Kunst-Pop aus der Steiermark
Die Band Polkov hat an der Nahtstelle zwischen Melodie und Melancholie ihr Debütalbum veröffentlicht.
Sie sind von hier und klingen wie die weite Welt: Im musikalischen Kostüm wohlklingender Folkpop-, Indierock- und Spacecountry-Klänge entfacht die Musik der steirischen Band Polkov jene Magie, die in der vordergründigen Einfachheit dieser eingängigen Popsongs liegt. Die kontinuierliche Entwicklung zu einer Band war 2012 anlässlich eines Auftritts bei der alljährlichen Werkschau der steirischen Popmusik, dem Styrian-Stylez-Festival, abgeschlossen. Ab da firmierte man unter der Obhut von Mastermind Laurenz Jandl als Sextett, das es sich zur Aufgabe machte, Popmusik zu kreieren, die Kommerz und Anspruch, Unschuld und Intellekt, Emotion und Verstand auf das Harmonischste miteinander zu verknüpfen versteht. Polkov sind: Laurenz Jandl (Vocals, Guitars), Florentina Finder (Vocals), Jürgen Schmidt (Bass), Paul Pfleger (Vocals, Keyboards), Günther Paulitsch (Drums) und Alex Hackl (Guitars).
Dass man sich bei so einem Vorhaben - der Suche nach dem perfekten Popsong mit angedachter Welteroberung im Anschluss - nur an den Besten ihrer jeweiligen Zunft orientiert, überrascht dann nicht mehr. So werden Ryan Adams, Ed Harcourt, Richard Ashcroft (The Verve), Wilco, Girls, Kings of Leon unter anderen als Vorbilder und Einflussgeber genannt, und mit „Gentle Spirit" von Jonathan Wilson hat sich das Sextett auch auf ein Lieblingsalbum einigen können. Auf dem Gebiet des harmoniestiftenden Popsongs an der Nahtstelle zwischen Melodie und Melancholie braucht der sympathische Sechser aus der Steiermark schon jetzt keinen Vergleich scheuen: Man hört in dieser Musik britische Melodieseligkeit neben dezenter Americana-Schwermut, kalifornischen Übermut neben frankophiler Coolness und ist vom Charme der Melodien ebenso hingerissen wie von der simplen Cleverness der Texte.
Ein Androide als Namensgeber
Erkundigt man sich bei Laurenz Jandl nach der Entstehung des Bandnamens, so erhält man eine vordergründig zufriedenstellende Antwort, die einen wenige Stunden später doch ein wenig ratlos zurücklässt. Weil aber Texte über Popmusik und Popbands nicht nur relevant, sondern immer auch ein wenig rätselhaft sein sollen, belassen wir es bei der nicht hinterfragten und durchaus interessanten Erstversion. So basiert nicht nur der legendäre Science-Fiction-Filmklassiker „Blade Runner" von Ridley Scott auf Philip K. Dicks Roman „Do Androids Dream of Electric Sheep?", sondern auch der Bandname der aufstrebenden Band aus der Steiermark. Dass das Ganze von unkonzentrierter Lektüre beziehungsweise schlampiger Namensnennung herrührt - leitet sich der Bandname doch vom Androiden Polokov ab -, ist wieder eine andere Geschichte. Diese Form von Unbekümmertheit gehört wohl zur charakterlichen Grundausstattung des steirischen Sextetts und steht ihnen gut zu Gesicht. Weil die Produktion von Popmusik seine Erzeuger hierzulande nur in Ausnahmefällen ganzjährig ernährt, verdingen sich auch Mitglieder von Polkov zeitweise als Kellner, Hochzeitsmusikanten und Kabelverleger oder Mikrobetreuer für ORF-Moderatoren wie Wolfram Pirchner und Verena Scheitz. „Leben heute" nennt sich das - und so offenbart sich das Popmusik-Machen heute nicht selten als schwieriger Balanceakt zwischen Idealismus, Beharrungsvermögen und harter und konsequenter Arbeit. Gut, wenn da unbekümmerte Lockerheit konstante Wegbegleiter sind, um die perfekte Route auf dem Weg zum ersehnten Ziel zu finden. Oder wie Sänger, Songschreiber und Mastermind Laurenz Jandl meint: „Solange wir zusammen Musik machen, lebt der Traum."
Lieder zum Zuhören
Das Konzept von Polkov klingt simpel und ist doch komplex: Sanfte Melancholie, eingebettet in einen einnehmenden Indiepop-Melodiereigen; einmal perlend leicht, dann wieder unvermutet rockig. In ihren Songs ist die geschmeidige Pedal Steel genauso gut aufgehoben wie die forcierte E-Gitarre, die Mariachi-Trompete wie die Geige oder das Saxofon. Das sind Lieder zum Zuhören, Lieder, wo sich Musik und Sprache stimmig aneinanderschmiegen. Diese Songs bieten ihren Zuhörern eine Schulter zum Anlehnen, einen warmen Sound, in dem man sich geborgen fühlen kann. Auf seinem im Oktober 2014 erschienenen Debütalbum „Polkov" mixt die Band mit fast aufreizender Lässigkeit und sicherem Gespür für stimmige Arrangements charmant-eingängigen Indiepop mit melancholischen Country-Klängen und klug dosierten Folkrock-Rhythmen - eine Mischung, die nicht nur von gutem Geschmack zeugt, sondern hervorragend funktioniert. So wirkt schon das Debütalbum inhaltlich reif wie ein Alterswerk, aber musikalisch gleichzeitig frisch und belebend wie eine Morgendusche. Es gibt sie also noch - diese zeitlos schönen, dezent geheimnisvollen und ausgeklügelt konzipierten Sammlungen von Songs, die das Wort Pop groß schreiben und guten Geschmack mit großem Herz und echter Hingabe verbinden. Wenig überraschend, dass sich der renommierte New Yorker Musiker Jon Graboff - er arbeitete u. a. mit Ryan Adams und Norah Jones zusammen - nach spontaner Facebook-Anfrage sofort bereit erklärte, in seinem New Yorker Studio für sieben Songs des Polkov-Debütalbums die Pedal-Steel-Gitarre einzuspielen.
http://polkov.bandcamp.com/
Heimo Mürzl
Stand: Oktober 2014