Es geht um das Detail (*)
Der Klangkünstler Peter Venus und seine Schule der Aufmerksamkeit
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Das Schaffen des Klangkünstlers und Toningeneurs Peter Venus ist nur schwer in die traditionellen Strategien und Formen musikalischen und kompositorischen Arbeitens einordenbar. Venus setzt sich in seiner Musik, die man auch gut Medienkunst nennen könnte, mit Vorliebe mit den Bedingungen auseinander, unter denen diese entsteht. So stellt Venus etwa die Frage nach dem "geeigneten Interface, den Möglichkeiten, Musik zu steuern." Von wem kann auf welche Art und Weise mit welchem Resultat Musik gemacht werden? Schon die ersten performativen Konzepte, die Venus entwickelt hat, gingen in diese Richtung. So hat er versucht, ein Interface zu entwickeln, das bildenen Künstlern ermöglicht, als Musiker zu arbeiten. Dabei entstanden Werke mit Titeln wie „Konzert für Stein und Elektronik" und „Konzert für Grafik und Elektronik". Musik, die sich keinesfalls im Schallereignis erschöpft, sondern das Medium thematisiert. Hohe Bedeutung misst Peter Venus auch der Frage bei, inwiefern ein Instrument sinnvoll auch vom Besucher, dem ja traditionell die Rolle des Rezipienten zugedacht ist, zu steuern ist.
In der Aufmerksamkeit, die seine Arbeit einfordert, sieht der Künstler einen weiteren wesentlichen Aspekt seines Schaffens: "Es geht um das Detail. Oft versuche ich, durch meine Arbeit die Betracher beziehungsweise Hörer zu sensibilisieren und aufmerksam zu machen auf alltägliche Dinge, die der bewussten Wahrnehmung im Alltag selbst - stressbedingt - entwischen."
Venus´ Werk beschränkt sich dabei nicht auf Klangprojekte. Für das mittlerweile geschlossene Grazer Medienkunstlabor hat er 2010 "extended view" realisiert. Venus: "Ich habe dafür eine Panorama-Videokamera entwickelt, um einen erweiterten Bildraum zu erforschen." Die Kamera ist in der Lage, Videomaterial in einem Winkel von 240 Grad aufzunehmen. Dabei legte sich das Augenmerk auf die Ermöglichung neuer Bildkompositionen, darauf, „Handlungen um den Zuschauer herum zu platzieren, um verschiedene Blickwinkel auf des Geschehen im Film zu gewährleisten."
Ursprünglich ist der in Dresden geborene Peter Venus in die Steiermark gekommen, um in Graz Toningenieur zu studieren. Ob Graz ein gutes künstlerisches Pflaster für seine Art von Kunst darstellt oder nicht, war für seine Entscheidung „völlig unwichtig". Die Stadt hat Venus dann „extrem positiv" überrascht: „Bis heute wundert es mich immer wieder von neuem, wie vielfältig und umfangreich die Musik- und Kunstszene in Graz ausgeprägt ist." Deshalb sehnt er sich auch nicht nach London zurück, wo er eine Zeit lang gelebt hat. „Ich vermisse die Stadt in keinster Weise. Graz gibt mir viel eher die Möglichkeit, Neues auszuprobieren und umzusetzen, als ich es in einer solchen Metropole könnte."
Die musikalische Sozialisation begann bei Venus, der neben Klavier auch Horn spielt, einigermaßen klassisch-konventionell, bis zum Stimmbruch war er auch Mitglied der Dresdener Kapellknaben. Der technische Aspekt der Musik hat ihn recht früh interessiert, nämlich als er anfing, im Schulradio Sendungen zu produzieren. „Damals hab ich Blut geleckt für das Schneiden und Mischen. Damals hat man ja noch mit Tonband gearbeitet." Eine „pubertäre Begeisterung" für Techno stand am Anfang seiner Beschäftigung mit elektronischer Musik - „Schließlich waren die Neunziger ..." Aber auch einige Alben aus dem väterlichen Plattenschrank erregten sein Interesse, elektronische Poppioniere der Siebziger wie Jean Michel Jarre und Klaus Schulze.
Seine Arbeit als Tonmeister sieht er heute als gute Ergänzung zu seinen künstlerischen Projekten. "Man erhält davon immer wieder neue Impulse, auch weil ich sehr viel im Bereich Neue Musik arbeite. Dort ist es immer wieder erforderlich, sich auf neue, ungewohnte Klänge einzulassen und auf der Suche nach dem perfekten Klang auch unorthodoxe Wege zu gehen." Unorthodox wie seine Arbeitsprozesse: „Vieles entsteht aus dem Experiment, oft spiele ich einfach mit einer bestimmten Technik herum und es entsteht einfach etwas."
Martin Gasser
Jänner 2011
*Update 2023: Er bringt Klang und Licht zusammen
Seit 2010 ist Peter Venus regelmäßig bei den Osterfestspielen sowie den Salzburger Festspielen als Video-Operator tätig. Er wirkte dort u. a. an Damiano Michielettos Inszenierung von "La bohème" (2012), Stefan Herheims Inszenierung von "Die Meistersinger von Nürnberg" (2013) und Shirin Neshats Inszenierung von "Aida" (2017) mit. 2019 debütierte er in Salzburg als Video-Künstler in Andreas Kriegenburgs Inszenierung von Verdis "Simon Boccanegra". Weitere Engagements führten ihn zum Beijing Music Festival, an das Teatro La Fenice in Venedig, die Deutsche Oper Berlin, zum Klangspuren-Festival, zum steirischen herbst und zum musikprotokoll Graz.
Seit 2012 ist Peter Venus auch als Ton- und Videomeister an der Kunstuniversität Graz tätig, wo er u. a. mit Miller Puckette, Curtis Roads und Agostino di Scipio sowie mit renommierten Ensembles und Solisten zusammenarbeitete.
Bei Wien Modern, dem Österreichischen Festival für aktuelle Musik, das jährlich im November in Wien stattfindet, ist Peter Venus seit 2017 für die technische Leitung zuständig. Er wirkte 2017 bei den Produktion "Oh, I see", 2018 bei "gestochen und weg" und 2021 bei "Fugen" mit, die beiden Letztgenannten sind Kompositionen von Elisabeth Schimana.
Bei Klanglicht, dem Grazer Festival für Ton- und Licht, war Peter Venus 2023 bei dem Projekt von OchoReSotto, "Arkestra of Light vague II", in der Orangerie im Burggarten für die Videotechnik verantwortlich.
signalegraz ist eine Konzertreihe für elektroakustische Musik, algorithmische Komposition, Radiokunst und Performance an der Kunstuniversität Graz. Sie widmet sich der Präsentation musikalischer und klangkünstlerischer Arbeiten, die in substanzieller Form vermittels moderner Medientechnologie konzipiert oder realisiert wurden. Anfang Jänner 2024 führt Peter Venus im Rahmen der signalegraz Klangregie bei einem Konzert mit dem deutschen Komponisten Marcus Schmickler, dessen Werke vom Schallfeld Ensemble im MUMUTH an der Kunstuniversität interpretiert werden.
Lydia Bißmann
Dezember 2023