Das Leben ist unberechenbar (*)
Mathematiker Ian Kopacka weicht als Autor Formeln aus
Die Literaturwelt ist ihm so fremd wie Grazer Traditions-Kaffehäuser oder der Besuch von Lesungen. Ian Kopacka ist in einer streng rationalen Welt daheim. Dort, wo Formeln für Ordnung, Struktur und klare Ergebnisse sorgen. Dort, wo die Welt vermess- und zu einem großen Teil vorhersehbar ist. Dort, wo der Sprache kaum Freiraum für Spielereien oder Eigensinn zusteht, weil sie den Richtlinien einer Programmiersprache folgt. Der 30-jährige Ian Kopacka ist Mathematiker, hat sup auspiicis promoviert und berechnet nun, von Montag bis Freitag, für die staatliche Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit die Wahrscheinlichkeit von Tierseuchen oder Schädlingsinvasionen. Das Mathematikermilieu, es ist auch Ausgangspunkt für Kopackas erste Kurzgeschichte. In „Zahlen bitte“ entwickeln Ziffern ein Eigenleben, dringen in einen Mann ein und bestimmen sein Denken. „Zahlen, die in Dreiergruppen über den Bildschirm marschierten wie kleine Soldaten, ihre acht Kommastellen im leichten Marschgepäck mit sich führend. Dabei wusste doch jeder, dass Dreiergruppen nicht funktionierten."
Für die rasante Zahlengeschichte gewann Kopacka, dessen Vater Werner Kopacka Krimis schreibt, 2007 den Grazer Literaturwettbewerb „Short Stories“ der Akademie Graz. Damals war sein Romandebüt „Kleine Fische“, das vor wenigen Wochen im Leykam-Verlag erschienen ist, schon länger als ein Jahr fertig, nur der Verlag dazu fehlte noch.
Wenn man Ian Kopacka nun, nachdem „Kleine Fische" publiziert worden ist und er seine allererste Lesung absolviert hat, als Schriftsteller bezeichnet, dann wird er sehr unsicher. Er bevorzuge das Wort „Hobbyautor." Und erklärt das so: „Die Sprache ist ein Gebiet, auf dem ich sehr unsicher unterwegs bin.“ Bei anderen würde das nach übertriebendem Understatement klingen, bei Kopacka nicht. „Ich bin, was den Umgang mit anderen Menschen angeht, generell nicht so locker, sondern muss mich oft überwinden.“ Punkt.
Die Unsicherheit einer Generation - auch so könnte man seinen Erstling über seine Antihelden deuten, die alle nur eines eint: sie kiffen. Joints, mit denen sie den Sinn des Lebens inhalieren. Die Handlung dreht sich um drei Freunde, kleine Fische im großen Drogengeschäft, um 28 Zeitpunkte zwischen 4. und 7. Juli, die Kopacka anti-chronologisch, unberechenbar und in lockerer Erzählweise vorantreibt. „Wenn Spaghetti kleben blieben, wenn man sie an die Wand warf, dann waren sie gerade richtig gekocht. Al dente. Von Nudeln verstand Stefan offensichtlich was."
Am Ende bleibt ein aufgeräumter Eindruck, ein Online-Rezensent erkennt sogar eine tiefere mathematische Kombinatorik darin. Warum er sich so ein Thema ausgesucht hat? „Es war etwas, das mich damals beschäftigt hat.“ „Trainspotting“ lief im Kino, dessen Drehbuchautor John Hodge sowie Jasper Fforde bezeichnet der Grazer heute noch als Lieblingsautoren. Abgetaucht ist Kopacka bis dato nicht nur in ein „für mich fremdes Milieu“ wie die Kifferszene, sondern auch schon real. Nach dem Zivildienst zog er mit seiner Schülerband Little Red Riding Hood nach London. „Industriegebiet, das damals schon überteuert war, aber ich fürchte, heute noch nicht in ist.“ Ein Jahr lang basteln die Jungs an Liedern, verschicken Demos. Es hagelt: Absagen. Nach einem Jahr war Schluss. Die Band ist Geschichte und seine E-Gitarre bearbeitet er nur noch privat. „Ich höre mir gerne Musik im Sitzen an.“ Sonst verstärkt sie ihn als „Hobbyautor.“ Und zwar laut. Derzeit pausiert er vom Schreiben. Aber: „Man weiß nie, wann das wieder losgeht.“
Julia Schafferhofer
April 2011