Kein Waldbauernbub (*/**)
Der Ennstaler Peter Gruber vermittelt in Heimatromanen abseits der gängigen Klischees Lokalkolorit und Sozialgeschichte.
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Sieht man sich die biographischen Eckdaten von Peter Gruber an, ist man geneigt, ihm gewisse Ähnlichkeiten mit dem wohl berühmtesten Heimatdichter der Steiermark zu attestieren: Geboren 1955 wuchs er als eines von 9 Kindern auf einem Bergbauernhof bei Pruggern im Ennstal auf. Und auch wenn er täglich - ähnlich wie bei der Krieglacher Waldheimat - über eine Stunde zu seiner Schule gehen musste, weist Gruber Vergleiche mit Peter Rosegger entschieden zurück: „Ich bin kein Waldbauernbub. Vielleicht hört sich ein Lebensweg wie meiner pseudoromantisch an, das ist er aber weiß Gott nicht." Abgesehen davon schlug der vermeintliche Erbe des Volkspoeten einen ganz anderen Lebensweg ein: Nach einer Ausbildung zum Bürokaufmann und Marketing-Assistenten arbeitete Gruber lange Zeit im Tourismus, bis er sich 1996 selbständig machte, um den Fokus auf die literarische Arbeit zu legen. Seit 2005 wohnt er in Wien.
Der Exil-Ennstaler streitet jedoch nicht ab, dass ihn seine Herkunft durchaus geprägt hat: „Ich habe dadurch eine starke Bindung zur Natur, und deren Beschreibung ist wohl auch eines der wesentlichen Charakteristika meiner Dichtung." Gruber verleiht der Natur in seinen Texten personalen Charakter; sie agiert als gleichwertige Mitspielerin neben den Menschen und zeigt in Extremsituationen auch ihre Übermacht. Das beste Beispiel dafür ist Grubers dritter und bislang letzter Roman, „Tod am Stein", bei dem die grenznahe Begegnung zwischen Mensch und Natur tödlich endet. Gruber schildert die tragischen Ereignisse des Jahres 1954, als sich eine 13-köpfige Schülergruppe aus Heilbronn trotz Schlechtwetters auf den Weg ins Dachsteinmassiv begab und dort ums Leben kam.
„Tod am Stein" bescherte dem Autor überregionale Anerkennung. Speziell aus Deutschland und aus Heilbronn, dem Heimatort der Opfer, gab es viele positive Rückmeldungen - „auch von Seiten der Medien, was hierzulande eher schwierig zu erzielen ist." Nichtsdestotrotz fand das Buch auch breite Akzeptanz bei der heimischen Bevölkerung. Speziell bei Lesungen gab es immer wieder berührende Momente, als Bergretter von damals mit ihren Tagebucheintragungen an den Autor herantraten und ihm für sein Werk Respekt zollten: „Die haben sich bedankt, dass endlich jemand ihr großes Jugendtrauma aufarbeitet - schließlich gab es damals im Gegensatz zu heute keine psychologische Hilfe bei Katastrophen, und die Menschen waren völlig auf sich allein gestellt. Das ist mir erst im Nachhinein bewusst geworden."
Die sensible Aufarbeitung geschichtlicher Stoffe ist das zweite Markenzeichen des Autors. Sein 1998 erschienener Debütroman „Notgasse" erzählt vom Leben einer Bauernfamilie zur Zeit der Reformation und des Bauernaufstandes im Jahr 1525, während „Schattenkreuz" (erschienen 2001) mit der Geschichte eines Wilderers im Jahre 1931 ebenfalls eine historische Begebenheit aufgreift. Man könnte also meinen, Grubers Romane folgen einem chronologischen Faden, doch auch hier winkt der Schriftsteller ab: „Es war nie geplant, eine Dachstein-Trilogie zu erstellen, und ich folge beim Schreiben auch keinem Masterplan. Ich lasse mir meine Ideen und Themen bewusst offen, damit sie sich entwickeln und wachsen können." Dies geschieht in erster Linie in den Sommermonaten, wenn sich Gruber auf eine Alm im Dachsteinmassiv zurückzieht, um Ruhe für seine umfangreichen Recherchen zu finden. Das nächste Werk ist bereits in Arbeit, und eines steht schon fest: Eine „Waldheimat" wird es auch diesmal nicht werden.
