Vier gewinnt
Wie eine Gruppe junger Tischler unter dem Namen WG3 zu Architekten wurde und warum sie das beste Haus im Burgenland bauten.
Der Kärntner Albert Erjavec, der Burgenländer Matthias Gumhalter und der Salzburger Christian Reschreiter haben einiges gemeinsam. Alle drei sind gelernte Tischler und trafen erstmals in St. Pölten am Kolleg für Möbeldesign zusammen. Ab 2003 studierten sie in Graz Architektur. Schon während des Studiums wurden sie scherzhaft WG3 genannt, da sie fast in Permanenz als Trio zu erleben waren. Aus dem Spitznamen wurde ein Markenname, bald gesellte sich Jan Ries aus Novy Jicin in Tschechien dazu, so dass die kreative Arbeitsgemeinschaft in der Folge zu viert agierte. Die ersten Projekte zeigten bereits ein deutliches Faible für die Verbindung von Architektur und Inneneinrichtung und einen starken Bezug zur Nutzung handwerklicher Techniken. Als ihre Stärke sehen sie daher auch das Gesamtkonzept. „Wir sind präzise, vielleicht sogar detailverliebt", sagt Albert Erjavec. „Und wir arbeiten dabei immer eng mit den Bauherren zusammen und gießen ihre Bedürfnisse in neue Entwürfe", ergänzt Christian Reschreiter. So gestalten WG3 heute unter anderem auch flexibel nutzbare Möbel wie das Stehpult C3, das wahlweise aus Holz, Stahl oder glasfaserverstärktem Kunststoff gefertigt wird. Zuletzt waren sie wegen zwei sehr unterschiedlicher Architekturkonzepte in den einschlägigen Medien präsent und das durchaus bereits auf internationaler Ebene. „Das beste Haus", alle zwei Jahre für jedes österreichische Bundesland ermittelt, gilt in der Branche als Gradmesser für die gelungene Verbindung von Ästhetik und Funktionalität. Das heurige Siegerprojekt für das Burgenland stammt von WG3, es handelt sich um einen alten Dreikanthof in Ollersdorf, der behutsam revitalisiert und erweitert wurde. Die früheren Stallungen wurden zu einem Wohn-, Ess- und Schlafbereich. „Wichtig war, dass der Innenhof und der Gewölbekeller in ihrer Struktur erhalten bleiben", erzählt Jan Ries. Aus statischen Gründen war der Einsatz von Beton notwendig, der dann auch bei der Fassade weitergeführt wurde. Das Dach ist Richtung Westen aufgeklappt, nicht zuletzt, um die Abendsonne zu nutzen. Das Ergebnis des sensiblen architektonischen Eingriffs passt sich perfekt in die vorhandene Kubatur ein und ergibt doch ein starkes optisches Signal. „Futuristisches Cockpit im Grünen", nannte das die Tageszeitung Der Standard. Ein Gegenpol zu dieser großzügigen Anlage ist Hypercubus, eine Diplomarbeit, die zum konkreten Pilotprojekt wurde und demnächst tatsächlich in Serie gehen soll. Der rund 18 m2 große Raum ist primär als mobiles Hotelzimmer für zwei Personen gedacht. Der Hypercubus kann an bestehende Infrastruktur angedockt werden oder autonom versorgt werden. Das Projekt ist auch wirtschaftlich durchgerechnet worden, Anfragen aus dem Bereich Hotellerie steht also nichts mehr im Wege. Das Raumerlebnis ist selbst in dieser geringen Ausdehnung erstaunlich intensiv, schließlich verfügt der Kubus über drei Ebenen und entsprechend viele Ausblicke. Während des Designmonats 2011 war das Minimal-Housing-Konzept am Grazer Mariahilferplatz zu sehen und wurde künstlerisch bespielt. Die Komplexität der Arbeiten von WG3 ist für Passanten freilich oft von außen nicht sichtbar, führt aber dazu, dass selbst gestandene Architekten nach einer Besichtigung sagen: „Aufzeichnen könnte ich das jetzt nicht". Zur Zeit haben die vier Wahl-Grazer ihren Standort im Rondo in der Keplerstraße und genießen es, sich mit der markanten architektonischen Gestaltung des Gebäudes im Sinne eines Lernprozesses zu beschäftigen. „Ich habe den Marienplatz vorher leider nicht gekannt, aber der Innenhof und die Neudefinition des Platzes sind städtebaulich sehr gelungen", sagt Christian Reschreiter. „Wir haben noch nie so ein schönes Büro gehabt, es hat Licht und Höhe und bietet einen tollen Blick zum Schlossberg." Sagt es und folgt den anderen auf die Terrasse, um Fleisch auf den Griller zu legen. In einer WG isst man schließlich auch gemeinsam.
Wolfgang Kühnelt; Juni 2011