Eine Art Transformation (*)
Die Tänzerin Valentina Moar verbindet Geste und Emotion in der Präzision der Bewegung.
Direkt zum *Update 2023
Wenn Valentina Moar über Tanz spricht, holt sie weit aus: temperamentvoll und leidenschaftlich einerseits, was mit ihrer Heimat Italien in Verbindung gebracht werden mag; analytisch und exakt, nach Hintergründen und treffender Formulierung suchend, andererseits, was mit ihrem Sprachstudium (Englisch, Französisch, abgeschlossen als Dr. phil.) begründet werden kann. Dass sie eine vielschichtige Persönlichkeit ist, scheint jedenfalls sicher und spiegelt sich auch in ihrer künstlerischen Arbeit wider: in der der Art ihres Herangehens an und ihrer Auseinandersetzung mit einem Thema, und in ihrer Vorliebe, neben eigenständiger Erarbeitung auch interdisziplinär vorzugehen. Beispielsweise mit Paolo Pachini, Komponist und Videokünstler aus Triest, oder mit der international bekannten bildenden Künstlerin Rabarama.
Geboren ist Valentina Moar in Mailand. Sie war 10 Jahre alt, als eine Freundin sie überredete, zum Ballettunterricht mitzukommen. Im zweiten Jahr war es, dass zum Spaß die Begeisterung kam - die bis heute andauert. Ab 1990 trainierte sie Ballett im Theatre Carcano of Milan und am Istituto Addestramento Lavoratori dello Spettacolo (IALS), ab 1994 kam zeitgenössischer Tanz hinzu; Moar absolvierte Meisterklassen in Frankreich und der Schweiz. Ein entscheidender künstlerischer Einschnitt war 2001, als sie für eine Jahresausbildung bei Susanne Linke und Avi Kaiser ausgewählt wurde. Susanne Linke sollte maßgebend für ihre weitere tänzerische Entwicklung und so etwas wie ihre Meisterin werden; so sehr, dass sie heute eine derartige Persönlichkeit manchmal vermisst.
Valentina Moar hatte in Folge Auftritte in der Schweiz, in Italien, Deutschland, Österreich, Indien, Kalifornien und Südafrika. Zu ihren wichtigsten zählt sie jene in Susanne Linkes Choreographie „L'arte di cadere" (2001), die Auftritte während ihres zweijährigen Engagements in der Compagnia ALDES von Roberto Castello und ganz besonders ihr Tanzen in „Délir defait" von Benoît Lachambre bei der Biennale di Venezia 2002.
Eine bedeutende Präsentation anderer Art war ihre Performance 2010 beim Festival of Contemporary Dance of La Biennale di Venezia, wo sie mit ihrem dafür kreierten Solo „No Time To Fly Off" zum Internationalen Solo-Tanz-Theater-Festival in Stuttgart eingeladen wurde; und dort aus den ursprünglich 250 Bewerbungen und 18 Nominierungen ins Finale der besten acht kam.
Ihre künstlerische Vielfalt äußert sich (auch) in ihrem schon immer vorhandenen Interesse und ihrer Liebe zum Theater, zur Schauspielerei. Drei Mal trat sie in diesem Metier auf, und sie kommt auch gerne wieder dorthin zurück, wenn sich die Gelegenheit ergibt.
Vordringlich ist ihre Offenheit freilich in den Sparten des Tanzes, in ihrem fünf Jahre anhaltenden Engagement in Bereichen des Vertical Dance etwa: Für sie eine von zahlreichen Ausdrucksmöglichkeiten, die dem Tänzer ungewöhnliches Bewegungsmaterial sowie ihm und dem Zuschauer neue Perspektiven eröffnet. Oder aber in ihrer Mitarbeit in wissenschaftlich-künstlerischer Forschung. Am Projekt „Embodied Generative Music" des Institutes of Electronic Music and Acoustics IEM in Graz nahm sie zwei Jahre als Performerin und Choreographin teil, zeigte zwei Mal, 2008 und 2009, in „Bodyscapes" im IEM CUBE und im MUMUTH die Ergebnisse. Seither lebt sie in Graz.
Die Basis, der Ausgangspunkt für ihre Choreographien, für ihre tänzerische Darstellung ist immer (ihr) reales Leben. Die erste Annäherung an etwas Neues erfolgt einerseits schriftlich in Form von eigenen Prosatexten und -Fragmenten und Gedichten sowie von Bildern und durch bewusst wahrgenommene Objekte des Alltags.
