Bereit für den nächsten Schritt
Der Kunst- und Kulturverein „Raum 117“ öffnet Räume in Graz für die kreative Nutzung.
In der Smart City im Westen von Graz ist rund um die List-Halle und den gläsernen Wissensturm ein neuer Stadtteil mit schicken neuen Wohnbauten und Bürogebäuden entstanden. Mittendrin in diesem Klein-Berlin befindet sich - als Relikt alter Tage - das Verwaltungsgebäude der ehemaligen Stahlfirma Eberhardt, ein architektonischer Flachdach-Zweckbau aus den 1970ern. Hier hat 2022 das Künstlerkollektiv „Raum 117", benannt nach der Adresse Waagner-Biro-Straße 117, seine Ateliers eingerichtet. An den Außenwänden setzen flächendeckende Graffitis und Murals ein kräftiges Lebenszeichen, geschaffen wurden sie im Rahmen des international besetzten Graffiti-Festivals "Jam 117", mit dem man 2022 einen starken Auftakt für die die Nutzung der Halle setzte. „Kunst soll öffentlich sichtbar sein", findet der Maler Florian Perl, einer der Gründer von „Raum 117".
Zusammen mehr schaffen
Das Kollektiv besteht aktuell aus 16 Künstlerinnen und Künstlern unterschiedlichster Sparten. Gefunden und zusammengetan hat man sich 2021 am Reininghaus-Gelände, wo man Ateliers bespielte, bis dort die Baumaschinen auffuhren; doch bald war eine neue temporäre Bleibe in der Smart City gefunden. „Zusammen kannst du mehr schaffen", ist das Credo der Leute von „Raum 117". Sie definieren sich weniger durch eine gemeinsame ästhetische Richtung als vielmehr durch ein offenes Mindset. „Wir wollen einen Raum öffnen, wo sich Kreative kennenlernen und Neues entstehen kann", sagt Julia „Julez" Wolf. Die Künstlerin, die sich auf Siebdruck und Malerei spezialisiert hat, bildet gemeinsam mit dem Maler Florian Perl, der Grafik- und Fotokünstlerin Ramona Lavrincsik und der Fotografin Elena Laaha den Vorstand des Vereins hinter dem Kreativkollektiv. „Wenn du Menschen einen Raum gibst, die Ideen und Elan haben, dann muss man gar nicht viel vorgeben. Dann entsteht die Nutzung von ganz allein - ob das Theater ist oder ein Poetry Slam oder ein Konzert, eine Ausstellung oder eine Wandbemalung", sagt Wolf. „Und das ist es, was wir alle so feiern."
Offene Werkstätten
Im „Raum 117" gibt es eine Werkstatt mit Platz für bildhauerische Aktivitäten, gegenüber ein Regal voller Farbspraydosen für die Betätigung im Freien. Nach einem kleinen Durchgang mit Küchenzeile und Retro-Stereoanlage tut sich der Hauptraum auf, der Platz für großformatige Malerei bietet, und wo eine Lithographiepresse und andere Gerätschaften auf ihren Einsatz warten. Die Wände sind mit Gemälden bestückt, der Geruch von Farbe und Lack hängt in der Luft, vom anderen Trakt des Gebäudes her erklingen in gedämpfter Zimmerlautstärke die Songs einer Band, die dort ihren Proberaum hat. „Die junge Kreativszene braucht Orte, die nicht zu teuer, niederschwellig zu nutzen und frei sind", sagt Julia Wolf.
Bereit für das nächste Level
Neben den Räumlichkeiten in der Smart City ist das „Raum 117"-Kollektiv seit 2023 gemeinsam mit drei weiteren Kunst- und Architekturvereinen Teil der Pioniernutzung in der Rösselmühle im Bezirk Gries. Dort werden zwei Wohneinheiten im ehemaligen Arbeiterhaus angemietet und als Büro, Siebdruckstudio, Fotostudio sowie Töpferstudio genutzt. Und als drittes Standbein ist man seit Juli 2025 an dem Creative Space „fenco&friends" von uniT in der Grazer Reitschulgasse 10 beteiligt, wo ein Nähatelier, ein Fotostudio und Workshopräume genutzt werden können.
"Kunstraum Steiermark"-Stipendium
Das „Kunstraum Steiermark"-Stipendium ist für die Vereinsverantwortlichen, die eine Menge an Eigenleistung in die Vereinstätigkeit einbringen, eine große Erleichterung. Mit dem Stipendium können aufwändige organisatorische Tätigkeiten zumindest im Ansatz vergütet werden, und auch die Miete für die Ateliers wird zum Teil von der Förderung beglichen. „Das Stipendium hat uns geholfen, als Verein voranzukommen", sagt Julia Wolf. Nach vier Jahren Vereinsarbeit ist das Kollektiv so weit, sich einen Ort zur permanenten Nutzung zu finden. „Wir sind bereit, unsere Aktivitäten auf ein neues Niveau zu heben."
