Taucher in den Tiefen der Tradition
Der virtuose Gitarrist Peter Taucher spielt den Blues. Aber nicht nur.
Leicht macht es einem der ruhige Gesprächspartner nicht gerade, ihn in die Musikwelt einzuordnen. Ein Vorleben als klassischer Konzertgitarrist und ein Studium zum Jazzgitarristen bei Karl Ratzer, dem Enfant terrible der österreichischen Jazzszene, machen es insofern noch schwieriger, da Peter Taucher heute weder das eine spielt, noch mit dem anderen, seiner Virtuosität, hausieren geht. Und noch dazu Manieren hat.
Eigentlich hätten wir Peter Taucher in unserer Ferndiagnose ja als Jazzmusiker gehandelt, aber nach einer gar nicht so langen Séance im Kaffeehaus steht fest: Der Mann ist Vollblutmusiker mit einem Faible für die Reduktion aufs Wesentliche, aufs Wesentliche der Popularmusik, wenn man so will und dabei wiederum an Jazz, Blues und R&B denkt.
Der an der Grazer Musikhochschule (heute Kunstuniversität) diplomierte Gitarrist hat sich heute längst in die Musik aus den 50-er und 60-er-Jahren vertieft, obwohl nicht zwingend ins Refugium der großen Blue-Note-Ära, also der Hochklassik des Jazz, sondern in die Zeit des Rock ‘n‘ Roll und seiner Nebengeräusche. Vor allem aber interessieren Peter Taucher die „ganz alten Sachen des Genres", jene also, „von wo alles herkommt".
Womit wir endlich beim Blues wären, den Taucher heute mehr denn je spielt. Immerhin gilt das aktuelle Interesse des bescheidenen Herrn mit dem dezent charmanten Akzent seiner oststeirischen Heimat den Ursprüngen seiner Musik. Zwar kommt uns das jetzt irgendwie bekannt vor, doch aus dem Munde eines so versierten Musikers, eines in allen Lagern stilsicheren Gitarristen, eines Virtuosen, dem keine auch noch so verflixten Licks fremd zu sein scheinen, klingt es wie Balsam auf unsere verwöhnten Ohren, wenn er ergänzt, dass er auf einmal einfach spürte, zurückgehen und sich mit den Dingen von der Basis auf beschäftigen zu müssen. Damit aber freilich noch nicht genug für einen integren Musiker, knüpfte er das nicht auch an die künstlerische Frage, wie weit man gehen und wie frei das werden könne. „Mir gefällt´s", ertönt es im zurückhaltenden Ton, „wenn jemand wirklich die Tradition versteht und diese dann aufbrechen kann".
Seine Beschäftigung mit der Tradition war es auch, warum sich das Fusion-Trio mit Christian Wendt (Bass) und Aaron Thier (Drums), besser bekannt als Taucher-Wendt-Thier Trio, nach einigen Jahren mühevoller Arbeit und einer - gleichnamigen - CD (ATS Records) „auseinanderentwickelt" hat. Bei diesem Trio sei mehr das komplexe und virtuose Spiel im Vordergrund gestanden. Aber Taucher wollte sich eben nicht mehr länger an einem zu vordergründigen Charakter orientieren. Jetzt geht's mehr um Soul, um die Seele in der Musik.
Und die Beschäftigung mit der Tradition bereichert ihn auch hörbar auf seinen aktuellen Baustellen. Allen voran freilich die Full Supa Band, sein Zuhause, wo mit Alfred Lang (Trompete), Hansi Rainer (Bass) und Jörg Haberl (Drums) seine besten Freunde zugange sind.
Eine echte Band mit starker Verbundenheit unter ihren Mitgliedern, eine Band, die auch wirklich im Band-Kontext steht und vor Energie sprüht. Das funktioniere im Moment einfach auch am besten von all seinen Gruppen, „eine sehr lustige Band", die nur Musik aus den 50-er und 60-er Jahren und Songs aus der Jukebox spielt, wo´s also auch gehörig in Richtung Rock 'n‘ Roll geht. Dazwischen kann das auch schon einmal hübsch grenzartig und improvisatorisch kokett sein.
