Die Verluste feiern, wie sie fallen
Die Grazer Band „Hella Comet" bereichert mit ihrem Debütalbum die heimische Musikszene um bislang ungehörte Klänge. Schubladisierungen sind dabei unmöglich.
Gäbe es ein Muster für die typische Entstehungsgeschichte einer Band, es läse sich ungefähr so: Seit über 15 Jahren lassen die Jugendfreunde Jure und Frente bei jeder sich bietenden Gelegenheit ihre zahllosen Gitarren zusammen erklingen. Irgendwann beginnt Sängerin Lea, Texte zu den am häufigsten gespielten Stücken zu schreiben und greift schließlich zum Mikrofon. In Maex findet man schließlich jenen Drummer, der das Quartett komplettieren soll. Klingt bekannt? Womöglich. Doch wiewohl die Bandgeschichte auf den ersten Blick wie viele andere anmutet, verlief sich das Projekt nicht zwischen Garagengigs und ziellosem Herumgeklimper irgendwann im Sand. Der entscheidende Unterschied: Die vier, die sich seither „Hella Comet" nennen, leben und lieben Musik. Und das merkt man bei jedem Riff, jeder Textzeile, jedem Schlag auf die Snare Drum.
Der Name „Hella Comet" darf für den Zuhörer dabei vieles sein: der erstaunt-entsetzte Ausruf „Zur Hölle, ein Komet!" wohl ebenso wie dessen vermeintlicher Auslöser, der helle Komet, der sich schwungvoll, wenn auch drohend, dem Planeten nähert. Womöglich gar von unten, als Komet aus der Hölle, wer weiß es schon genau? Der ursprüngliche Namenspatron ist friedlicherer Natur: Bei einer Bandprobe lag ein Bühnenscheinwerfer, recht unbehelligt vom ihm umgebenden musikalischen Geschehen, nahebei. Sein Erzeuger: die Firma „Hella"; der Typ: „Comet". Schnell wurde sich der auf Gefallen gestoßene Name angeeignet und sollte bis heute nicht mehr geändert werden.
Die - ohnehin meist nichtssagende - Zuweisung der Band in ein Genre ist im Falle von „Hella Comet" obsolet, weil gänzlich unmöglich. Mal gekonnt dreckig, mal melodiös klingen die Kometen, oft beides in einem Song. Denn die Stücke des Grazer Quartetts dürfen auch schon gerne einmal über sieben Minuten dauern. Das bietet den Künstlern reichlich Platz, die breite Palette der Klangfarben voll auszureizen: Nach Belieben wird den Gitarren freier Lauf gelassen, die Drums geben den Takt, zwischen langsam-nachdenklich und energetisch-aufkratzend wechselnd, vor. Und wenn die Sängerin „I am no slave" ins Mikrofon haucht, bleibt dem Hörer nur, mit dem Kopf zu nicken - dem Klang des heimischen Mainstreams von Metal bis Indie hat man sich definitiv nicht unterworfen. „Wir machen schon so lange zusammen Musik, dass wir uns einfach nach uns anhören. Es gibt da niemanden, der sagt, dass wir so oder so klingen sollten," erklärt Gitarrist Frente.
Nun erscheint das Debütalbum des Grazer Quartetts. Bereits im Vorjahr konnte man mit „Dust Me", einer frühen Auskopplung daraus, den Bandcontest des Magazins „TBA" für sich entscheiden. Das Erstgeborene wurde schließlich „Celebrate Your Loss" getauft, ein Name, der in jedem Fall Programm ist: „Der Titel ist wortwörtlich zu nehmen," so Frente. „Denn wir feiern tatsächlich unseren Verlust. Wenn du an Songs arbeitest, kannst du sie noch verändern, hast Macht über sie. Nun aber sind sie fertig, sie sind weg." Und Bandstimme Lea ergänzt: „Einerseits ist es ein wenig traurig, dass diese Lieder, mit denen wir so viel gearbeitet haben, nun nicht mehr da sind. Andererseits ist es für uns auch eine enorme Befreiung."
Die musikalische Befreiung der Kometen ist ab Februar gleich auf mehrerlei Weisen zu hören: Das Album erscheint im Duo auf LP mit beiliegender CD. Dieser Anachronismus, ein bewusster Schritt zurück in der Geschichte der Tonträger, ist dennoch schnell erklärt: „Trotz der mp3-Generation wollen viele Leute noch gerne etwas Haptisches haben. Und was bietet sich da besser an als Vinyl?"
Carl-Michael Drack, Jänner 2010