Alles fließt aufwärts
Der in Wien lebende Künstler Günther Pedrotti beschäftigt sich seit geraumer Zeit mit Wasser als Medium und Material und erobert in Fürstenfeld mit einer „Wasser-Biennale“ Terrain für die Kunst.
Besucher vom obersteirischen Stift Admont kamen, wenn sie die Ausstellung „Play Admont" im Rahmen der „regionale 10" besuchten, auf dem Weg zum Klostergarten an folgender künstlerischer Installation vorbei: Eine verzinkte Dachrinne stand entlang vom barocken Klostergebäude bodennah auf Holzstützen, in ihr spiegelte das Wasser aus dem Löschteich den Himmel. „Der Himmel auf Erden", hieß dieses Werk des 1963 in Fürstenfeld geborenen und aufgewachsenen, nunmehr in Wien lebenden Künstlers Günther Pedrotti. Die Admonter Installation wies viele typische Aspekte von Pedrottis jüngeren Arbeiten auf. Zu nennen wären: Die Verwendung von alltäglichen Materialen, wie man sie in Baumärkten erhält; die Unterwanderung physikalischer Prinzipien durch künstlerische Paraphrasierung technischer Konstruktionen; eine intellektuelle Zugangsweise und - eigentlich vor allem - die künstlerische Beschäftigung mit dem Ur-Element Wasser. „Dabei interessiert mich aber nicht, dem Plätschern zu lauschen", stellt Pedrotti klar. „Ich bin kein Romantiker."
Das zu wissen ist hilfreich, wenn man sich den Arbeiten Günther Pedrottis annähert. 2004 etwa richtete Pedrotti im Salesgraben - einem Waldstück in der Nähe des Fürstenfelder Freibades - eine Installation ein, bei der er unter anderem dem Salesbach ein Rohr einpflanzte, durch das das Wasser ein paar Meter aus eigener Kraft zurückgeschoben wurde. Auf diese Weise hatte Pedrotti eine „metaphorische Zeitmaschine" konstruiert, wie der Kunstkritiker Wolfgang Pauser feststellte, eine Zeitmaschine, durch die man - entgegen einem alten Sprichwort - zwei Mal in den selben Fluss steigen konnte. Wolfgang Pauser attestierte dem Künstler damals einen „renaissancehaften Gestus der Selbstbehauptung gegenüber dem Universum", und er fand zudem etliche Bezüge in Pedrottis temporärer Landschaftsinstallation zur Gedankenwelt und zu Werken der europäischen Kunstgeschichte von der Antike über die Renaissance bis in die Gegenwart. Wir lernen: So unzugänglich-abstrakt sich viele von Pedrottis aktuellen Arbeiten dem unbescholtenen Betrachter präsentieren, so anspielungsreich wissen sie Kunstkenner zu deuten. Was unter anderem vom hohen intellektuellen Niveau zeugt, auf dem der Autodidakt seine Werke entwirft und in die Tat umsetzt.
Günther Pedrotti machte sich bereits in jungen Jahren in den späten 1980ern mit grafischen Arbeiten einen Namen in der steirischen Kunstszene. Eines seiner Frühwerke, der „Fürstenfelder Kreuzweg", ist in der Augustinerkirche seiner Heimatstadt zu sehen. In den 1990ern verlegte der Steirer seinen Lebens- und Arbeitsmittelpunkt nach Wien und erweiterte zugleich mit Materialien wie Latex, Styropor, Nylon, Leder und Hygieneartikeln sein Formenrepertoire. Er wandte sich von der Grafik ab und der Objektkunst zu. Er arrangierte beispielsweise Damenbinden zu Blütenblättern und gestaltete mit einem handkoffergroßen, mit Luftballons bunt ausgelegten Styroporquader, der von einem dünnen Gürtel umfasst wird, sein "Selbstporträt als Luftballon". Diese Arbeiten waren in Galerien und auf Kunstmessen unter anderem in Graz, Wien und Berlin zu sehen.
Im bereits erwähnten Salesgraben am Stadtrand von Fürstenfeld richtet Günther Pedrotti seit 2008 eine Kunstbiennale aus, bei der verschiedene Künstler temporäre Installationen zeigen, die allesamt gemeinsam haben, dass sie sich mit dem Medium Wasser beschäftigen. „Yahoos-Garden" nennt sich die Veranstaltung, wobei der „Garden" als „nasse Welt" verstanden wird, und „Yahoos" die humanoiden, wilden Mischwesen aus Jonathan Swifts „Gullivers Reisen" sind. Aber der Name Yahoo wird natürlich mittlerweile auch mit dem Internetportal „Yahoo!" in Verbindung gebracht, womit Pedrotti in der Namensgebung der Veranstaltung mühelos der Verweis auf die liquide Grundverfassung unseres Weltverständnisses angesichts digitaler Wissensquellen gelingt. Etwas, was durchaus auch dem Ziel seiner Arbeiten entspricht.
Ein weiterer wesentlicher Aspekt von Pedrottis Fürstenfelder Wasserbiennale ist jener der Kunst im öffentlichen Raum in ihrer verschärften Form der Kunst im regionalen öffentlichen Raum. „Zeitgenössische Kunst sieht sich hier direkt und unmittelbar mit einer traditionsbehafteten Umwelt konfrontiert", schreibt der Künstler-Kurator anlässlich der 2010er-Wasser-Biennale auf der Homepage der Veranstaltung, an der sich von Juli bis November 2010 Nezaket Ekici, Lore Heuermann, David Moises, Josef Schützenhöfer und Pedrotti selbst beteilig(t)en. „Im Gegensatz zum ausdifferenzierten System des Kunstmarktes, wo der Signifikant ‚Kunst‘ als hinlänglich empfunden wird, stehen hier die KünstlerInnen vor Ort dem tatsächlich existierenden kulturellen Feld gegenüber. Es gilt angesichts eines kulturellen Populismus Terrain zu erobern."
www.guenther-pedrotti.com
www.wasser-biennale.org
Werner Schandor, August 2010