Die Geister der Bikinimädchen
Loslachen und Loslassen erlaubt und empfohlen
In einer seiner jüngsten Ausstellungen erlaubte sich Ronald Kodritsch laut Titel „Urlaub vom Hirn", und auch mit Kritikern, die ihn nicht ganz so ernst nehmen, kann er ganz gut leben: „Mir macht es großen Spaß Themen zu finden, die andere lächerlich finden. Es haben nicht alle einen Zugang zu Humor in der Kunst". Sicher, Titel wie „Schaßvampir", überfahrene Katzen der Serie „Puch-Cobra GT" und haarüberwucherte Bikinizonen mögen für manche auf den ersten Blick „kindisch" erscheinen, diese würden sich ein Lachen in einer Galerie wohl lieber verbeißen, warum auch immer.
Dass der Maler, Zeichner, Objektkünstler und Kurzfilmemacher Ronald Kodritsch seit fast einem Vierteljahrhundert mit großem Ernst bei der Sache ist, beweist seine hohe Werkdichte und die Qualität seiner Arbeit, seine mit künstlerischer Akribie durchexerzierten Serien und seine tiefgründige Betrachtungsweise, mit der er sich neuen Themen intensiv widmet.
Der 1970 gebürtige Leobener war in Graz Schüler bei Gerhard Lojen und studierte bei Gunter Damisch an der Akademie der Bildenden Künste in Wien. Künstlerstipendien führten ihn ans Chelsea College of Art and Design nach London, nach Paris und China, seine Ausstellungen in die Schweiz, nach Deutschland, Kambodscha - und schließlich im März 2013 ins New Yorker Künstlerviertel SoHo in die Volta Show. Hauptsächlich beschäftigt mit der Malerei, durchbrach Kodritsch in der Zeit von 1998 bis 2000 die isolierte Ateliersituation mit Gemeinschaftsaktionen, die von sich reden machten: Mit dem Künstlerkollegen Georg Pruscha eröffnete er das „Büro für Heiligsprechungen". „Wir haben 220 lebende Mitteleuropäer heiliggesprochen", erzählt Kodritsch von dieser Aktion der „Poncho Brothers". Mit bürokratischem Ernst wurden Anwärterinnen und Anwärter vermessen, die durch den Aufruf eines Flugblatts neugierig geworden und im Büro erschienen waren. Durch Kodritsch und Bro. wurden diese mit Brief und Siegel künstlerisch kanonisiert.
Beim Malen versuche er „das Gehirn auszuschalten", erläutert Ronald Kodritsch seine Arbeitsweise, „um mithilfe von Intuition, einem schamanistischen Ritual gleich, in die innere Kunstwelt einzutauchen und mich mit den Malergeistern zu vereinen". Der Entstehungsprozess sei ein intuitives Bekenntnis zu Gefühlen, ein Loslassen. Die angesprochenen Geister kommen nicht von ungefähr: Während eines Aufenthalts in Kambodscha beschäftigte sich Kodritsch intensiv mit den Geistergeschichten, die man sich dort erzählt, der Mythologie, dem Ahnenkult in der Bevölkerung. In seiner Malerei holte er die Geister dann in unsere Welt, und „sie versuchen, sich bei uns zurechtzufinden".
In jeder Bilderserie entwickelt der Künstler ein Thema weiter. So sind z. B. die „Bikinimädchen" ursprünglich aus einer Farbmischtabelle entstanden. „Die Malerei wird freier in einer Serie, man denkt nicht mehr an ein bestimmtes Motiv - die Variationen sind reine Malerei", beschreibt er die Entwicklung. Auch die „Bastards", Hundegesichter, die menschenähnliche Züge und vor allem Frisuren erhielten, durchliefen diesen Prozess. Sie sind oft eine Mischung aus Mann und Frau und ihnen liegt laut Kodritsch „auf absurde Weise" der Versuch zugrunde, jemand anderer sein zu wollen. In seiner Serie „Maler und Modell" montiert er Fotos von sich selbst in Fotos mit dem Supermodel Kate Moss. Einmal taucht Ronald Kodritsch in Werbefotos, einmal mitten im Privatleben auf, z. B. händchenhaltend am Strand. Der Schwindel ist offensichtlich, den Betrachtern bleibt das Schmunzeln. Wie auch bei der Serie „Skispringer": Sportfreunde suchen nach dem angekündigten Motiv, Kunstfreunde lassen das tiefe Blau auf sich wirken, bis sich eine winzige Figur aus der intensiven, himmlischen Weite abhebt - der Skispringer! Die „Blababels", die sehr farbenfreudig leere Sprechblasen zeigen, sind, so der Maler, „der Versuch, Humor in das Abstrakte zu bringen". Wieder zeigt sich sehr deutlich ein ernster Hintergrund - eine Sehnsucht nach Stille vielleicht, oder auch nach Inhalt in einer Welt voller Sprechblasen (gerne gefüllt mit heißer Luft).
„Ich liebe so ganz banale Themen, aus denen eine für mich stimmige Kunst entsteht", erklärt der Künstler. Wir auch, denn was auch immer Ronald Kodritsch angeht - wir dürfen loslachen, schmunzeln und den Themen auf den Grund gehen. Denn hier ist reichlich Substanz vorhanden, über die es sich lohnt nachzudenken.
Claudia Rief-Taucher
Stand: April 2013