Auf der Strada del Sol
Die Grazerin Sol Haring ist Musikerin, Filmemacherin und Wissenschafterin. Anfang nächsten Jahres stehen neue Produktionen von ihr ins Haus.
Es hat schon etwas Ungewöhnliches, wenn eine Feministin wie Sol Haring in ihrem musikalischen Schaffen doch verhältnismässig stark von Männern beeinflusst ist. „Steve Earle oder Townes van Zandt gehören zu meinen Favoriten, auch Blues-Musiker wie Muddy Waters", erzählt die 42-jährige. Andererseits bleibt ja in diesen Gefilden bei der Vorbildfindung auch nicht allzu viel Spielraum, Country und Folk waren traditionell eine männliche Domäne, Frauen oft nicht viel mehr als der vokale Aufputz. Deshalb war es Haring wichtig, als sie in den neunziger Jahren ihre musikalischen Laufbahn startete, nicht bloß etwa nur Sängerin zu werden, sondern sich im Sinne der Selbstermächtigung auch Instrumente wie Gitarre, Bass und Mundharmonika anzueignen.
Dass Harings Wurzeln in der Countrymusik liegen, daraus machen ihren aktuellen Bandprojekte kein Geheimnis. Das wäre zum einen das Fem-Rock-Duo Supernachmittag: 2007 haben Haring und die Bassistin Anita Mörth ihr wirklich gelungenes Debütalbum „She´s the Daddy" herausgebracht. Was die Band selbst als „Gender Country" bezeichnet, ist charmanter und pfiffiger Low-Fi-Rock mit einem feinen Gespür fürs Songwriting. Darüber hinaus treiben die beiden im Rahmen von Supernachmittag ein launiges Verwirrspiel rund um Geschlechterrollen und sexueller Orientierung, da dürfen auch die falschen Bärtchen nicht fehlen. „Ich verhandle in meinen Songs sexuelle Identitäten, es geht oft um Transsexualität oder Queerness", sagt Haring. Die Stossrichtung ihres Seitenprojektes Haring & The Trouts ist eine ähnliche, auch wenn die Combo, ebenfalls ein Duo, stärker im traditionellen Country-Rock verankert ist.
Dass die Wartezeit auf ein neues Album von Supernachmitttag jetzt bereits fünf Jahre beträgt, hat laut Haring einen einfachen Grund: „Wir brauchen halt, solange wir brauchen". Heißt also, es gibt auch abseits der Musik viel Arbeit zu erledigen. Haring ist neben ihrer künstlerischen Tätigkeit im universitären Bereich unterwegs, war nach dem Abschluss ihrer Doktorarbeit einige Jahre in London, auch eine Zeit lang in New York. Heute betreibt sie ihr universitäres Engagement auf freiberuflicher Basis, etwa als Lektorin an den Universitäten in Graz oder Klagenfurt, und denkt die Themen Gender, Gerontologie und Neue Medien transdisziplinär zusammen. Allerdings nicht nur auf theoretischer Ebene, als Erwachsenenbildnerin bringt sie etwa Frauen über sechzig bei, wie man ein eigenes Blog betreibt. „Ich arbeite eben aus vielen Ecken heraus", erklärt sie. „Manchesmal würde ich mich zwar gerne intensiver mit nur einer Sache beschäftigen, aber es ist so schwierig auf etwas zu verzichten."
Anfang 2013 ist es aber wieder soweit, das zweite Supernachmittag-Album wird erscheinen. Und nicht nur das: Haring wird ihre filmischen Aktivitäten - im Videobereich ist sie schon länger tätig - mit einer 45-minütigen Dokumentation über das Älterwerden von Künstlerinnen unterstreichen, die sie in den Städten Akron, Ohio und Little Rock, Arkansas gefunden und getroffen hat. Die jüngste der zwölf portraitierten Frauen ist 35, die älteste 64 Jahre alt. „No Time To Get Old" wird im Jänner im Grazer Theater im Bahnhof erstmals gezeigt, eine Kurzfassung davon ist heute schon auf Youtube zu finden. Aufschlussreich berichten die Damen von ihrem Leben, was sie antreibt, Künstlerinnen zu sein. Und warum sie darüber sprechen wollen - so meint die 56-jährige Musikerin Marilyn Dirrig: „Jetzt habe ich viel gelebt, jetzt hab´ ich was zu sagen."
Tiz Schaffer
www.myspace.com/haring_and_the_trouts
Kurzfassung von "No Time To Get Old": http://www.youtube.com/watch?v=j4FVZb9nIDk