Rau(s)chen soll der Synthesizer
Die unbekannte Seite des bekannten Fotografen Max Wegscheidler
Auf der Bühne stehen ein Dutzend Synthesizer, von denen nur noch zwei funktionstüchtig sind. Dazu sorgt ein Typ auf der Bühne mit einigen gekonnten Handgriffen dafür, dass zuletzt nur noch ein Instrument funktioniert, vielleicht auch gar keines. Dann ist alles vorbei und langsam beginnt das Publikum wieder der Verstörung zu entrinnen. Der Typ auf der Bühne ist Max Wegscheidler, Live-Performer, Synthesizer-Chaot.
Max Wegscheidler kennt man. Er zählt zu den versiertesten Pressefotografen Österreichs. Dass er mit Synthesizern verbandelt ist, wissen nicht viele. Gerade seine Live-Acts - zumeist unter dem Namen „Molto Mosso" - zahlen sich aus. Es geht hier nicht alleine um die Musik, die Performance ist wichtig, wie viele Tonnen an elektrischem Material hingestellt werden müssen, damit Noise entsteht, aber auch Töne, mitunter Orgeltöne, von weit her. Wegscheidler, seine Bühnenpräsenz und die Musik ergeben eine Harmonie, die den Moment zelebriert. „Ich habe mir bewusst uralte Synthis gekauft, die haben noch gar keine Speicher, also muss mein Sound im Moment genossen werden. Eigentlich passiert alles durch die Improvisation und ist nicht wiederholbar."
Zu Wegscheidler geht man nicht, um die Norm zu erleben. Das Publikum ist fasziniert, wenn die Verzweiflung in Wegscheidlers Gesicht geschrieben ist, weil ein gewisses Scheitern zum Konzept gehört. „Dass etwas außer Plan läuft, freut die Besucher: Wenn ich als Support beim FSK-Konzert mit 600 Knöpfen arbeite und sich dabei alles auflöst ... oder beim Absolutely-free-Konzert im Joanneum nur noch ein einziger Rauschgenerator übrig bleibt, das hat etwas Befreiendes. Dazu kann man aber immer noch singen und Schlagzeug spielen, und schon ist wieder was los", ätzt der Musiker, dem bei Gemeinschaftsauftritten schon mal „ausgebildete" Musiker davongelaufen sind.
Wegscheidlers Frontalperformance bedient aber auch einen Schutzmechanismus: „Angst und bange wird mir bei der Vorstellung, dass sich ein Publikum echt vor mich hinstellen und mir zuhören würde. Da wäre die Irritation sehr groß. Andererseits stehe ich zu dem Prozess, weil alles Neue eben nur durch die Suche entstehen kann, und die impliziert eine gewisse Unsicherheit." Wegscheidler macht diese Unsicherheit zum Stilmittel. In diesen Momenten kann es auch ganz leise werden - man kann nicht immer jeden Berg wegsprengen, manchmal muss sich der Künstler auch durch ein Nadelöhr schwindeln können.
Dazu begleitet ihn seit einigen Jahren noch die Sammelleidenschaft von Orgeln und Synthesizern. Angefangen hat es mit einer Heimorgel, die er beim Grazer Altwarenspezialisten BAN kaufte. Schon bald kam eine Hohner Symphonie D 84 hinzu, die leider von Mäusen befallen wurde, die die Leitungen kappten und sich in die Orgel einnisteten. „Oder die Orgel aus St. Pölten, eine Yamaha Electrone D-85, die ist ein 160 kg schwerer Prügel; wie wir die ins Auto geschleppt haben, habe ich mein Kreuz erledigt!" Wirklich spannend ist es aber, wenn man aus Übersee alte Synthesizer bestellt. „Da wartet man sechs Monate, weil die mit dem Schiff kommen. Und plötzlich steht dann der Zusteller vor dir, mit einer Fracht, die ihn überragt und fast nicht bei der Türe reingeht!" Teilweise ist dann die Enttäuschung groß, wenn der Synthesizer beim Transport beschädigt worden ist, aber es gibt auch ganz gebliebene Prunkstücke. „Der Oberheim Matrix zum Beispiel, genau dieser soll schon bei Tom-Jones-Konzerten zum Einsatz gekommen sein." Apropos Musik: Wegscheidler hat sich eine E-Gitarre besorgt, eine deutsche Framus. Er lernt Noten. Wir dürfen gespannt sein, welche Töne er ihr entlockt.
Martin G. Wanko
August 2011
Max Wegscheidler lebt und arbeitet in Graz.
Hier eine Auswahl seiner Projekte seit 2003:
2003 Schlagabtausch 2003
Videoproduktion „Grenzraum" im Rahmen vom „steirischen herbst"
Soundinstallation „twinpeaks", Slowbar im Rahmen vom „steirischen herbst"
2004 Zeichensaal „platini del mar"-Konzert
Atelierraum Martin Wesely - Künstlergespräche
2007 Molto Mosso - Musikprojekt
2009 styrian stylez, Sampler vol.1
2010 Binder und Krieglstein, New Weird Austria, Text bei einer Nummer
2011 Duet(t)/e/s eloui & molto mosso : sue, listen up!, Pumpkin Records
seit 2005
Beteiligung als Musiker an verschiedenen Projekten, z. B. Musik für die Gemeinschaftslesung „Why don´t we do it in the road" (2010) der Grazer AutorInnenversammlung