Offszene-Profis (*)
Bei Theater t’eig lassen sich einige der interessantesten steirischen Theaterleute auf das Risiko ein, das Freiraum mit sich bringt.
Direkt zum *Update 2024
Karin Gschiel und Thomas Sobotka sind ein typisches Theaterpaar. Könnte man sagen. Zumindest hinsichtlich der Rollenverteilung: Sie Schauspielerin, er Regisseur. Sie Theaterpädagogin, er freischaffender Theaterkünstler. 2008 haben die zwei, die auch privat ein Paar bilden, gemeinsam das Theater t'eig ins Leben gerufen. Und inzwischen hat sich dieses zu einem der spannendsten Ensembles der Stadt entwickelt. Nicht zuletzt auch durch die ständige Mitarbeit mehrer bekannter Grazer Theatergesichter. Da ist einmal Christian Ruck, diplomierter Schauspieler, Landesspielberater und zuvor 17 Jahre lang beim theatermërz, da ist Markus Boxler, der als Ausstatter immer wieder auch am Schauspielhaus arbeitet („Fräulein Else", „Effi Briest", „wohnen. unter glas"), und da ist Alexandra Rollett, die unter anderem am Linzer Theater Phönix oder bei Ernst M. Binders dramagraz die Dramaturgie innehatte und ständig an spannenden Filmprojekten beteiligt ist (darunter auch Händl Klaus' Debütfilm „März").
Den bislang größten Erfolg hatte Thomas Sobotka allerdings ohne t'eig: „Brick in the wall" ein ausuferndes Schultheaterprojekt, mit dem das gesamte BORG Dreierschützengasse bespielt wurde, erhielt als Produktion des TaO! Theater am Ortweinplatz überraschend den Theaterland-Steiermark-Preis. Sobotka erinnerte die Arbeit mit den frischgebackenen Jungdarstellern an seine eigene „Sozialisierungsproduktion" am Theater im Keller: Theater, das war auch für ihn anfangs der Ort, wo sich einfach alle lieb hatten, wo man seine Freundinnen fand. Als dann noch die erste Honorarnote gestellt werden durfte, schien die Sache überhaupt perfekt.
Inzwischen ist Sobotka, der unter Matthias Fontheim drei Jahre lang als Regieassistent am Schauspielhaus gearbeitet hat („Theoretisch reicht ein Jahr Assistenz, aber als mir das bewusst geworden ist, habe ich schon den 3-Jahres-Vertrag gehabt.") mit t'eig in der Realität der freien Theaterwelt angekommen: „Wir haben jetzt 6 Tage vor der Premiere noch nicht alle Zusagen, was die Budgethöhe betrifft." Und bei den Mühen der Ebene: „Die Administration ist natürlich das Hinkebein, da wünsche ich mir doch eine Institution wie das Stadttheater zurück, wo ich mich ganz auf die eigentliche Arbeit konzentrieren kann." Trotzdem. Die Arbeit mit t'eig ist für Sobotka der Luxus des größtmöglichen Freiraums. „Bei anderen Projekten bin ich als Regisseur eingekauft. Da geht es noch mehr um Ergebnisse, darum einfach auch einen guten Job zu machen." Freiraum bedeutet folgerichtig auch Risiko. Wie etwa bei der in einen hollywoodtauglichen Groschenromanstoff übersetzten Orestie „Remember tserO", die t'eig in der legendären 80er-Jahre-Diskothek SKA zur Aufführung bringt: „Wir riskieren mit dieser Produktion sehr viel, weil wir damit auch total abstinken können. Aber zugleich will ich nicht schon von vornherein sagen, das Scheitern sei Prinzip. Das ist, finde ich, das Feigste überhaupt." Mit der Vorgängerproduktion „Ledergfrieß - unplugged", einer Bearbeitung des Helmut Krausser-Stücks „Lederfresse" war t'eig auch für den Theaterland-Steiermark-Preis nominiert. Beides sind, wie „Brick in the wall", Arbeiten, die auf subtilen Pfaden das Unheimliche umkreisen und eine beeindruckende Portion dramatischer Feinarbeit hinter der trashverliebten Fassade verstecken. Eine t'eig-Spezialität? Vielleicht. Aber Karin Gschiel und Thomas Sobotka sind - samt Konsorten - zu vielseitig und auch zu neugierig, um hier stehen zu bleiben. Sobotka: „Das nächste, was mich interessiert, ist Robert Wilson."
