Das bildgebende Verfahren (*)
Franz Konrad war auf dem guten Weg ein anerkannter Architekt zu werden, doch seine Gedanken hatten anderes vor. Gerade Linien machen eben einen Bauplan, aber noch lange keine Kunst.
Irgendwann musste damit Schluss sein! „Ich habe alleine eineinhalb Jahre in Mexiko, in Guadalajara, bei Coop Himmelb(l)au als Architekt gearbeitet, und nach insgesamt zehn Jahren hat dieses ewige Hin und Her keinen Sinn mehr ergeben. Ich musste mich für die Kunst entscheiden!", sagt der Maler Franz Konrad mit diesem gewissen Leuchten in seinen Augen. „Es ist ja nicht so, dass du den Auftrag bekommst, eine Kirche zu bauen!" Die Einfältigkeit in der Architekturlandschaft macht ihn rasend. „Warum wird mittlerweile jedes Dorf mit einem Kreisverkehr begonnen und abgeschlossen? Warum hat kein Supermarkt einen Swimmingpool am Dach? Warum muss der Asphalt immer schwarz sein und nie rot? Warum, warum, warum?!" - Und darum Kunst und darum austoben!
Austoben passt zu Franz Konrad, und trotzdem hat ihn die Architektur nie ganz verlassen, zumindest als Antithese ist sie noch vorhanden: „Ich male sehr gerne großformatig, und verliere dabei ganz gerne den Überblick. So sind die Bilder für mich an den Rändern offen und können erweitert werden, gegensätzlich einem abgegrenzten Objekt." Dabei sind seine Bilder wie Pläne zu lesen. Es passiert sehr viel, und der Betrachter ist aufgefordert, sich damit auseinanderzusetzen. Hier wäre zum Beispiel das „Analogmodel von Windows", wo man manuell Fenster im Bild öffnen kann „und man nicht weiß, was hinter dem nächsten Fenster verborgen ist."
Überhaupt setzt sich der Maler sehr gerne mit der Gegenwart auseinander. Ein Bild heißt „Justizpalast" und ist von Ceauşescus Rumänien inspiriert, „dem Goldrausch, der damals nach der Öffnung des Ostens stattgefunden hat." Ein anderes Bild nennt sich wiederum „Baumgartner springt aus der Stratosphäre." Hier werden Gedankenlandschaften entworfen und aufs Papier übersetzt. Aber eben mit viel Spielereien. Seine Bilder dürfen alles! „Auf meinen Bildern ist das zu finden, was im normalen Leben wegrationalisiert wird."
Aber so viel Freiraum Konrad seinen Bildern gibt, so sehr arbeitet er nach System. Am Anfang steht die Gedankenjagd: „Um freie Gedanken einzufangen, muss ich mich in eine Stresssituation begeben, die mich aus der realen Welt wegholt. Ich habe hierfür ein ‚Foltergerät‘ angefertigt. Ich nenne es ‚den Apparat‘: Ein selbst zusammengeschweißtes Metallkonstrukt, auf dem ich manuell eine aufgerollte Leinwand durchlaufen lassen kann, das habe ich dann wie einen Notenständer vor meinem Hometrainer aufgestellt. Mit der körperlichen Verausgabung am Hometrainer kommt dann die Inspiration und die wird zeitgleich auf der abrollbaren Leinwand festgehalten." Kunst am laufenden Band sozusagen. „Aber zuvor müssen eben der Schmerz und die Spannung in mir so groß werden, dass sie die Gedanken, die ich gerade im Kopf habe, wegtun." - „Bildgebendes Verfahren" nennt er diesen Vorgang sehr trocken. Die Assoziation mit Kafkas Apparat in der „Strafkolonie" ist hier durchaus willkommen.
Ähnlich funktioniert auch das selbst konstruierte „Bildschlagzeug". Hier sind wie die Trommeln eines Schlagzeugs vor dem Maler Leinwände aufgebaut, doch anstatt mit Drumsticks werden die Leinwände mit Pinseln bearbeitet, dazu braucht es laute, kräftige Musik! Früher war es Surf Punk, heute sind es Opern. „Später, im Ruhezustand, hole ich mir dann von der Vorlage die Elemente heraus, die ich für wichtig halte, die kommen dann auf das eigentliche Bild." Wenn Konrad diese Vorgänge vorführt, wird eine große Erschöpfung sichtbar, aber auch viel Glück. „Ich bin froh den Weg als Künstler eingeschlagen zu haben, denn alleine die Grundierung eines Bildes ist für mich inspirierender, als in einem Architekturbüro den Polierplan für ein Wohnhaus zu korrigieren."
