Mikrotonale Experimentierlust

Der aus dem Iran stammende Komponist Siavosh Banihashemi kümmert sich um Neue Musik und traditionelle Literatur.

Siavosh Banihashemi
Siavosh Banihashemi © Werner Schandor

Die Faszination für die Musik begleitet den 1976 in Teheran geborenen Siavosh Banihashemi seit langer Zeit. „Schon als Kind war Musik für mich das Interessanteste", sagt der Komponist, der schon bald begann, Geige und Klavier zu lernen. Die Leidenschaft für Musik ließ ihn nicht los. 2001, mit 25 Jahren, kam er schließlich nach Österreich, um hier ein Kompositionsstudium zu beginnen. Den Entschluss Komponist zu werden, hatte er schon einige Jahre zuvor gefasst. Aber "weil es in Teheran damals kein Studium für Komposition gab, hatte ich ein technisches Studium vorgezogen." Seine Beschäftigung mit Musik war im privaten Rahmen, aber mit professionellem Anspruch weitergegangen.

Siavosh Banihashemi komponiert ausschließlich mikrotonal. Eine Technik, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch überragende Persönlichkeiten wie Charles Ives und Alois Hába Eingang in die westliche Kunstmusik fand, die in außereuropäischen Kontexten jedoch eine lange Tradition vorweist. „In der persischen Musik ist Mikrotonalität ganz selbstverständlich", erklärt Banihashemi. Diese spezifische Klangwelt war ihm also schon lange vertraut, auch wenn er betont, dass er in seinen Werken Mikrotonalität nicht im traditionellen Sinn verwendet. Wie er überhaupt die Stärke der Neuen Musik gerade darin sieht, dass „sie nicht direkt an Traditionen gebunden ist". Direkte Vorbilder gibt es für ihn vielleicht auch deshalb nicht, aber Komponisten, die bewusst mit Mikrotonalität arbeiten, „sind und waren für mich wichtig." Den Zugang zu dieser speziellen Kompositionstechnik hat ihm jener österreichische Komponist gelegt, dessen Name untrennbar mit mikrotonaler Musik verbunden ist: Georg Friedrich Haas. Studiert hat Banihashemi indes hauptsächlich bei einem anderen bedeutenden Lehrer der Grazer Kunstuniversität, bei Gerd Kühr.

Die Zahl der Solowerke und der Kammermusik überwiegt bei weitem, wobei die Live-Elektronik in seinem Werk breiten Raum einnimmt. Banihashemi studiert seit 2005 zusätzlich auch Komposition im Spezialfach Computermusik. Am meisten Öffentlichkeit erreichte Banihashemi bislang im Frühjahr 2007, als seine Kammeroper „Forugh" als Teil des „Opernreigen der Zukunft" im Next Liberty aufgeführt worden ist. Eine Aufmerksamkeit, die den Komponisten auch zum Musikförderungspreis der Stadt Graz verholfen hat. Die Kammeroper, aus der ein abendfüllendes Werk entstehen soll, beschäftigt sich in origineller wie dichter Tonsprache mit der Lyrik der persischen Dichterin Forugh Farrochsad, die im Alter von 32 Jahren an den Folgen eines Autounfalls verstarb. Banihashemis Herkunft hat natürlich doch Auswirkungen auf sein Schaffen. Die hierzulande so gut wie unbekannte persische Literatur hat es ihm angetan. Sein im März 2008 in Graz uraufgeführtes Werk „Gohar e sorkh - Rote Perlen" basiert zu Teil auf Texten von Khayam, ein persischer Philosoph und Mathematiker des 11. Jahrhunderts. Die Faszination für die Literatur seiner Heimat dürfte seiner kompositorischen Phantasie noch lange Anregungen geben: „Ich komponiere gerade an einem Zyklus, in dem jeder Teil von einem anderem persischen Dichter beeinflusst ist."

„Gohar e sorkh" ist für die unkonventionelle Besetzung Schauspielerin, Posaune und Elektronik geschrieben, was die Experimentierlust, die bei Banihashemi jedoch sicher nicht auf äußerliche Effekte, sondern nach Innen zielt, gut dokumentiert. Wer sich nicht zu sehr an Traditionen bindet und ihnen verpflichtet fühlt, von dem bleibt wohl weiter das Unerwartete zu erwarten.


Martin Gasser , April 2008