Wesentlich ist für Valentina Moar, die Verbindung zwischen Geste und Emotion in der Präzision von Bewegung zu finden; diese als „social work" dem Publikum zu vermitteln, damit für dieses „a kind of transformation" stattfinde - wo und wie auch immer.
Zur Website von Valentina Moar
Eveline Koberg
Juli 2011
*Update 2023: Dance on Screen
2015 tanzte Valentina Moar für den italienischen Rockstar Vasco Rossi im Musikfilm "Tutto in Una Notte", der in über 300 Kinos in Italien zu sehen ist. 2016 gründete sie mit dem Dance on Screen Festival das bislang erste und einzige Tanzfilmfestival in Österreich. Das Festival zeigt Kurzfilme, die ausschließlich für die Kamera getanzt, choreografiert und konzipiert wurden und deren Geschichte mit Bewegung erzählt wird. Dance on Screen knüpft an die Tanzfilmtradition der 1920er-Jahre an und will dieses barrierefreie und poetische Filmgenre einem breiteren Publikum öffnen. In einer abgespeckten Form ist das Festival regelmäßig zu Gast bei Tanz-Festivals wie bei Tanz Karlsruhe, Internationales Solo-Tanz-Theater-Festival Stuttgart, Screendance Landscapes Venedig, ULTRA Screendance Festival Udine oder Spielboden Dornbirn.
Website: www.danceonscreen.at
Auftritte und Konzepte von Valentina Moar seit 2013 (Auszug)
- 2013 Faces of a Restless Spirit, szenische Oratorienfragment, Andrä Kirche, La Strada 2013. (Tanz und Choreografie: Valentina Moar)
- 2014 Vergessene Frauen, MUMUTH, Graz (A). Tanzstück zum Thema Gewalt und Femizid im Rahmen der internationalen Kampagne 16 Tage gegen Gewalt an Frauen.(Tanz und Choreografie: Valentina Moar)
- 2015 Land Acupuncture, International Dance Exposure 2015 Tel Aviv. Kaiser/Antonino Ensemble. (Tanz: u. a. Valentina Moar)
- 2016 Dance Me - Paint Your Dreams, Theater am Lend. Solo-Tanzstück mit Live-Painting von Luca Morganti und Texten eingespielt von Ninija Reichert über Träume und Wünsche von jungen Menschen aus Graz. (Tanz und Choreografie: Valentina Moar)
- 2017 Danza e mistero. Omaggio a Charlotte Bara. Teatro San Materno, Ascona. Hommage an die deutsche Ausdruckstänzerin Charlotte Bara. (Tanz: Valentina Moar).
- 2018 DANCE_CROSSING FASHION, Graz. Afro-Asiatisches Institut und Pell Mell. Tanzperformance auf der internationalen und interkulturellen Modeschau zu Live-Musik von Rainer Binder-Krieglstein.
- 2020 Lebendige Formen, La Strada 2020, multimedial-interaktive Tanzperformance inspiriert durch den steirischen Star-Architekten und Bauhaus-Schüler Hubert Hoffmann. Mit Paolo Scoppola (Video) und Pierre-Yves Diacon (Tanz). (Tanz und Choreografie: Valentina Moar)
- 2020 Pasture Dress, Kunsthaus Graz. Tanzperformance und Modeschau zu Live-Musik von Rainer Binder-Krieglstein mit den Schafwollarbeiten "Weidekleid" von Bettina Reichl im Rahmen der Steiermark Schau 2020. (Tanz und Choreografie: Valentina Moar).
- 2021 Triptychon Tanz, Tanzperformance mit Live-Musik von Reinhard Ziegerhofer zum Tag des Denkmals, Heilige-Geist-Kapelle Bruck/Mur im Rahmen von eisenZ*ART. (Tanz und Choreografie: Valentina Moar).
- 2022 Built to Last, interaktive Multimedia-Tanz-Performance im Heimatsaal im Volkskundemuseum Graz (Uraufführung). Mit Paolo Scoppola und Reinhard Ziegerhofer. (Tanz und Choreografie: Valentina Moar).
Lydia Bißmann
Dezember 2023