Der Himmel geht leichter (*/**)
Wie Andreas Unterweger nach Literaturwissenschaft und Musik endlich zur Schriftstellerei gefunden hat.
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Es ist diese geradezu unverschämte Leichtigkeit, die die Texte des Grazer Autors Andreas Unterweger auszeichnet, der vermutlich als nächster der jungen steirischen Autoren durchstarten wird, wenn im Herbst 2009 sein erster Roman erscheint. Doch dazu später. Unterwegers Texte - egal ob seine (Kurz-)Prosa oder seine leichtfüßigen Gedichte, die oft bei so prosaischen Begebenheiten wie Pinkelpausen ihren Ausgang nehmen - klingen einfach und erweisen sich bei näherer Betrachtung doch als vielschichtig. Ein Beispiel:
HINTERLAND
Ich ging zum Autogas hinüber
in der Pinkelpause
der kühle Wind kam aus
dem Hinterland
der Autobahn, da waren
ruhige Dinge
die auf der Straßenkarte nicht
verzeichnet waren
Da war ein Sommertag
mit ein paar weißen Wolken
da waren Felder Berge
Bäume eine Kuh
Nur eine Schotterstraße
führte zu den Dingen
die zu befahren streng
verboten war
Der 1978 in Graz geborene Andreas Unterweger wusste zwar schon immer, dass er eigentlich Schriftsteller ist, nur sah es lange Zeit so aus, als würde er eine Karriere als Literaturwissenschafter einschlagen. Der Germanist schrieb an der Uni Graz eine Diplomarbeit über die Lyrik Wolfgang Bauers, wurde dafür ausgezeichnet, trug Nachworte zu einschlägigen Werkausgaben bei und ist im Literaturhaus Graz gern gebuchter Einführungsredner bei Lesungen. Eine Doktorarbeit über die Gedichte Peter Handkes war bereits angedacht, da entschloss sich Unterweger, verstärkt Primär- und weniger Sekundärliteratur zu verfassen. „Vor dem Germanistikstudium habe ich extrem viel geschrieben", erzählt der Autor. „Während des Studiums wurde es weniger und weniger, bis ich eigentlich immer nur einzelne Sätze auf Papier brachte."
2004/2005 dann die Zäsur: Zivildienst beim Roten Kreuz, Abschluss des Magister-Studiums, Ende einer Beziehung und der Entschluss, sich ernsthaft auf die Schriftstellerei einzulassen, nachdem ein Job als Texter nicht die Erfüllung gebracht hat. „Seither schreibe ich wieder ganze Geschichten", sagt der junge Autor. - Mit Erfolg: Literaturzeitschriften wie die „manuskripte" drucken seine Geschichten ab; mit seiner Lyrik gastierte er auf Einladung der steirischen Kultur Service Gesellschaft KSG im Februar 2009 schon beim internationalen Poesiefestival in Nicaragua. Und der Grazer Literaturverlag Droschl wird im Herbst 2009 den ersten Roman von Andreas Unterweger veröffentlichen. Er heißt „Wie im Siebenten" und erzählt die Geschichte einer großen Liebe zwischen Traum und Realität - in den Worten Unterwegers: „zwischen siebentem Himmel und siebentem Wiener Gemeindebezirk". 14 Monate hat er für den Roman gebraucht. Die Kapitel über den Himmel gingen ihm leichter von der Hand, sagt der Autor lachend. Zum Schreiben zieht er sich seit einigen Monaten in sein Haus bei Grafenwörth, Bezirk Tulln, zurück.
Ebenfalls im Herbst 2009 wird im Brucknerhaus Linz im Rahmen des Haydn-Jahres Wim van Zutphens Stück „Lost Brains" uraufgeführt, zu dem Andreas Unterweger das Libretto liefert. In den Texten - „einer Mischung aus Prosa und Lyrik" - geht es um die Forschungen an Haydns Hirn, die von Zeitgenossen durchgeführt wurden. Die Musik basiert auf EEG-Strömen des Komponisten. Internationale Aufführungen des Stückes sind in Vorbereitungen.
Andreas Unterweger ist selbst auch musikalisch tätig, zwar nicht in den Gefilden experimenteller Komposition, sondern als Sänger und Songwriter der Rockband „ratlos". Nicht zuletzt die Erfahrungen mit der Band haben ihn darin bestärkt, sein Glück in der Schriftstellerei zu suchen. „Sobald du eine Band hast, wirst du anfangen zu streiten und viel über dich lernen", sagt der Autor. „Ich bin der Band unendlich dankbar - ohne sie hätte ich mich nie getraut, Romane zu schreiben."