Wolfgang Kuhn
Dezember 2007
*Update 2011
Auch in seinem vierten Buch, dem 2008 erschienenen „Sommerschnee", widmet sich Peter Gruber - diesmal gemeinsam mit dem Fotografen Kurt Hörbst - den Bergen des Ennstales. „Sommerschnee" ist das „Porträt eines Almlebens" im Dachsteingebirge, das in eine vom Tourismus unberührt gebliebene, älplerisch-nomadisch, archaisch anmutenden Lebenswelt entführt. Claudia Theiner schrieb dazu in der Südtiroler Tageszeitung „Dolomiten": "Ein Buch, das leise und liebenswert den Mythos Alm wachhält."
2009 widmete sich Peter Gruber als Autor und Regisseur einem großen Freilicht-Adventspiel in Pruggern/Ennstal, wo ein ganzes Dorf - von der Volksschule bis zu Musikkapelle - in ein Spiel von der frohen Botschaft der Geburt des Heilands einbezogen wurde. Seit 2010 arbeitet Gruber wieder an einem Roman, der erneut in der Bergwelt des Dachsteingebirges angesiedelt sein wird.
ARTfaces-Redaktion
Februar 2011
**Update2023: Die Hirtenreisen des Peter Gruber
Im Trio mit Bodo Hell und Toni Burger tourte Peter Gruber - wie schon in den Jahren davor - auch im Herbst 2023 durch die Lande rund um das Dachstein-Plateau: In Radstadt, Bad Ischl und Grundlsee berichteten die beiden Literaten Hell und Gruber gemeinsam mit dem Musiker Burger von ihren Erlebnissen und Erfahrungen als Hirten am Dachsteinplateau. Notlandende Paragleiter; Wanderer, die ihre Hunde nicht an der Leine haben; stierige Kühe, die auf Lepschi gehen; vorzeitige Wintereinbrüche mitten im August - und seit einigen Jahren auch die Sorge vor dem Wolf ... Gruber hält seine Gedanken und pointierten Beobachtungen in Journalen fest. 2022 teilte er sie auch mit Kulturinteressierten, die im Rahmen der „La Strada"-Produktion „Signal am Dachstein" zu Gruber auf den Hirzberg im Kemetgebirge kamen.
Dass die Wanderungen im Hochgebirge oft keine Spaziergänge sind, hat Gruber in mehreren seiner Bücher verarbeitet. Zu den Romanen „Notgasse" (1998), „Tod am Stein" (2005) und „Sommerschnee" (2008) gesellte sich 2015 der Roman „Das Tagebuch des Kenneth Thomas Cichowicz". Es basiert auf den Aufzeichnungen jenes Amerikaners, der 1985 am Hallstätter Gletscher in eine Gletscherspalte stürzte und schwerverletzt 18 Tage lang bis zu seiner Rettung ausharren musste.
Die Website des Autors zählt noch weitere Bücher auf, darunter „Tornado. Spur ins heute" (2018): eine Annäherung an das Tornado-Ereignis, das im August 1916 Teile von Wiener Neustadt verwüstete. Das Buch versammelt Beiträge von Peter Gruber, Bodo Hell und Alois M. Holzer.
Ebenfalls 2018 veröffentlichte Gruber einen Band über „Meine vier Reisen im Orient". Darin geht es um Grubers Begegnungen mit Hirtenkollegen in Armenien, Georgien, Aserbeidschan und im Iran. Ausgangspunkt dafür war eine Einladung des Österreichischen Kulturforums in Teheran, wo Gruber gemeinsam mit Bodo Hell, der Autorin Andrea Nießner und dem Botaniker Ernst Vitek in Dialog mit iranischen Kollegen trat. „Welch schönes, reichhaltiges, weit-schweifendes Werk! Eure Reise muss wunderschön und wundersam gewesen sein, mit so vielen kundigen Führern und in so entlegene Gegenden. Ein großes, großes Vergnügen und eine Erkenntniserweiterung", schrieb die Germanistin Brita Steinwendtner über Grubers Buch.
2019 schließlich erschien „Bewimpertes und Rostblättriges" - ein Alm-Lesebuch, das nach den beiden Arten des Almrausches benannt ist. Dieses Buch ist eine Sammlung von Erzählungen, Essays, Märchen, Almtagebuch-Auszügen, historischen Hinterfragungen und Mundart-Charivaris, die zwischen 1999 und 2019 entstanden sind.
ARTfaces-Redaktion
November 2023