Interessiert am Leben
Christian Klein: Eine Musik, die ihre Elemente entblößt.
Warum er Komponist geworden sei? „Keine Ahnung, warum hast Du Musik studiert?" Christian Klein ist ein offensiver Gesprächspartner. Fragen nach dem Wesen oder den Hintergründen seines Schaffens begegnet er mit Skepsis - „...Ich bin mir sicher, dass so eine Fülle von Missverständnissen entstünde...". Und auch zur Rezeption seiner Musik möchte er eigentlich nicht viel sagen, denn die gehe ihn nichts an. Diese kritische Wachheit und dieser Respekt gegenüber seinem Publikum ist eines der entscheidenden Merkmale im Schaffen des 1967 in Saarlouis an der deutsch-französischen-luxemburgischen Grenze geborenen Komponisten, der seine Musik nicht getrennt vom Leben um ihn begreifen möchte. „Kunst ist so wie jedes Handeln immer politisch", so Klein, der in seiner musikalischen Haltung stark von dezidiert politischen Komponisten wie Klaus Huber oder Luigi Nono geprägt worden war.
Nach einem Klavier- und Kompositionsstudium in Saarbrücken zog es ihn 1998 zu Beat Furrer an die Universität für Musik und darstellende Kunst in seine derzeitige Wahlheimat Graz. Zudem arbeitet Klein, der auch Kurse bei Gérard Grisey, Elliott Carter, Harrison Birtwistle und Klaus Huber besuchte, seit 2002 gemeinsam mit Florian Geßler als Kurator für Neue Musik im Grazer Kulturzentrum bei den Minoriten. 2005 bekam er den Förderpreis der Stadt Graz verliehen.
Den Begriff Neue Musik benutzt Klein mit ebensolcher Präzision und kritischer Distanz wie jenen der musikalischen Avantgarde. Diese beziehe sich, so Klein, auf eine Musik, die „einen Kontext für sich selbst schafft". So gesehen ist seine rhetorische Gegenfrage, ob es denn eine tonal gebundene zeitgenössische Musik gäbe, nur logisch. Auch Begriffen wie Inspiration, Kreativität oder Einfall begegnet Klein mit Unbehagen, zu groß sei die Klischeefalle, und in die möchte er nicht hineinfallen.
Christian Klein ist ein äußert selbstkritischer und handwerklich versierter Arbeiter, der sich, wenn er über seine Musik spricht oder schreibt, viel auf Philosophen wie Foucault oder Adorno beruft. Er sei interessiert am Leben und damit auch an jenen, die darüber geschrieben haben. Ihn interessiere eine Musik, „die ihre Elemente entblößt. Ich will, dass man hört, was passiert, dass meine Musik alle klanglichen Elemente einschließt, also auch die Geschehnisse an den Rändern."
Dabei geht Klein außerordentlich behutsam vor, seine oft für kammermusikalische Besetzungen geschriebene Musik will in erster Linie das wache, kritische Zuhören fördern. Ein Hören, das, so räumt Klein ein, durchaus anstrengend ist. Dass die wirklich Neue Musik insgesamt nur wenige Hörer finde, hat für Klein aber primär gesellschaftspolitische Gründe. Denn Menschen, welche die Fähigkeit des intensiven Zuhörens, des Lauschen besitzen, seinen weniger leicht manipulierbar als andere. Dies mache die Neue Musik, die ja gerade das wache, differenzierte Hören fördert, gefährlich. Die Möglichkeiten eines immer wieder existenziellen Hörens zu schaffen, beizeichnet Klein dabei als das Zentrum seiner Arbeit. Es gehe ihm darum, Musik zu machen, die in ein scheinbar gut funktionierendes Räderwerk einen kaum mehr hinterfragbaren Status quo etwas Sand streut.
Gefragt über die die Zukunft der Musik gibt Klein übrigens eine entwaffnende Antwort: „Dies beantwortet mein nächstes Stück".
Robert Spoula, Dezember 2007