Zur Website von Andreas Unterweger
Werner Schandor
März 2009
*Update 2011: Schriftsteller und Reisebegleiter
2009: Andreas Unterwegers Erzählung "Don Juans" gewinnt den 1. Preis beim Literaturwettbewerb der Akademie Graz.
Er spielt, gemeinsam mit seiner Lieblingssängerin Judith Gschwantner, einen unglaublich schönen Gig bei der Buchmesse Lemberg (Ukraine) ...
2010 ... und liest beim Lyrik Festival StAnza in St Andrews (Schottland).
Sein Roman "Wie im Siebenten" steht auf der Shortlist des Rauriser Literaturpreises 2009 und bekommt die Autorenprämie des bm:ukk für besonders gelungene belletristische Debüts.
2011: Andreas Unterweger gibt, gemeinsam mit Andrea Stift, den Sammelband „Das schönste Fremde ist bei Dir. Alfred Kolleritsch zum 80. Geburtstag" (Droschl 2011) heraus, mit Beiträgen von Elfriede Jelinek, Peter Handke, Friederike Mayröcker u. v. a. m.
Zeitgleich erscheint ebenfalls bei Droschl sein zweites Buch, "Du bist mein Meer. Novelle (in 3 x 77 Bildern)".
Derzeit arbeitet Andreas Unterweger als Schriftsteller (an seinem dritten und vierten Prosabuch) und Reisebegleiter: Er begleitet seine Tochter auf ihren Krabbelreisen durch die große weite Welt.
Werner Schandor
März 2011
**Update 2023: Bücher und „manuskripte“
Mit „So long, Annemarie", dem 2022 erschienenen Roman von Andreas Unterweger, schließt sich thematisch ein Kreis. Denn wie in seinem ersten Buch, „Wie im Siebenten", handelt es sich um eine Coming-of-Age-Geschichte. Nur dass sie diesmal nicht nach Wien, sondern ins französische Nantes entführt, wo der Protagonist 2001/02 ein Jahr als ERASMUS-Student verbringt und sich in emotionale Verwicklungen stürzt.
„Die Sprache tanzt", heißt es über das Buch in der Rezension im „Standard" - und ja, das ist eine Zuschreibung, die vielleicht auf alle sieben seit 2009 erschienenen Bücher Unterwegers zutrifft. Die große Kunst des Autors ist es, mit sprachlichen Mitteln eine Leichtigkeit zu suggerieren, die jedes von ihm behandelte Thema wie auf Wolken schweben lässt, ohne dass man merkt, welch exakte poetische Struktur das Gerüst für die Texte bildet.
Andreas Unterweger ist aber nicht nur Autor, sondern seit 2016 redaktionell fix mit der wichtigsten österreichischen Literaturzeitschrift „manuskripte" verbunden, deren Alleinherausgeber er seit dem Tod von Alfred Kolleritsch anno 2020 ist. Die „manuskripte" wurden seither einem sanften Relaunch unterzogen und versuchen, das reiche literaturhistorische Erbe mit vielfältigen Aktivitäten und Kooperationen (etwa mit dem Forum Stadtpark) in der Gegenwart zu halten und in die Zukunft zu überführen.
Dementsprechend nimmt Unterweger im österreichischen Literaturbetrieb eine wichtige Stelle ein. So war er etwa beim Österreich-Schwerpunkt der Buchmesse Leipzig 2023 für mehrere Präsentationen und Programmpunkte verantwortlich, darunter den „Poesie-Automaten", aus dem man sich Gedichte österreichischer Autorinnen und Autoren ziehen konnte.
Was ist noch wichtig zu erwähnen? - Unterweger lebt seit einigen Jahren mit seiner Familie in Leibnitz. Der Töchter gibt es mittlerweile zwei. Und seine Karriere als Sänger, Songwriter und Musiker scheint zu ruhen - der letzte einschlägige Eintrag auf Unterwegers nach wie vor akkurat gewarteter Website datiert aus dem Jahr 2014.
In der Literatur gibt es offensichtlich genug zu tun.
Die Bücher von Andreas Unterweger:
- Wie im Siebenten. Roman, Droschl, Graz Wien 2009
- Du bist mein Meer. Novelle (in 3 × 77 Bildern), Droschl, Graz Wien 2011
- Das kostbarste aller Geschenke. Notizen. Droschl, Graz Wien 2013
- Das gelbe Buch. Droschl, Graz Wien 2015
- Grungy Nuts. Erzählungen. Droschl, Graz Wien 2018
- In Zeilen wie diesen. Edition Forum Stadtpark, Graz 2020.
- So long, Annemarie. Roman. Droschl, Graz Wien 2022
Zur Website der Zeitschrift manuskripte
ARTfaces-Redaktion
August 2023