Metall, Holz und Menschenhände …
... seien (fast) alles, was es zu guter Musik brauche ... und für eine substantielle Auseinandersetzung mit Klang und eben dem, was diesen lebendig macht: der Mensch, der ihn erzeugt.
Im Spannungsfeld zwischen komplexen Kommunikationsketten der Komposition (von Komponistin über Interpreten und Dirigentin zu Rezipienten) und dem Unmittelbaren des Studioproducing und der Improvisation (fertig erstellten elektronischen Tape-Stücken sowie live performtem improvisiertem Sound) bewegt sich die Künstlerin Katharina Klement.
Man hat wenig Handhabe im Fluss des Menschseins und der darin geschehenden Transformation von Klang; es ist ein Kontrollverlust in der doch sehr dem Kontrollierten zugewandten Kultur der modernen Musik, meint die Improvisatorin. Um sich dieser Thematik zu entziehen oder hinzugeben, arbeitet die Pianistin und Komponistin sehr bewusst mit Formen von Improvisation und fixierten Spielanweisungen, improvisiert selbst, lässt sich durch das freie Spiel inspirieren und portiert Methoden daraus in Partituren und eigenes Spiel.
Katharina Klement wurde in Graz geboren und studierte zunächst am Grazer Konservatorium Klavier und Blockflöte. Zweiteres gilt vielen als Kinderinstrument, aber die Flöte sollte mitbestimmend für Klements künstlerischen Weg werden. Nach dem Schritt nach Wien wurde bald klar, dass eine Karriere als Klavierinterpretin das Experimentieren mit Klang und Musik in den Hintergrund drängen würde, und so tauchte Katharina Klement ganz in das Komponieren ein. Inspiriert durch den in Wien lehrenden Dieter Kaufmann begann das freudvolle Spiel mit elektronischen Klangerzeugern.
Das Unmittelbare, das „What you hear is what you get", faszinierte von Beginn an. Dem Dickicht und den Unwägbarkeiten der oben erwähnten Interpretationskette enthoben, entwickelte sich neben dem Klavier und der Komposition der dritte Eckpfeiler der Passion des Klangsuchens: die Elektronik; und diese mündete 2006 in einen Lehrauftrag am Lehrgang „Computermusik und elektronische Medien" an der Universität für Musik und darstellenden Kunst Wien. Klement fordert einen eigenständigen Charakter der Elektronik, eine „Wand" oder Reibefläche, die ihr ein rein hinterherhinkendes granulares Echo akustischer Instrumente weniger bieten könne, als es Oszillatoren, bearbeitete Samples oder „physical modeling" tun. Außerdem sieht sie die Klangtransformation durch digitale Medien als zukunftsträchtig an: Ein Bereich, von dem noch einiges zu erwarten sein dürfte.
Eine der klassischen Disziplinen des Komponierhandwerks - der Kontrapunkt: in der Renaissance entwickelt, von Bach perfektioniert und von Schönberg ins 20. Jahrhundert transferiert - wurde für Klement ein formaler Wegweiser. Das Schichten von horizontal eigenständigen Klängen und das Austarieren der „Vertikalen", d. h. dessen, was gleichzeitig klingt, beansprucht kontrapunktische Genauigkeit und stellt auch dementsprechende Werkzeuge zur Verfügung. Dabei steht das Geräuschhafte bei der Komponistin freilich völlig emanzipiert neben den Tönen; man hat den Eindruck, es finde hier kein „Kampf" statt, kein Verdrängen des einen durch das andere, kein Ringen um Vorherrschaft. Sanft umranken sich mikrobewegte feine Linien in fast fraktaler bzw. selbstähnlicher Fasson - manchmal ganz natürlichen Klanges, dann mit Elektronik gemischt oder manipuliert - und erzeugen eine fortwährende Geschäftigkeit in einem romantischer Dramatik fernen, sehr ätherischen Klangbild steter Aufladung.
Die Manipulation akustischer Instrumente mit als „objects" bezeichneten Gebrauchsgegenständen verschiebt die Klanglichkeit dieser subtil oder verzerrt fratzenhaft. Die erzeugten Klänge wirken auch hier unaufdringlich und doch existentiell, strahlen eine Ruhe und in (Neuer Musik manchmal versteckte) Sanftmütigkeit aus. Die mentale Ausgewogenheit und Balance hier in die Domäne des „Weiblichen" zu verschieben, greift eindeutig daneben: Man hat es mit einer reifen, reflektierten und in der Imagination klar prononcierten Künstlerin zu tun, die fein ziselierte Klanggemälde in unsere Köpfe malt. Katharina Klement wurde mit zahlreichen Preisen und Stipendien ausgezeichnet, lebt und arbeitet derzeit in Wien.
Neben ihrer kompositorischen Tätigkeit spielt sie selbst aktiv Klavier, Elektronik und Zither, u. a. in den Projekten subshrubs, deepseafish und éclair.
denovaire
Stand: November 2014