Zwischen hier und dort

Mit Filmen wie „Sonnenallee“ oder „Crazy“ brachte es Robert Stadlober zu Ruhm. Heute ist der Schauspieler und Musiker ein vielfältiger Künstler und ständig unterwegs. Schlaglichter auf eine beachtliche Karriere.

Robert Stadlober
Robert Stadlober© Svenja Eckert
Es gibt zwei Dinge, die in einem Porträt von Robert Stadlober stets ihren festen Platz finden müssen. Dabei handelt es sich um retrospektive Feststellungen zu seiner Vita: Um die Jahrtausendwende wurde der heute 31-Jährige mit Filmen wie der unterhaltsamen Ostalgie-Komödie „Sonnenallee" (1999) von Leander Haußmann und vor allem mit dem außergewöhnlichen Coming-of-Age-Drama „Crazy" (2000), der Verfilmung des gleichnamigen Romans von Benjamin Lebert unter der Regie von Hans-Christian Schmid, zu dem Jungstar des deutschen Films. Noch heute wird er als Schauspieler von oberflächlichen Betrachtern am Erfolg dieser Filme gemessen. „'Crazy' war auch tatsächlich ein Ausnahmefilm", meint Stadlober im Gespräch. „Solche Filme sehe ich derzeit im deutschsprachigen Raum eigentlich in der Form nicht - nämlich dass Anspruch und Massenkompatibilität derart gut gepaart wären. Es hat sich in den letzten Jahren eine Art des Filmemachens durchgesetzt, die entweder nur auf Anspruch oder nur auf den Massengeschmack setzt."

Ähnlich wie Miley Cirus oder Justin Bieber, um zwei aktuelle Beispiele heranzuziehen, begann Stadlober, der allerdings in einem linken Milieu sozialisiert wurde, bald darauf gegen das Image des Teenie-Schwarms zu rebellieren. Damit befindet man sich auch schon am zweiten, unvermeidlichen Charakterisierungsgemeinplatz: Der Robert Stadlober dieser Zeit blieb nicht zuletzt auch deshalb so manchen in Erinnerung, weil er mit denkwürdigen öffentlichen Äußerungen für Empörung sorgte. So bezeichnete er etwa seinen Schauspielerkollegen Til Schweiger als „Ausgeburt der Hölle" und den deutschen Staat als „in seinen Strukturen faschistoid". Und er machte sich Feinde, nachdem er als Gast in der Sendung des deutschen Komikers Stefan Raab einfach aufstand und ging. Nach Abhandlung dieser biographischen Trivia darf man sich getrost dem vielfältigen Schaffen des in der Steiermark aufgewachsenen Künstlers zuwenden.

Geboren wurde Stadlober zwar im kärntnerischen Friesach, bis zur Trennung seiner Eltern allerdings - damals war er acht - wächst er im obersteirischen Puchfeld auf. Seine Mutter übersiedelt in der Folge mit ihm nach Berlin, danach gab es viel „Hin und Her", wie er in einem Interview einmal erzählte. Mit 13 Jahren landete er endgültig in der deutschen Hauptstadt, über die Arbeit als Synchronsprecher kam er zum Film. Aber noch heute ist ihm das Haus des Vaters in Puchfeld am ehesten so etwas wie ein Zuhause, selbst wenn er es selten aufsucht. Auch an seinen beiden festen Wohnsitzen in Berlin und Wien verbrachte er letztes Jahr jeweils gerade mal ein Monat. Weil es seine Arbeit erfordert, ständig auf Achse zu sein. Während andere in ihrer E-Mail-Signatur akademische Titel verankern, heißt es bei ihm: „Zwischen hier und dort verfasst!" Bis Mitte Februar steht er noch am Stadttheater Klagenfurt auf der Bühne und bekleidet eine Hauptrolle in „Das goldene Vlies" von Franz Grillparzer. Schon 2011 trat er dort in Bernd Liepold-Mossers Bühnenfassung von Kafkas Romanfragment „Amerika" auf. Eine Inszenierung, zu der die österreichischen Popmelancholiker Naked Lunch die Musik beisteuerten.

Also das Theater: Neben dem Klagenfurter Stadttheater war Stadlober bereits in Häusern wie dem Wiener Burgtheater oder dem Hamburger Schauspielhaus zu sehen. Die Theaterleidenschaft lebt er allerdings nicht nur an prominenten Orten aus. Heuer etwa wird der ehemalige Waldorf-Schüler mit einer gemeinsamen Theaterproduktion mit Thomas Ebermann auf eine Tour durch den deutschsprachigen Raum gehen. Ebermann war Gründungsmitglied der deutschen Grünen, trat in den neunziger Jahren aus und ist heute im Kulturbereich tätig. Anlass des Projekts ist der 50. Geburtstag des Buches „Der eindimensionale Mensch", ein Klassiker von Herbert Marcuse. Mit Kristof Schreuf, ehemals Sänger der Band Kolossale Jugend, und Andreas Spechtl, mit seiner Combo Ja, Panik schon länger erfolgreich, wird Stadlober einen Marcuse-Abend „an der Schnittstelle zwischen Theater und Musik" umsetzen.

