirklich viel abwerfen, aber sehr wichtig sind für das Seelenheil."
Veröffentlichungen auf God Records
Bereits besagte identitätsstiftende Experimentierfreudigkeit zeigt sich ebenso in seinen aktuellen Bands The Striggles und The Gitarren der Liebe. Erstere sprengen trotz althergebrachter Instrumentierung (zwei Gitarren, Bass, Schlagzeug) ständig aufs Neue sehr gezielt das enge Korsett der Rockmusik. Letztere, benannt nach Werner Jacobs westdeutschem Musikfilm der Fünfzigerjahre (in der Hauptrolle: Vico Torriani), zelebrieren mit ihrer frechen Fusion aus italienischer Postkartenkitsch-Schlager-Ästhetik und Avant-Pop/Rock zeitlose Nostalgie. Doch ist es gerade die Prägnanz und Kompromisslosigkeit außerhalb des Bandkontextes, welche Robert Lepenik als äußerst innovativen Musikschaffenden auszeichnet. Zu den Veröffentlichungen unter eigenem Namen zählt unter anderem die Doppel-Vinyl-LP Postepeno, ein mikrotonaler Monolith aus Klavier und Sinustönen, basierend auf der Kunst der schizophrenen Patientin „ST" der Privatanstalt Wien Oberdöbling. Lepeniks aktuelle Solo-Veröffentlichung ...on what there is... ist eine Kooperation mit dem elektroakustischen Kammermusiker Michael Anacker alias Kallabris. Beide Tonträger erschienen bei God Records, dem Label des Komponisten und The Striggles-Schlagzeugers Slobodan Kajkut.
Viel Theatermusik
Neben seinen eigenen Produktionen schreibt Robert Lepenik zur Zeit viel Theatermusik für etwa das TaO!, Follow the Rabbit, 2. Liga für Kunst und Kultur oder das Vorarlberger Landestheater. Des weiteren kuratiert er diverse, hervorragend bestückte Filmabende und publiziert für das Rockarchiv Steiermark.
Im Internet: robert.lepenik.at
Patrick Wurzwallner
Stand: November 2014