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Architektur
Literatur, Theater und Symposien
Als Fremdkörper im unmittelbaren Wortsinne, als magerer, blasser, schon früh an Literatur interessierter Jugendlicher in der gänzlich illiteraten und vom körperlichen Arbeitsethos geprägten Welt seiner Familie, musste sich jahrzehntelang auch der Kärntner Autor Josef Winkler erfahren, dessen schon im letzten Jahr heftig diskutiertes, autobiographisches Theaterprojekt Tintentod heuer in einer überarbeiteten Fassung gezeigt wird.
Kathrin Rögglas Bühnenerstling fake reports schließlich befasst sich mit einer höchst traumatischen Erfahrung von Fremdheit und wie diese im kollektiven Bewusstsein zu verarbeiten versucht wird. Ausgehend von der Katastrophe des 11. September 2001 in New York, wird über das Verhältnis von Authentizität und Fiktion reflektiert, über die Skepsis unserer eigenen medial vermittelten Wahrnehmung gegenüber und wie wir uns Realität ”zu Eigen” machen.
Exemplarisch wird dieser thematische Faden auch im von Theo Steiner konzipierten Symposion Barbaren. Kampfvokabel der Gegenwart aufgenommen, das sich der Frage stellt, ob "Barbaren" nicht eigentlich unverzichtbar für die Konstituierung jedes "zivilisierten" Gemeinwesens sind. Im Literaturprogramm Wer erzählt, lebt. (Konzept: Thomas Kraft) wiederum, geht es etwa im Hinblick auf das autobiographische Schreiben immer auch um das Wahrnehmen des Fremden im Eigenen.
Vielfältige Positionen
Auch die vielfältigen künstlerischen Positionen, die Maia Damianovic im Rahmen von "Enactments of the Self" versammelt, nähern sich dem Begriff der Identität an. Sie bieten eine Plattform, um die Grenzen individueller und kollektiver Identität jenseits gewohnter Repräsentations- und Verhaltensweisen zu erforschen. Die von Christian Kravagna kuratierte Ausstellung "Routes" im Grazer Kunstverein versammelt künstlerische Reflexionen zu Reise und Migration und stellt sich die Frage nach den gesellschaftlichen Funktionen, die bestimmte Darstellungsformen des Fernen, des Anderen in immer gleicher Form am Leben halten? Das Balkan Konsulat, das während des gesamten nächsten Jahres im beheimatet sein wird, vertritt zu Beginn Belgrad und versucht in einer Art Gegen-Kolonialisierung die stereotypen Bilder von Gewalt und Exotismus der "Balkanier" zu relativieren. Salvatore Sciarrinos Musiktheater "Macbeth" schließlich ist eine Bearbeitung, die aus Shakespeares gleichnamiger Tragödie destilliert wurde. Nach der begeistert besprochenen Uraufführung im Juni dieses Jahres bei den Schwetzinger Festspielen ist die Österreichische Erstaufführung in Graz in einmaliger Besetzung (Ausführende: Klangforum Wien unter der Leitung von Sylvain Cambreling; Regie und Bühnenbild: Achim Freyer) zu sehen. Beendet wir der steirische herbst 2002 erst im Jänner 2003 mit Beat Furrers Musiktheater Begehren. Die konzertante Uraufführung dieses Auftragswerks fand bereits im Rahmen des steirischen herbst 2001 statt, die szenische Umsetzung von Reinhild Hoffmann wird im Bühnenbild von Zaha Hadid nicht nur das Programm 2002 beenden sondern auch das Kulturjahr Graz 2003 – Kulturhauptstadt Europas und die Helmut List-Halle eröffnen.
Weitere Informationen: www.steirischerherbst.at