Mit der Musik im grünen Bereich
Nach einer musikalischen Entschlackungskur lädt Lena Mentschel auf ihrer dritten CD in ihren jazzigen kleinen Garten ein.
„Detox" (Entschlackung/Entgiftung") hieß das 2011 erschiene Debutalbum der bayrischen Sängerin und Komponistin Lena Mentschel. „I‘m writing songs to detoxify my mind" hieß es damals im Titellied des fetzig-groovigen Albums, das mit seinen Beats durchaus discotauglich war. Drei Jahre und ein weiteres Album - „Leni & der Astronaut" - später stellt sich die in Graz gelandete Bayerin nun als Songwriterin mit authentischer Stimme vor, die mit Swing-Nummern, Balladen und Ohrwürmern zwischen Jazz und Pop zu überzeugen weiß.
Die im Juni 2014 erscheinende, neue CD „In my Little Garden" versammelt elf Eigenkompositionen von Mentschel, die sie in Triest mit bewährten Grazer Musikern der jüngeren Generation aufgenommen hat. Der Sound des vorwiegend auf akustischen Instrumenten eingespielten Albums ist puristisch klar. Michael Lagger (p), Philipp Kopmajer (dr), Valentin Czihak (b) und Christian Neuschmid (g) bereiten Mentschels wandelbarer und dabei sehr natürlich rüberkommenden Stimme die ideale Bühne auf. „Endlich habe ich eine Band gefunden, mit der ich mir vorstellen kann, langfristig zu arbeiten", freut sich die Bayerin, die durch einen Zufall in Graz gelandet ist: Auf einer Reise durch Neuseeland lernte sie einen Grazer kennen. Als sie ihn später in seiner Heimatstadt besuchte, entschloss sie sich kurzfristig, gleich auch die gerade stattfindende Aufnahmeprüfung an der Grazer Musikuni zu machen - und wurde aufgenommen.
Auf der Bühne steht Mentschel, seit sie 15 ist. Dass aus dem Plattenvertrag, den man ihr in jungen Jahren für eine Karriere als deutsche Popsängerin angeboten hatte, doch nichts wurde, betrachtet sie im Nachhinein als Glücksfall. „Die Leute merken sich dein Gesicht. Wenn Christina Stürmer jetzt Lust hätte, ein Jazz-Album aufzunehmen, dann ginge das nicht, weil das Publikum sich etwas anderes von ihr erwartet." - Mit der überproduzierten und glattgebügelten Popmusik, die aktuell den Markt beherrscht, kann Mentschel jedenfalls wenig anfangen.
Das Studium des Jazz-Gesangs war für sie eine harte Schule. „Man könnte sagen, dass ich es als etwas schwierig empfunden habe, mich in einem akademisch standardisierten Lehrsystem zurecht zu finden, und dass erste Selbstzweifel kamen, ob das, was ich mache, ‚gut‘ und ‚sophisticated‘ genug ist", blickt sie zurück. Ein Gespräch mit dem Ausnahme-Bassisten Juan Garcia-Herreros, den sie im Rahmen der Ausbildung kennenlernte, hat ihr schließlich geholfen, das nötige Selbstvertrauen zu entwickeln. "Juan sagte zu mir: It‘s impossible, that everyone's gonna like what you do. But there's a great chance, that some people like it. And that's what you should be going for."
Nach dem Debütalbum „Detox", das sie als „Lena Mentschell" 2011 in Deutschland veröffentlichte, spielte sie 2012 mit dem steirischen Gitarristen Peter Taucher ein bemerkenswertes Duo-Album ein: „Leni & der Astronaut" beinhaltet Kompositionen der beiden, die mit E-Gitarre und Stimme auf ein Minimum optimiert wurden - ein modernes Kammermusikalbum, das musikalisch oft schon in die Richtung weist, in der Mentschel nun mit „In my Little Garden" angekommen ist: feine, eingängige Songs am schmalen Grat zwischen Jazz und Pop. - Oder, um einen Vergleich zu nennen, der durchaus nicht zu hoch gegriffen ist: Nora Jones mit weniger Schmelz und mehr Pepp.
In Mentschels Songs geht es vor allem um Zwischenmenschliches - die Liebe. Und hier vor allem um jene Liebe, die nicht so aufgeht, wie man sich das meistens wünscht. „Ich tu mir sehr leicht, über beendete Liebesgeschichten Songs zu schreiben", gesteht die Sängerin. Ihre Fähigkeit zur Selbstironie und ihr texterisches Talent bewahrt sie nicht nur vor Plattitüden, sondern lässt sie auch reihenweise Bilder, Vergleiche und Reime („You‘re like a tattoo - I can't get rid of you") aus dem Ärmel schütteln, um die sie jeder Hip-Hopper beneiden könnte. Musikalisch spannt sich der Bogen von utopisch argloser Unbeschwertheit in der Titelnummer über die gefühlvolle Pop-Ballade „Glow in the Dark" bis hin zum großen Gefühlskino „F. Sanity", in dem die Stimme der Sängerin Cinemascope-Dimensionen erreicht. Jeder der elf neuen Songs auf „In my Little Garden" erzählt eine eigene Geschichte, und alle der Lieder haben Ohrwurmqualität.
„Man sagt immer, dass sich beim dritten Album das Wesen des Musikers dahinter zeigt", sagt Lena Mentschel. - Wenn dem so ist, dann darf man sich noch auf hoffentlich viele ebenso abwechslungsreiche, stimmige und beglückende Alben der Komponistin und Sängerin freuen.
www.lenamentschel.com
Werner Schandor
Stand: April 2014