„Irgendetwas dazwischen“
Unkonventionell, und klassischen Genres der bildenden Kunst ausweichend, sind Material und Form im Werk des Grazers Anton Adamer.
"Zwischen Fläche und Raum" nannte Anton Adamer seine Ausstellung im Mai 2025 in der Kunsthalle Graz. Kurz beschrieben handelt es sich bei den hier erstmals präsentierten Objekten um Bildtafeln nach Betongussverfahren, die in regalartige Konstruktionen aus Stahlstäben integriert sind. Adamer bezeichnet seine Objekte als "Casted concrete on modular system" - Arbeiten, denen Prinzipien zweidimensionaler Malerei zugrunde liegen und die zum dreidimensionalen Objekt erweitert sind.
Der 1998 in Graz geborene Künstler steht kurz vor dem Abschluss seines Studiums der Malerei und Grafik bei Anne Speier an der Kunstuniversität Linz. Im eigentlichen Sinn „gemalt", in Öl auf Leinwand etwa, habe er aber nicht. Vielmehr waren es stets Experimente mit Techniken und Materialien, die tendenziell an die Skulptur reichen, zu dreidimensionalen, Raum einnehmenden und bestimmenden Werken führen, wobei Handwerk und Materialerprobung immer maßgeblich waren und nach wie vor sind. „Als Student einer Malklasse bin ich eher exotisch", merkt Anton Adamer in unserem Gespräch an.
Verzweigter Weg
Seinem Zugang zur Kunst geht ein durchaus verzweigter Weg voran. Nach früher „Kunstschule" am BORG Feldbach, unterrichtet von der Malerin Claudia und dem Bildhauer Hannes Fladerer, arbeitete Adamer für einige Jahre im Sozialbereich. Gewissermaßen „einsiedlerisch", wie er erzählt, lebte er in dieser Zeit in einem Kellerstöckl in Hitzendorf bei Graz. Dort besorgte er sich eine alte Druckerpresse und versuchte sich, „autodidaktisch", in diversen Techniken der Druckgrafik. Über etwa fünf Jahre entstand eine Vielzahl von Grafiken, Radierungen beziehungsweise teils über Schablonen angelegte, informelle Öldrucke, abgenommen von Stahlplatten. Durchwegs arbeitete Adamer an Monotypien, aufgrund der eingesetzten Materialien und des Verfahrens nicht wiederholbare Unikate, die so eigentlich dem seriellen Prinzip der Druckgrafik nicht entsprechen. Während folgender zwei Jahre (ab 2020/21) an der Meisterschule für Kunst und Gestaltung der Grazer Ortweinschule - Malerei bei Klaus Schuster - wurde Adamer gleichzeitig an der Kunstuniversität Linz bei Ursula Hübner in die Klasse für Malerei aufgenommen, die, später und nach Pensionierung Hübners, Anne Speier übernahm. Und wieder wurden Verfahren und Techniken modifiziert, indem die Monotypie um Spray-Prints (Drucke von Sprühfarben) erweitert wurde.
Eigenständige Verfahren und Formen
Das Entdecken und Entwickeln von in der Kunst gemeinhin kaum gebrauchten Materialien, die zu wirklich eigenständigen Verfahren und Formen führen, ist wohl ein Adamers Werk bezeichnendes Kriterium. Während der Arbeit dagegen ist es der „schnelle, gestische Auftrag von Spraypaint auf das Trägerpapier - „roh, direkt, intuitiv" (Adamer). Abseits jeglichen Motivs entsteht die Form während des Tuns, im Wissen um den Abstrakten Expressionismus freilich, aber nicht in der Adaptierung von Formen. 2022 wurden Collagen und Monotypien dieser Art in der Kunsthalle Feldbach präsentiert. Unter dem Ausstellungstitel "Brighten the Corners" befand sich auch eine Installation aus Abdeckplanen, die mit fluoreszierendem, transparentem Spray beschichtet war. Der Spray war auch an den Raumkanten der Halle aufgetragen. Bei sphärischer Audioeinspielung und Verdunkelung des Raums leuchteten dessen Umrisse und die Oberfläche der Planen: Die Kubatur des Ausstellungsortes war damit als künstlerische Skulptur bezeichnet.