Also die Musik: Stadlober hat nicht nur mit dem Wiener Bernhard Kern Mitte der Nullerjahre das Plattenlabel Siluh Records gegründet, sondern er ist auch mit seinem Indie-Pop-Trio Gary schon mehr als ein Jahrzehnt unterwegs und gerade in den letzten Jahren wieder sehr aktiv. Nach den beiden Alben „One Last Hurrah for the Lost Beards of Pompeji" (2010) und „Hey Turtle, Stop Running!" (2012) ist die Band, wie man von Stadlober erfährt, gerade wieder dabei, ein neues Album zu erarbeiten, das eventuell noch diesen Winter erscheinen wird. Und natürlich ist er immer noch - neben seinem Musikerdasein und den Theateraufträgen, den Lesungen, die er zuletzt etwa aus den Werken des Ahnherrn der deutschen Popliteratur Rolf Dieter Brinkmann oder des großen Romanciers Roberto Bolaño gehalten hat, und den Hörbüchern, die er eingesprochen hat - ein fixer Bestandteil der deutschen Filmszene.

Es mag schon stimmen, dass an den enormen Erfolg von „Crazy" nichts mehr herankam. Allerdings nicht ohne Grund. „Wenn manche meinen", erzählt er, „dass der große Erfolg deshalb ausgeblieben ist, weil ich zu deppert war, dann muss ich sagen, dass es durchaus eine bewusste Entscheidung war, sich gewissen Dingen auch zu entziehen. Ich habe mich in der Vergangenheit auch gegen Angebote für große Mainstream-Produktionen entschieden. Um mich auf das zu konzentrieren, was vielleicht ein wenig abseitiger ist."

Also das etwas Abseitigere: Das sind - was die Filmographie betrifft - kleinere, liebenswerte Streifen mit vergleichsweise bescheidenen Budgets oder überhaupt Independent-Produktionen. Etwa das kühne Schlingensief-Projekt „The African Twintowers" (2005), ein Hybrid aus Film und Installation. Oder das Beziehungsdrama „Zarte Parasiten" (2009) von Oliver Schwabe und Christian Becker, dem der „Spiegel" die „schönste Sex-Szene des deutschen Kinos" attestierte. Wenn es nicht die schönste ist, dann zumindest die irritierendste. Nicht nur von der Kritik gelobt, sondern auch mit dem Max-Ophüls-Preis ausgezeichnet wurde „Adams Ende" (2011), das beachtliche Spielfilmdebüt des Steirers Richard Wilhelmer. In dem Genrepastiche steuern vier Mittzwanziger aus der Kreativbranche, darunter Stadlober als Adam, auf eine zwischenmenschliche Katastrophe zu.

Aber er war auch immer wieder in Produktionen des zumindest gehobenen Mainstreams zu sehen: „Verschwende deine Jugend" (2003, R: Benjamin Quabeck) etwa spielte in der New-Wave-Szene der frühen Achtziger, ist allerdings nur rudimentär an den gleichnamigen und erfolgreichen Doku-Roman von Jürgen Teipel angelehnt. „Unter Strom" (2008) von Zoltan Paul ist mitunter zwar richtiggehend bescheuert, bietet aber gerade durch seinen Slapstick im Geiste von Quentin Tarantino beschwingte Unterhaltung. Für den im gleichen Jahr erschienenen „Krabat" stand Stadlober nach dem erfolgreichen „Sommersturm" (2004) ein weiteres Mal für Regisseur Marco Kreuzpaintner vor der Kamera. Die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Otfried Preußler, eines Klassikers der Jugendliteratur, ist trotz einiger Schwächen sehenswert. Gleiches gilt auch für „Der Mann, der über Autos sprang", selbst wenn der Streifen esoterisch etwas verzärtelt ist.

Stadlobers kommende große Produktion ist bereits abgedreht: Unter der Regie von Volker Schlöndorff („Die Blechtrommel") spielt er den Adjutanten des Generals Dietrich von Choltitz, der 1944 Stadtkommandant von Paris war. Das historische Drama verdichtet die Nacht des 24. auf den 25. August selbigen Jahres. Nur eine Kapitulation kann Paris davor bewahren, in Schutt und Asche gelegt zu werden. „Wer Kriegsfilme kennt, der weiß", so Stadlober, „ein Adjutant sagt dann halt oft Sätze wie ‘Jawohl, Herr General!‘ Es war somit schauspielerisch nicht unbedingt die größte Herausforderung meines Lebens, aber eine bereichernde Erfahrung. Ich war fast drei Monate in Paris, durfte öfters mit Herrn Schlöndorff essen gehen und großen Schauspielern beim Arbeiten zusehen." Premiere feiert der Film bei der diesjährigen Berlinale.

 http://robertstadlober.com/

Tiz Schaffer                                                                             Stand: Jänner 2014