Krarage & Wirklichkeit
In einer Garage am Grazer Wittekweg wird an großen Fragen gefeilt: Nora Köhler und Vera Kopfauf inszenieren als KRA Kunst zwischen Fiktion, Feminismus und Weltrettungsfantasie.
Eine Garage, zu eng für SUVs, wird bei KRA zur Kommandozentrale für die Rettung der Welt vor dem Auto. Am Holztor hängt ein „Einfahrt freihalten"-Schild, das hier niemand ernst nimmt. Drinnen gibt's eine Steckdose, deren Leitung ins Nichts führt. Täuschung und Tarnung passen ins Konzept: Die Krarage ist weniger Abstellplatz als Ideenlabor. Adresse: vierte Garage von links am Wittekweg.
Bei der Generalprobe zu „Mission Arnold Schwarzenegger", Untertitel „Terminauto", das beim Steirischen Herbst 2025 Premiere hatte, liefert der Kinderchor aus der benachbarten Pfarrkirche den unfreiwillig-ironischen Soundtrack, ein Anrainer stellt das Betonrühren ein, um zuzusehen, und Dana Crosa, argentinische Regisseurin im blauen Hosenanzug, überschüttet alle mit einem resoluten Schwall Spanisch. Man versteht vielleicht noch nicht ganz, worum es geht, aber spürt, wie der Alltag in die Kunst kippt, die Krarage und ihr „Open Air-Bereich" in den Film und andersrum. Dana Crosa hat Nora Köhler beim Theatertreffen in Berlin kennengelernt: eine Begegnung, die zeigt, wie rasch aus Festivalmomenten Kollaborationen entstehen können.
Weltrettung mit Zwinkern
Nora Köhler (geboren 1991) und Vera Kopfauf (geboren 1992) sind in der Oststeiermark aufgewachsen und kennen sich seit sie vier sind. Sie teilten Ballettstunden, Jugendtheatererfahrungen und die Bühne in der Theaterfabrik Weiz. Dieses Vertrauen ist ihre „Superkraft". „Wurscht, wir machen das jetzt", sagt Nora Köhler - und Vera Kopfauf nickt. 2023 gründeten sie KRA, nicht als Abspaltung des Planetenparty Prinzips, bei dem Nora weiterhin aktiv ist, sondern als eigenes Kunst-Labor: klein, beweglich, risikofreudig, mit der Freiheit, nicht nur Performance zu machen.
„Wir lösen alle Konflikte der Welt", behaupten sie mit einem Grinsen. Diese Aufgabe bestreiten sie in bunten Hosenanzügen, - oder auch einmal etwas martialischeren Action-Film-Outfits - und entwickeln Rollen, in denen viel Freude am Spiel und dessen Brechung, aber auch Haltung steckt. „Wir treten als Konfliktlöserinnen auf - irgendwo zwischen fiktiver Figur und realer Persönlichkeit", sagt Vera Kopfauf. „Ob man uns das glaubt oder nicht, darf jede und jeder selbst entscheiden." Wenn man ihnen zuhört, ist man nie ganz sicher, ob man noch den ungefilterten Gedanken der Künstlerinnen lauscht oder schon Teil einer Satire-Performance geworden ist.
Ihre Produktionen tragen Namen wie „Mission Sant Climent", „Mission Mutter Teresa" oder „Mission Arnold Schwarzenegger". Letzteres ist ein Live-Actionfilm, der jeden Abend neu entsteht. Das Publikum sitzt dabei nicht im Theatersessel, sondern steht mitten im Dreh. Im Zentrum steht die Frage, wer die Welt retten darf: Muskelheld oder Künstlerin. Schwarzenegger haben sie tatsächlich getroffen - und zwar zufällig in Thal bei einem Event, wo sie mit ihm gemeinsam Gewichte stemmten. Seither steht er ganz oben auf ihrer Wunschliste als Mitstreiter im Kampf gegen die Klimakrise.
Nachbarschaft & Welt
Der internationale „Anstrich" ihrer Website ist zugleich Anspruch und Ironie. KRA spielen in Graz, Wien, Sarajevo, Turin und Berlin. Über Netzwerke wie IN SITU erschließen sie internationale Festivalauftritte und Residencies, die längerfristig geplant sind. Und doch haben sie ihre Homebase in einer schmalen Garage, die aus einer Zeit stammt, als Autos etwas kleiner waren. „Die Garage ist unser Studio, Wohnzimmer und Labor zugleich - hier kann alles anfangen", sagt Vera Kopfauf. So probten sie drei Tage lang mit einem norwegischen Regisseur und beendeten das Experiment mit einer 45-minütigen Live-Übertragung aus einem Auto.
"Kunstraum Steiermark"-Stipendium
2025/26 sichert ein „Kunstraum"-Stipendium des Landes Steiermark die Miete. „Das nimmt uns den Ablieferdruck und gibt Raum für Experimente", sagt Vera Kopfauf. Politisch sind ihre Zugänge immer, auch wenn sie den Anspruch ironisch brechen. Klimakrise, patriarchale Strukturen und Machtfragen nimmt KRA ernst, dreht sie ins Groteske oder ins Absurde. „Einfache Lösungen für komplexe Probleme gibt es nicht", meint Nora Köhler. „Trotzdem suchen wir nach Erzählungen darüber. Wir unterwandern bewusst den Wunsch nach der einen schnellen Antwort," ergänzt Vera Kopfauf.
Ihre Arbeitsweise ist geprägt von schnellen Entscheidungswegen - vieles wird unmittelbar abgestimmt. Was wie Improvisation wirkt, gründet auf drei Jahrzehnten Blindverständnis. Dahinter steckt jedoch ein beträchtlicher organisatorischer Aufwand, der jenseits der Proben kontinuierlich geleistet wird.
Künstlerische Einflüsse & Wünsche an die Welt
Ganz ohne Bezugspunkte arbeiten Nora Köhler und Vera Kopfauf aber nicht. Nathan Fielder, kanadischer Comedian und Meister im Spiel mit der Überschneidung von Realität und Fiktion, ist für Nora Köhler eine wichtige Referenz. Auch und besonders die freie Theaterszene war prägend. „Die Rabtaldirndln waren unsere Lehrerinnen. Theater im Bahnhof, Simon Windisch, das TaO!, die Theaterfabrik Weiz und natürlich auch das Planetenparty Prinzip - all diese Theatermenschen haben riesigen Einfluss gehabt", betont Nora Köhler. „Wenn man sich unsere Arbeiten anschaut, sieht man natürlich, wo wir herkommen."
Auf die Frage nach einem Wunsch fällt die Antwort unterschiedlich aus. „Geld und Macht - so wie alle", behauptet Nora Köhler und lacht. Vera Kopfauf wünscht sich dagegen, dass alle Probleme der Welt gelöst sind - und es KRA damit gar nicht mehr braucht. Bis dahin bleiben sie, was sie sind: pragmatisch, clever, eine geballte Ladung Superwomen-Power. „We don't try it - we do it!", sagen sie. Vom Bundespräsidenten bis zu den Nachbarinnen sei jede und jeder willkommen - auf ein Bier zum Beispiel. Und wenn es zu viel wird, machen sie eben das Garagentor zu.
Sigrun Karre
September 2025