Hermann Götz
Dezember 2009
*Update 2024: fAUSt und vorbei
Nach 30 Produktionen machte das Theater t'eig im November 2018 Schluss - mit der Produktion „fAUSt und vorbei", die im Grazer Albert-Schweitzer-Center zu sehen war. Am 24.11.2018 fiel der letzte Vorhang. Karin Gschiel-Sobotka ist weiterhin im Theaterbereich tätig: als Theaterpädagogin im TaO! - Theater am Ortweinplatz; Thomas Sobotka ist Dramaturg und Produktionsleiter bei „La Strada" in Graz.
Hier die Abschiedserklärung von t'eig im Wortlaut:
t'eig war ...
... ein Theater ohne Schubladendenken. Wir spielten Klassiker, Texte zeitgenössischer Autor*innen, Auftragswerke oder im Kollektiv entwickelte Stücke. Wir spielten u.a. in alten Discos, aufgelassenen Supermärkten, in Kirchen, Hallenbädern und in Bezirksgerichten, bespielten sogar ein ganzes Dorf. Und wir engagierten Künstler*innen aus anderen Theatern, Sparten, Städten und Ländern.
Wir wollten nie wiederholen, was funktioniert. Wir wollten keine Institution werden, die mit stagnierenden Fördermitteln einen Status quo verwaltet, um ein paar Künstler*innen ein bescheidenes Einkommen zu garantieren. Unsere Ambition war es stets uns und unsere Produktionen weiterzuentwickeln.
Wir wollten, dass unsere Konzepte von objektiven Förderbeiräten beurteilt werden, die nicht selbst in der hiesigen [Off-]Szene tätig sind. Es ist für uns haltlos, dass Leute Urteile über unmittelbare Mitbewerber*innen fällen, deren Konzepte lesen und Budgets einsehen können.
Wir wollten sparsame Budgets erstellen, die von den Fördergeber*innen auch als realistisch erkannt werden. Wir wollten unsere Projekte nicht mit bis zu 30 % weniger Mittel als angesucht verwirklichen. „Irgendwie geht immer" geht irgendwann nicht mehr.
Wir wollten kein Geld für Medienpartnerschaften und bezahlte Beiträge ausgeben, um doch noch zu einer Vorberichterstattung zu kommen. Wir erwarteten uns fachlich kompetente Rezensionen im Rahmen einer Kulturberichterstattung, die Amateurtheater von professionellem Off-Theater zu unterscheiden weiß und dies den Leser*innen auch vermitteln kann. Zumindest wollten wir, dass man sich mit den Produktionen auseinandersetzt.
Vor allem wollten wir, dass OFF nicht ABSEITS heißt. Nämlich abseits von realistischen Budgets, Planungsmöglichkeiten, Transparenz, Fairness, Prinzipien, Weiterentwicklung, Auseinandersetzung und künstlerischer Freiheit.
Aber was will man nicht alles. - Wir zumindest wollten immer was. Wir sind uns treu geblieben, stets dramaturgisch wasserdicht und konsequent bis zum letzten Gedankenstrich - und jetzt auch indem wir das Projekt t'eig - »tHEATER eINE iNTERESSENgEMEINSCHAFT« mit 2018 beenden!
statt Off-Theater - Theater: Off!
ARTfaces-Redaktion
Oktober 2024