Kurzbio Franz Konrad
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1973 in Graz geboren; Architekturstudium an der TU Graz sowie an der UNAM (Universidad Nacional Autonoma de Mexico)
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1999 - 2001 Mitarbeit im Büro von Coop Himmelb(l)au in Guadalajara (Mexiko)
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2003 Ausstellung im Studio der Neuen Galerie in Graz; Arbeitsatelier der Stadt Graz
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2010 Ausstellung in der Galerie "Kunst Werden" von Mathias Grilj
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2011 Ausstellungsbeteiligung mit www.Area3.ro in Wien, Cluj und Budapest
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2012 Ausstellung im Kulturverein Villa Weiss
Martin G. Wanko
Stand: November 2013
ARTface UPDATE: Bilder sind Projekte mit methodischem Vorgang
Das Leben des Künstlers und studierten Architekten Franz Konrad ist durchaus mit seinen großformatigen Bildern vergleichbar, die eine Vielzahl von unterschiedlichsten Geschichten erzählen, deren Reihenfolge sich aber erst auf dem zweiten Blick oder später erschließt.
Seit 2015 arbeitet Konrad im Freien Atelierhaus – Schaumbad in Graz. Als „a Traum“ findet er dort die Arbeitsbedingungen und das Zusammentreffen mit anderen KünstlerInnen. Erzählt Konrad KollegInnen dort von einem neuen Projekt, bekommt er oftmals scherzhaft zur Antwort: „Ah, du gehst wieder basteln.“ Klingt das nicht nach einem Projekt vor dem Projekt? Und so ist es:
Bevor er im Schaumbad an seiner aktuellen Arbeit „Wasserfall des Lebens“ (Arbeitstitel), ein mehrteiliges Werk bestehend aus einzelnen bemalten, in ihrer Form natürlich belassenen Holzbrettern, beginnen konnte, baute er zuerst drei Monate lang einen mehrere Meter hohen Holzturm, ein komplexes und stabiles Gerüst, das ihm als Hilfsmittel, Aufhängungsvorrichtung, Staffelei oder Betrachtungsgerät für seine Holzbretter dient.
Dieser Wasserfall ist ein Kunstwerk im Rahmen eines Wohnbauprojektes, eine allegorische Arbeit, in der jedes Bild („von der Weltarchitektur bis zur Brettljausn vom Billa“) für sich eine Geschichte, ein Symbol oder eine Metapher darstellt. Die Holzbretter dafür hat Konrad im Wald gesammelt. Überhaupt interessieren ihn unverarbeitete Stoffe wie Holz, Stein, Leder oder Stahl immer mehr. Deren Natürlichkeit kontrastiert er mit den dargestellten Themen und Motiven – aktuellen gesellschaftlichen High-Tech-Themen, in denen man dem Menschen das ganzheitliche Leben nicht mehr zugesteht.
Für Konrad gibt es keine konkrete Methode, um Themen oder Ideen zu verarbeiten. „Inspiration ist für mich ein Heraussaugen aus allem. Ich bin ein genauer Beobachter, erkenne gern Zusammenhänge in der Gesellschaft und arbeite auch gern mit Klischees“, sagt der 43-jährige Künstler.
Ein Brett – er nennt es „Österreich“ – erzählt vom Entstehungsmythos der rot-weiß-roten Fahne. Als Anspielung auf die Kreuzzüge sind zweier Ritter dargestellt, die, ohne Perspektive einer von oben und der andere von unten, gegeneinander kämpfen.
An seinen großformatigen Arbeiten, die durchaus raumfüllend und größer als drei mal drei Meter ausfallen können, arbeitet er über Monate. In seinen Lagern befinden sich über 20 unfertige Arbeiten, an denen Konrad zum richtigen Zeitpunkt mitunter auch zehn Jahre später wieder weiterarbeitet. Spannend für ihn ist dann das eigene Betrachten und Hineinversetzen in die Zeit, in der er ursprünglich an den Bildern gearbeitet hatte. „Bilder sind Projekte mit methodischem Vorgang“, beschreibt er seine Arbeitsweise, in der er seine Überbleibsel als Architekt erkennt.
In der Arbeit ist er ein disziplinierter Maler mit einem täglichen Arbeitspensum und das Gegenteil eines Verschwenders – mit seinen Materialien geht er sorgsam und nahezu pedantisch um.
Konrad ist ab September 2016 als Artist-in-Europe des Landes Steiermark für drei Monate in Brüssel tätig: „Ich möchte die Welt auf mich einwirken lassen und mit möglichst vielen Leuten möglichst viel Kontakt haben.“ Gleichzeitig bietet ihm dieses Stipendium die Gelegenheit eines temporären Ausbruchs aus den alltäglichen Verstrickungen und Vernetzungen, die sein Leben in Graz ausmachen.
Fragt man ihn nach Zielen, bekommt man zur Antwort, dass er seine Projekte, Ausstellungen etc. gerne zwei Jahre im Voraus fixieren würde. Für heuer ist Konrad zufrieden, denn er hat das Gefühl, dass es künstlerisch aufwärts geht. Eine Galerie in Graz (artepari) und eine Galerie in Wien (Heike Curtze) vermarkten seiner Werke und nehmen ihm damit viel Organisatorisches ab. „Im Prinzip wünsche ich mir, dass es so weitergeht wie bisher. Denn damit ich allein drei Prozent aller Ideen und Vorstellungen für meine Bilder aus meinem Kopf herausbekomme, brauche ich noch weitere 20 Jahre.“
Petra Sieder-Grabner
September 2016