Raum 117
Der Verein hat das Ziel, Aktivitäten im Bereich Kunst und Kultur zu fördern und zu organisieren. Dazu zählen die Auseinandersetzung mit künstlerischen Inhalten, die Vermittlung von Wissen sowie kulturelle Veranstaltungen. Zusätzlich öffnet der Verein physische Räume sowie Formate für den persönlichen und inhaltlichen Austausch und die Vernetzung.
Mitglieder des Kollektivs Raum 117
- Elena Laaha (1998, Graz) ist Fotografin mit Fokus auf Portrait und Stillleben, in denen sie Themen ihres Soziologiestudiums verarbeitet.
- Ramona Lavrincsik (1999, Hartberg) ist interdisziplinäre Künstlerin mit Schwerpunkt auf Malerei, Fotografie, Grafik und Handwerk.
- Florian Perl (2001, Graz) arbeitet freischaffend mit Schwerpunkt auf großformatiger Wandgestaltung und engagiert sich im Kollektiv „Raum" für kulturelle Vernetzung.
- Julia „Julez" Wolf (2002, Salzburg) absolvierte die Ortweinschule Graz für „Grafik- und Kommunikationsdesign". Sie arbeitet interdisziplinär mit Fokus auf Malerei und Siebdruck und übernimmt die künstlerische Co-Leitung von dem Upcycling Label STUDIOFENCO.
- Martin Angelov (2002, Plovdiv) ist Maler, Animator und Grafikdesigner mit expressiv-melancholischem Stil, der derzeit Mediendesign in Graz studiert.
- Jana Aschauer (2001, Feldbach) übernimmt als Kulturschaffende und Organisatorin Raumvermittlung, Künstler*innenbetreuung und Öffentlichkeitsarbeit für Ausstellungen, Workshops, Festivals und Theaterproduktionen. Auch in ihrem Soziologiestudium setzt sie sich mit urbanen und feministischen Themen auseinander.
- Felix Baptist (2001, Feldbach) beschäftigt sich mit analoger, dokumentarischer Fotografie, die Alltag und Beobachtung verbindet, und studiert Europäische Ethnologie in Graz.
- Helena Frankl „Pix" (1996, Bruck/Mur) arbeitet im Bereich Film und Streetart, studiert Film, TV & Medien in St. Pölten und sucht in ihrer Videografie neue künstlerische Ausdrucksformen.
- Martin Glawitsch (1991, Oberpullendorf) ist ein spartenübergreifender Künstler aus Graz, dessen Arbeiten sich mit Träumen, Farbigkeit und Realitätsflucht auseinandersetzen.
- Lili Jocham (2000, Graz) ist Sozialpädagogin und hat die Meisterschule für Malerei an der HTBLVA Ortwein absolviert - sie arbeitet mit verschiedenen Medien mit Fokus auf Malerei.
- Paul Resch (1996, Friesach) ist Künstler und Gestalter mit Fokus auf Tiefdruck, Malerei und Fotografie und beschäftigt sich mit emotionalen Themen. Er hat das Bachelorstudium Informationsdesign an der FH Joanneum mit dem Schwerpunkt Ausstellungsdesign absolviert.
- Miro Schober (1997, Graz) ist Art Director und Designer mit Wurzeln in Grafikdesign und freier Kunst, bekannt durch Projekte wie „PointLessNess" und das Bock-Magazin.
- Amadea Soltau (1999, Bath) absolvierte die Ortweinschule Graz für „Grafik- und Kommunikationsdesign". Sie findet ihren Ausdruck in Musik und Malerei.
- Nico Sprachmann (1999, Klagenfurt) studiert Lehramt für Deutsch und Kunst, arbeitet intuitiv expressionistisch mit Malerei, Sprache und Fotografie.
- Oskar Traut (2001, Wiesbaden) studiert Architektur an der TU Graz und formt Skulpturen aus ungewöhnlichen Materialien wie Kaugummi und Beton.
- Magdalena "Magda" Vith (2000, Hohenems) studiert Architektur in Graz, ihre Arbeiten entstehen aus dem Wunsch, Raum auf soziale Bedürfnisse hin zu gestalten. Sie gründete das Kollektiv "Knots and Pots", welches Raum für gemeinschaftliche Handwerk-Projekte öffnet.
Text: Werner Schandor
Juli 2025