Als Jazzmusiker will sich Peter Taucher nicht verstehen, zumindest nicht als „reiner", was auch immer das bedeuten mag. Jedenfalls schade für uns, die wir gerade in dem Ex-Karl-Ratzer-Schüler und Wes-Montgomery-Fan (den er aber nie gespielt hat) schlechthin einen Stilisten in Sachen Jazz sehen wollen, einen, der eben noch dazu diese gewisse Reduktion auf das Wesentliche als sein Credo postuliert, also das Wissen um die Roots bei gleichzeitigem Drang nach Erweiterung oder Durchbrechung der Schemata.
Vor allem jene Musiker, die über einfache Bluesharmonien sehr komplex improvisieren und von der Tonalität weit hinausgehen können, haben es ihm angetan. Wer hat hier was von John Scofield gesagt? „Da gibt's Aufnahmen", schwärmt der 43-jährige Vielhörer, „die einfach ein Wahnsinn sind, wenn er etwa über einfache Blueslinien bis ins Freitonale geht."
Regeln kann man brechen, wenn man sie kann. - Ein Leitsatz im musikalischen Kosmos des gebürtigen Hartbergers. Dem Peter Taucher noch kontrolliert hinzufügt: „Einer, der etwa frei spielen will, aber kein zwölftaktiges Bluesschema spürt, geht sich bei mir nicht aus, und wenn´s in den Jazzbereich hineingeht, kommt er da sowieso nicht herum." Dieses Glaubensbekenntnis hört man auch bei allem, was Peter Taucher spielt, unmissverständlich heraus. Hier weiß einer einfach, was er tut, weil er weiß, woher und wohin.
Peter Tauchers Lieblingsbeschäftigung ist das Üben. Sagt er jedenfalls. Dabei kämen alle Zutaten wie von selbst, sagt er. Und daraus macht er dann allerhand Geschmacksicheres, sagen wir. Im Alltag wechseln sich bei Peter Taucher Phasen des Übens, Übens, Übens und des Spielens mit Phasen des Komponierens ab. So ist es für ihn in seinem neuen Trio Dream of Alps, ein traditionelles Orgeltrio mit Christian Stolz und Gunther Schuller, auch eine willkommene Herausforderung, Stücke selbst zu schreiben. Selbstredend und mit ganz anderen musikalischen Zutaten als früher, also, lassen Sie uns raten, ja, mit einer viel größeren Portion Tradition. Aber stark erweitert mit modernen Sounds. Vielleicht sogar vom Sound her Richtung Scofield?
Auch das Duo Leni und der Astronaut mit der Sängerin Lena Mentschel trägt großteils seine Handschrift, auch wenn das in Richtung Pop und Pop-Fusion mit Jazzeinflüssen geht, wofür Taucher auch extra seine Loop-Station auspackt, eine eher „starre Notlösung", die er sonst nur zweckdienlicherweise für seine nebenberuflichen Event- und Showauftritte zum Behufe des Broterwerbs einsetzt. In diesem Duo sehen wir ihm das allerdings als systemimmanente Sound-Komponente gerne nach. Klingt auch nicht schlecht, wie wir der CD „Roses and Pain" (ATS Records) entnehmen können.
Und wenn die Full Supa Band schon irgendwie den Superlativ im Namen trägt, was bitte ist dann die Combo Maximum R&B, eine von Tauchers weiteren Baustellen? Nach einer Idee des des Schlagzeugers Klaus Wonisch geht's hier wohl um nomen est omen zum Quadrat.
Wissen Sie was? - Nach all den Worten über die Tradition und den Sound der 50-er und 60-er Jahre in Peter Tauchers Wohnzimmer und in seiner Lieblingsband würden wir ihn jetzt so zwischendurch doch ganz gerne wieder einmal als Jazz-Musiker hören. Bloß zur Erinnerung, weil er so teuflisch gut phrasiert und alles kann. Und wenn´s nur Musik aus der Blue-Note-Ära ist.
Otmar Klammer
Stand: Oktober 2014