Umwege über Detroit, Milwaukee und Peru
Sagen wir, es war eine Intermission, die nun folgte. Mit sich selbst und künstlerischer Entwicklung unzufrieden, begab sich Adamer kurzerhand nach Detroit, wo er den Künstler und Restaurator Carlos Nielbock traf. Fasziniert nicht allein von dessen handwerklichem Umgang mit Stahlskulpturen, konnte der Grazer eine Zeitlang in der Werkstatt des gelernten Schmieds arbeiten. Per Fahrrad zuerst, führte der „Selbstfindungstrip" darauf noch nach Chicago und Milwaukee und endete bei Ureinwohnern im peruanischen Dschungel. Hier endlich entstand eine Reihe von Cyanotypien auf Basis von Fotografien, die der Künstler als „malerische Fotografie" bezeichnet, nach der Absicht, ein „Symbiose aus Malerei und Fotografie" (das eine nicht und nicht das andere) herzustellen. In Rückschau meint Adamer, habe ihn vor allem Nielbock zu „Metall und Beton" gebracht.
Wieder in Österreich - zudem angeregt durch auf Baustellen verwendeter Materialien - begann Adamer mit „Materialforschung", aus der seine aktuellen Arbeiten hervorgehen sollten, die sich nun der Zuordnung zu einem Genre entziehen oder vielleicht, siehe oben, gleichfalls einer „Symbiose zwischen Malerei/Druckgrafik und Skulptur" entsprechen. Adamer fertigt Modeln, auf deren Grund eine Glasplatte liegt. Auf der Glasplatte wird mit Kreidepigmenten gestisch und informell gemalt. Die Farben wiederum entsprechen Markierungsmitteln, wie sie auf Baustellen verwendet werden. In die Modeln wird daraufhin eine Betonmischung aus feinkörnigem Sand und Zement gegossen, wobei der Beton während des Aushärtens die Farbstruktur von der Glasplatte aufnimmt - eine Art Druckverfahren somit. Die Oberfläche dieser so hergestellten und durch Armierungsgewebe verstärkten Betonplatten wirkt nach Abdruck glasartig. Es entsteht jeweils ein Tafelbild, das nach Volumen und Struktur eigentlich auch schon Plastik/Skulptur ist beziehungsweise eine flat sculpure, wie sie der Künstler nennt. Und solche Bildobjekte werden nun in selbst entworfene und selbst gefertigte Gerüste aus gebürsteten Stahlstreben eingearbeitet. Im Ganzen damit ein modulares System, das nach Ort und Umständen der Präsentation in seiner Struktur variabel ist. Und einerlei, ob Malerei oder Skulptur, beschreibt der Künstler seine Haltung: „Irgendetwas dazwischen."
Kunstverein Kavvasaki
Ein Objekt allerdings bildet eine Ausnahme unter den bisher informellen Arbeiten und fällt, wie es Adamer formuliert „ein wenig aus dem Kontext". Eine, nach Motiv entworfene, Skulptur ist das Bett aus Stahl und Glas, das in der von Roman Grabner kuratierten Ausstellung Ambivalenzen Anfang 2025 im Gerberhaus Fehring zu sehen war. Auf metallenen Bettfedern liegen Stahlplatten mit Schweißnähten, darauf, wie Decken, zwei Elemente aus geschmolzenem Drahtglas. Das „Bett" ist eine ironische Interpretation des Begriffs „Bett" in den ungefähren Maßen 60 x 40 x 15 cm. In seinen Proportionen modellhaft, mag man an den mythologischen Prokrustes erinnert sein, der es Reisenden, bei zwar bestem Willen, in seinem Bett nicht unbedingt gemütlich gemacht haben soll.
Mit dem steirischen Konzeptkünstler Alfred Lenz teilt Adamer sich ein Atelier am Wiener Yppenplatz. Am Ort einer vormaligen Motorradwerkstatt gründen die beiden Künstler demnächst einen Kunstverein namens Kavvasaki. Ein über 100 m² großer Offspace wird gerade adaptiert und soll mit Ausstellungen von Kolleginnen und Kollegen bespielt werden.
Wenzel Mraček
Mai 2025