Mit viel Fingerspitzengefühl
Von Neuer Volksmusik über Tango bis hin zu Kammermusik und Gipsy Swing: Der Akkordeon-Virtuose Christian Bakanic ist in etlichen Stilen heimisch. Das Rüstzeug für seine musikalischen Welterkundungen hat er sich in Graz angeeignet.
Sein Terminkalender ist beachtlich voll, das Treffen zwecks Interview hat dennoch erstaunlich flott geklappt: Ein paar Tage nach Abschluss einer Solo-Tournee mit acht Konzerten in China und am Zwischenstopp am Weg von Wien, wo Christian Bakanic seit 2014 lebt, zu einem Kärntner Konzerttermin mit der All-Star-Band der Neuen Volksmusik, „Alpen & Glühen", treffen wir uns in Graz zum Gespräch. Hier hat Bakanic bislang die längste Zeit seines Lebens verbracht, hier hat er sich das Rüstzeug für seine musikalischen Welterkundungen zugelegt, die er aktuell mit verschiedensten Ensembles unternimmt:
- etwa im Quartett mit dem Gipsy-Gitarristen Diknu Schneeberger (mit Julian Wohlmuth an der 2. Gitarre und Martin Heinzle am Kontrabass),
- im fast schon poppig angehauchten Crossover-Duo mit Marie Spaemann (Chello, Stimme, Elektronik),
- im „Trio Infernal" (Christian Wendt am Bass und Jörg Haberl am Schlagzeug), das mit der Austro-Argentinierin Paula Barenbeum (Gesang) auftritt,
- und im Kammermusikensemble „Plattform K+K" rund um den Primgeiger Kirill Kobantschenko von den Wiener Philharmonikern.
Das Akkordeon ist ein perfektes Instrument, wenn es darum geht, verschiedene Musikstile zu bereichern. „Es ist gleichzeitig Soloinstrument und ein super Begleitinstrument, aber man kann es auch wie ein Blasinstrument spielen - nur auf die Melodie reduziert," sagt der Virtuose, der in vielen verschiedenen Stilen heimisch ist. „Es ist mit der Musik wie mit der Sprache: alle Sprachen haben eine gewisse grammatische Struktur. Ich bin nicht sprachenbegabt, aber ich bin darin begabt, musikalische Dialekte schnell zu verstehen. Wenn man ein oder zwei musikalische ‚Sprachen‘ gut beherrscht, kann man recht schnell auch die anderen lernen."
Von der Harmonika zum Akkordeon
Mit zehn Jahren gewann Christian Bakinic, Jahrgang 1980, erste Musikwettbewerbe auf der Steirischen Harmonika, mit 14 übersiedelte er von seinem Heimatort Jennersdorf im Südburgenland in die steirische Landeshauptstadt, um am Musikgymnasium Dreihackengasse und am Johann-Joseph-Fux-Konservatorium die Möglichkeiten des Akkordeons zu erkunden. Beim anschließenden Studium des Konzertfaches Akkordeon an der Musikuniversität Graz tauchte er auch in die Gefilde des Jazz ein, dies vor allem durch „learning by doing", indem er mit vielen verschiedenen Musikern spielte. „Graz hat viele Qualitäten, die wichtig für mich waren", erzählt der Musiker im Rückblick. „Es gab damals - und gibt es heute auch noch - eine gute Akkordeonklasse. Und als ich hier studierte, gab es eine coole Stimmung. Die Stadt war ein musikalischer Schmelztiegel, weil sehr viele Leute vom Balkan in Graz waren und Musik machten. Dazu kam Klaus Johns, mein Lehrer an der Uni, von dem ich den Tango aufgeschnappt habe ... Für eine mittelgroße Stadt war das schon bemerkenswert spannend hier, und es hat mich geprägt."
Beefólk und Folksmilch
An der Grazer Musikuni lernte Bakanic früh Mitstreiter kennen, die in den nächsten Jahren und teils bis in die Gegenwart seine musikalische Reise prägten. Da war zum einen die Band Beefólk, die Pionierarbeit in Sachen Neue Volksmusik leistete und Stammgast auf vielen Festivals in ganz Europa war; und da ist zum zweiten die Formation Folksmilch, die in der Trioversion mit Klemens Bittmann (Chello) und Eddie Luis (Kontrabass) seit über 20 Jahren besteht und die zuletzt im Frühjahr 2025 in der Kammeroper „Maria de la Buenos Aires" am Theater an der Wien zu hören war. Als Quartett mit Milos Milojevic an der Klarinette ist Folksmilch 2025 zudem mit einem „Best of"-Programm auf Tour.
Von der Volksmusik zum Tango Nuevo
„Die Quintessenz von Christian Bakanics Arbeit ist die stete Bewegung, der immerwährende Austausch und nicht zuletzt die spannende Suche nach neuen Möglichkeiten", hieß es in einem Radioporträt 2024 auf Ö1 über ihn. Die Wurzel für seine musikalischen Erkundungen liegen in der Volksmusik. „Auch als Basis für die Klassik ist es nicht schlecht, Volksmusik zu verstehen", meint er im Gespräch. Mit 14 Jahren ist er von der Steirischen Harmonika und Klarinette auf das Akkordeon umgestiegen und hat die Klassik besser kennengelernt. „Und dann bin ich bald auf Astor Piazzollas Tango Nuevo gestoßen, und da habe ich gemerkt, dass sich meine Welten verbinden: Klassik, Jazz und auch Volksmusik. Da ist mir zum ersten Mal aufgefallen, dass man Stile verbinden kann; das war für mich sehr ergiebig." - Ergiebig nicht nur als Musiker, sondern auch als Komponist, der in all seinen Kollaborationen eigene Stücke in verschiedensten Stilen einbringt und „seine Hörer mit Authentizität und Virtuosität" überzeugt, wie es im Ö1-Porträt heißt.
Sein Know-how und seine Leidenschaft gibt Bakanic als Lehrbeauftragter am Grazer Konservatorium weiter, wo er einen Kurs zum Ensemblespiel in der Neuen Volksmusik leitet. Letztlich komme es als Musiker immer auf die Eigeninitiative und natürlich auf Professionalität an. Im Zusammenspiel sei aber auch wichtig, „dass man sich darauf einstellt, wie die anderen ticken. Um sich in eine Band einzufügen, braucht es viel Fingerspitzengefühl." - Sagt der Mann, der ebendieses Gefühl auch auf den Tasten seines Instruments meisterhaft zum Ausdruck bringt.
Website: www.christianbakanic.com
Werner Schandor
Juni 2025